New York/Washington. Im Verfahren um falsche Wertangaben seiner Immobilien provoziert Ex-Präsident Donald Trump – bis dem Richter der Kragen platzt.
„Mr. Kise, können Sie Ihren Mandanten unter Kontrolle bringen?” Die Frage, die Richter Arthur Engoron am Montagvormittag im prall gefüllten Gerichtssaal in Manhattan erkennbar verstimmt an den Verteidiger von Ex-Präsident Donald Trump richtete, war mehr als letzte Aufforderung denn als freundliches Bitten zu verstehen.
Mehrfach hatte der weißhaarige Jurist zuvor versucht, den 77-Jährigen, der sich im 250 Millionen Dollar schweren Betrugsprozess gegen sein Unternehmen erstmals unter Eid im Zeugenstand befand und langatmige, ausweichende, sachfremde wie beleidigende Äußerungen von sich gab, zur Räson zu rufen. „Dies ist keine politische Kundgebung. Dies ist ein Gerichtssaal. Bitte beantworten Sie nur die Fragen.”
Trump bezeichnet Verfahren als „unfair“
Der Favorit für die republikanische Präsidentschaftskandidatur für 2024 ließ sich erwartungsgemäß nicht an die Kandare nehmen. „Dies ist ein sehr unfaires Verfahren”, sagte Trump, wissend, dass keine TV-Kamera den Prozess begleiten darf, „und ich hoffe, dass die Öffentlichkeit zuschaut“. Später ging er hohe Justiz-Funktionäre, darunter den Vorsitzenden Richter, mehrfach direkt barsch an und sagte, Gericht und Anklage sollten sich „schämen”.
Den Kern-Vorwuf der Staatsanwaltschaft, wonach Trump den Wert seines weit verzweigten Immobilien-Unternehmens in den Steuerunterlagen über zehn Jahre je nach Bedarf arm (für die Steuern) und reich (um günstige Kredite zu erlangen) rechnen ließ, konterte er oft ausweichenden Antworten wie: „Ich erinnere mich nicht.”
Richter Engoron platzte der Kragen
Kurz vor einer kleinen Kaffeepause hatten Prozessbeobachter den Eindruck, Trump legt es ernsthaft auf einen Eklat an. Als Staatsanwalt Kevin Wallace die schlichte Frage stellte, ob Trumps Wolkenkratzer „40 Wall Street” in New York, wie in den Steuer-Unterlagen angegeben, korrekterweise 550 Millionen Dollar wert sei, wich Trump aus und deutete gehässig an, die Dinge seien verjährt: „Sie sind immer noch im Jahr 2014.”
Engoron platzte der Kragen: „Mr. Kise, das war eine schlichte Ja-oder-Nein-Frage. Stattdessen haben wir eine weitere Rede bekommen. Ich flehe Sie an, ihn zu bremsen, wenn Sie können. Wenn Sie nicht können, tue ich es. Ich werde ihn entschuldigen und jede negative Schlussfolgerung ziehen, die ich ziehen kann.“
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Vorwurf laut Trump „völlig verfehlt“
Unmittelbar vor der mit Spannung erwarteten Sitzung ging Trump gegen den Rat seiner Anwälte und Auflagen eines mit 15.000 Dollar Strafe belegten „Maulkorbs”, den Richter Engoron bereits zuvor gegen den ehemaligen Präsidenten verhängt hatte, die Justiz und den amtierenden Präsident Joe Biden abermals energisch an.
„Politische Akteure“ hätten es auf ihn abgesehen, der Prozess sei eine Schande für das Land und würde allenfalls in „Bananen-Republiken“ und „Dritte-Welt-Ländern“ vonstattengehen, sagte Trump. Er behauptete, Joe Biden habe den Prozess „angestiftet“, um ihn vor der kommenden Präsidentschaftswahl zu schwächen. Für eine Einmischung des Amtsinhabers gibt es keine belastbare Indizien.
Den Vorwurf, dass Trump etwa sein Mar-a-Lago-Domizil in Florida für den Fiskus entschieden zu hoch bewertet habe, sei völlig verfehlt, sagte der Ex-Präsident. Mar-a-Lago sei wahrscheinlich 100 Mal so viel wert wie angegeben. Er gehe von einer Milliarde bis 1,5 Milliarden Dollar aus. Der anklagenden Generalstaatsanwältin Letitia James warf Trump erneut vor, sie sei eine „Rassistin“ und wolle ihm „alle seine Immobilien wegnehmen, wie sie es im kommunistischen China tun”. Vor Gericht machte sich Trump zum Opfer: „Ich bin sicher, dass der Richter gegen mich entscheiden wird, weil er immer gegen mich entscheidet.“ Engoron blaffte zurück: „Ihre Antwort, von der Sie wissen, dass sie nicht wahr ist, beantwortet mit Sicherheit nicht die Frage.“
Trump wälzt Verantwortung auf Dritte ab
Nach Analysen von Juristen verhielt sich Trump mehrfach unvorsichtig. So gab er im Prinzip zu, den im Jahr 2014 mit 291 Millionen Dollar angegebenen Wert seiner „Seven Springs“-Immobilie nördlich von New York nachträglich reduziert zu haben; „weil ich dachte, es war hoch“. Auch seine Erklärung, warum der Wert seines mehrstöckigen Privat-Appartements im Trump Tower von New York binnen eines Jahres von 327 Millionen Dollar auf rund 117 Millionen Dollar fiel, wirkte „nicht überzeugend“, sagten Reporter im Saal. Trump räumte ein, die Korrektur „wahrscheinlich“ selbst veranlasst zu haben.
Aber die Finanzunterlagen hätten eine Ausschlussklausel. So sei sichergestellt, dass man für Fehler nicht verklagt werden könne. Als „Brandmauer“ für sich zog Trump mehrfach das Argument hoch, die fachliche Verantwortung für die Steuer-Unterlagen, die lange Zeit von der Fremdfirma Mazar erledigt wurden, habe ausschließlich bei seinen Top-Mitarbeitern Allen Weisselberg und Jeffrey McConney gelegen.
Die Ankläger werfen Trump, seinen Söhnen Donald Jr. und Eric, sowie ranghohen Mitarbeitern vor, den Wert des Trump-Konzerns auf Anweisung des Patriarchen über Jahre massiv frisiert zu haben, um an billigere Kredite und Versicherungsverträge zu gelangen. Richter Arthur Engoron hatte diesen Punkt bereits vor dem Prozess, der über die Höhe der Strafen entscheiden soll, als erwiesen bezeichnet. Generalstaatsanwältin Letitia James fordert von Trump 250 Millionen US-Dollar Entschädigung. Außerdem soll ihm die Lizenz für Geschäfte im Bundesstaat New York entzogen werden. Eine Gefängnisstrafe droht Trump, anders als in drei weiteren Verfahren, die im nächsten Jahr beginnen sollen, nicht.
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