Berlin. Der iranische Präsident drohte gegenüber Israel einen „Zwang zum Handeln“ an. Wird sich der Iran in den Krieg in Nahost einmischen?
Die Warnung des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi war hart und klar. Nach dem Beginn der israelischen Bodenoffensive im Gazastreifen sagte er: „Die Verbrechen der zionistischen Einheit, humanitär und militärisch, haben die roten Linien überschritten, die alle zum Handeln zwingen könnten.“ Er verwies dabei auf die „Achse des Widerstandes“.
Das schiitische Mullah-Regime bezeichnet damit schiitische Milizen, die von Teheran mit Geld und Waffen unterstützt werden: die Hisbollah im Libanon, Verbände in Syrien und im Irak sowie die Huthi-Rebellen im Jemen. Sie alle eint das Ziel, Israel zu zerstören und einen Palästinenserstaat aufzubauen. Zu diesem Zweck gehen sie auch Bündnisse mit sunnitischen Gruppierungen wie der Terrororganisation Hamas ein. Seit der Islamischen Revolution im Iran 1979 gilt Amerika bei den Mullahs als „großer Satan“. Israel wurde vom religiösen Führer Ali Chamenei immer wieder als „Krebsgeschwür“ in der Region bezeichnet.
US-Präsident Joe Biden warnte den Iran und seine Verbündeten: „Tut es nicht!“
Wie ernst ist die Kriegsrhetorik des iranischen Präsidenten zu nehmen? Raisi hat in seine verbale Keule zumindest zwei Puffer eingebaut. Er hat die „roten Linien“ nicht definiert. Und er hat den „Zwang zum Handeln“ im Konjunktiv gelassen. Das sind Indizien dafür, dass der Iran zwar gern mit dem Säbel rasselt, aber kein Interesse an der ganz großen Eskalation hat.
Ein Grund hierfür ist auch das starke Abschreckungs-Signal der Amerikaner. Sie haben zwei Flugzeugträgerkampftruppen im östlichen Mittelmeer stationiert. US-Präsident Joe Biden warnte jedes Land und jede Organisation, die die jetzige Situation gegen Israel ausnutzen wollten, mit den Worten: „Tut es nicht!“.
„Die Hisbollah hat sich noch nicht vom Libanon-Krieg gegen Israel 2006 erholt“
„Weder der Iran noch die Hisbollah haben das militärische Potenzial, um im Krieg gegen Israel ernsthaft einzugreifen“, sagte Walter Posch vom Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement der Landesverteidigungsakademie in Wien unserer Redaktion. „Die Hisbollah hat eine gute Land-Streitkraft mit Sicherheitsdiensten und guter elektronischer Kriegsführung. Aber sie hat sich noch nicht vom Libanon-Krieg gegen Israel 2006 erholt. Damals hatte sie ein Drittel ihrer allerbesten Kämpfer verloren.“
Hinter den Drohungen von Präsident Raisi stecke „eine ordentliche Portion Selbstüberschätzung“, betonte der Iran-Experte Posch. „Welche Optionen hat denn der Iran? Würde das Regime zugunsten der Hamas eine weltweite Terror-Kampagne starten, würden die USA und ihre Verbündeten nicht stillhalten können und Teheran auch militärisch in die Schranken weisen müssen.“
Die Iraner halten sich ihre Optionen offen – und wollen die Spannung hochhalten
Die Raketenabschüsse der Hisbollah nach Israel seien vor allem „Propaganda-Manöver“, so Posch. „Aber die Hisbollah hat kein Interesse an einem großen Krieg mit Israel – mit der Gefahr, dass die Israelis im großen Stil zurückschlagen.“
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Auch Daniel Gerlach von der Berliner Denkfabrik Candid Foundation rechnet momentan nicht damit, dass der Iran oder die Hisbollah stärker in den Krieg eingreifen. Aber: „Die Iraner halten sich ihre Optionen offen – sie wollen die Spannung hochhalten“, sagte er unserer Redaktion. Nun richten sich alle Augen auf den kommenden Freitag: Dann will Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah eine wichtige Rede halten.