Berlin. Antisemitische Ausschreitungen in Russland: Zahlreiche Männer haben den Flughafen von Dagestan gestürmt – wegen eines Flugs aus Israel.
- Zahlreiche Männer haben am Sonntagabend den Hauptstadtflughafen der russischen Republik Dagestan gestürmt
- Dort wollten sie offenbar Jagd auf ankommende Passagiere aus Israel machen
- Israel hat Russland zum Schutz aller israelischen Staatsbürger aufgerufen – die Lage sei mittlerweile wieder unter Kontrolle
In der autonomen russischen Teilrepublik Dagestan hat offenbar eine große Menschengruppe am Sonntagabend den Flughafen von Machatschkala gestürmt und Jagd auf Passagiere aus einem Flugzeug aus Israel gemacht. Russischen Medienberichten zufolge stürmten sie auf das Dach des Flughafens und auf das Rollfeld. Zudem traten sie Türen im Terminal ein und versuchten, Autos beim Verlassen des Flughafens zu kontrollieren.
„Mehr als 150 aktive Teilnehmer der Unruhen wurden identifiziert, 60 von ihnen wurden festgenommen“, heißt es in einer Erklärung des Ministeriums. Bei dem Vorfall seien mehr als 20 Menschen verletzt worden, darunter Einsatzkräfte der Polizei sowie Zivilisten.
Auf Videos in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie jemand ein Schild mit der Aufschrift „Kindermörder haben keinen Platz in Dagestan“ hochhielt. Andere riefen demnach „Allahu Akbar“ (Gott ist groß). Zudem waren palästinensische Fahnen zu sehen.
Ob sich die Maschine am Abend noch auf dem Rollfeld befand und was mit den Passagieren passierte, blieb zunächst unklar. Bevor sie in den Flughafen eindrangen, hatten einige der Männer noch versucht, die Reisepässe von Passagieren auf der Suche nach israelischen Staatsbürgern zu kontrollieren.
Die Ankunft des Red-Wings-Fluges WZ 4728 aus Tel Aviv war für 19.00 Uhr Moskauer Zeit geplant. Der Flug hatte Verspätung und landete laut Medienberichten erst um 19.17 Uhr. Vor Landung der Maschine verbreiteten sich demnach über Telegram Nachrichten, dass ein „Direktflug aus Israel“ ankomme, verbunden mit der Aufforderung, zum Flughafen zu kommen und die Landung zu verhindern. Dem unabhängigen russischen Medium Sota zufolge handelte es sich um einen Transitflug, der um 21.00 Uhr nach Moskau weiterfliegen sollte.
Flughafen von Machatschkala gestürmt: Regierung gibt Entwarnung
Israel rief Russland nach dem Vorfall zum Schutz aller israelischen Staatsbürger auf. Sein Land erwarte von den russischen Behörden, dass sie „alle israelischen Bürger und alle Juden schützen und entschlossen gegen die Randalierer sowie gegen die Aufstachelung zur Gewalt gegen Juden und Israelis vorgehen“, erklärte das Büro von Premierminister Benjamin Netanjahu.
„Israel nimmt Versuche, israelischen Bürgern und Juden irgendwo zu schaden, sehr ernst“ und beobachte die Ereignisse in Dagestan, hieß es in der Mitteilung. Der israelische Botschafter in Russland, Alex Ben Zvi, arbeite mit den russischen Behörden zusammen, „um das Wohlergehen von Juden und Israelis vor Ort zu gewährleisten“.
Nach Angaben der russischen Luftfahrtbehörde wurde der Flughafen von Machatschkala vorläufig geschlossen, ankommende Flugzeuge wurden auf andere Flughäfen umgeleitet und Sicherheitskräfte vor Ort entsandt. Die Lage sei wieder unter Kontrolle, berichtete die Regierung der Kaukasusrepublik auf Telegram. Der Flughafen bleibe aber bis zum 6. November geschlossen. Sie rief den Mob auf, alle „illegalen Akte“ einzustellen.
Grünen-Politiker Hofreiter sieht Putin mitverantwortlich für Antisemitismus
Der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter hat dem Kreml inzwischen eine Mitverantwortung für die Jagd auf Juden am Flughafen von Machatschkala gegeben. „Die antisemitischen Ausschreitungen in Dagestan passierten nicht im luftleeren Raum“, sagte Hofreiter unserer Redaktion. „Die antiisraelische und antisemitische Rhetorik in den staatlichen russischen Medien findet nun ihren Widerhall in gewalttätigen Protesten auf der Straße.“ Die russische Regierung treffe sich mit Vertretern der Terrorgruppe Hamas und befeuere deren Aggression gegen Israel und Juden weltweit, fügte er hinzu.
Hofreiter forderte: „Die russische Regierung unter Putin muss unverzüglich alles tun, um die Sicherheit der jüdischen Bürger und israelischen Reisenden zu gewährleisten.“
Regierungsbeauftragter: Putin muss Sicherheit und Eigentum von Jüdinnen und Juden schützen
Erschüttert von den Vorfällen zeigte sich der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein. „Ich erwarte von Präsident Putin und den russischen Behörden, dass sie die Sicherheit und das Eigentum von Jüdinnen und Juden schützen“, sagte Klein den Zeitungen dieser Redaktion. Die Szenen aus Dagestan verdeutlichten auf erschreckende Weise, „wie plötzlich und unerwartet sich ein Funke entzünden und ein antisemitischer Flächenbrand entstehen kann, wenn Menschen über das Internet aufgewiegelt werden“, sagte Klein. „Hass, Hetze und Desinformation verbinden sich zu einer hochgefährlichen Melange, die wir auch hierzulande genau beobachten müssen.“
Antisemitismus sei ein weltweites Problem, dem man international begegnen müsse, forderte Klein. „Ich setze mich daher dafür ein, dass wir in einem ersten Schritt den in Europa eingeschlagenen Weg der EU-weiten Vernetzung im Kampf gegen Antisemitismus entschieden weiter vorantreiben.“
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