Berlin. Am Dienstag startete Aserbaidschan Angriffe gegen Berg-Karabach. Dutzende Menschen wurden getötet. Nun soll es eine Feuerpause geben.
Einen Tag nach dem Beginn eines aserbaidschanischen Militäreinsatzes ist in der Konfliktregion Berg-Karabach Medienberichten zufolge eine Feuerpause vereinbart worden. Die Behörden der international nicht anerkannten Republik Berg-Karabach (Arzach) im Südkaukasus hätten einen entsprechenden Vorschlag von russischer Seite angenommen, meldete unter anderem die armenische Nachrichtenagentur Armenpress am Mittwoch. Berg-Karabach liegt zwar auf aserbaidschanischem Staatsgebiet, wird aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt.
„In der aktuellen Situation sind die Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft zur Beendigung des Kriegs und zur Lösung der Situation unzureichend“, zitierte Armenpress aus einer Behördenmitteilung. „Unter Berücksichtigung dessen akzeptieren die Behörden der Republik Arzach den Vorschlag des Kommandos des russischen Friedenskontingents bezüglich eines Waffenstillstands.“
Laut russischer Agentur Interfax soll die Feuerpause offiziell bereits begonnen haben - nämlich um 13 Uhr armenischer Zeit (11 Uhr MESZ). Demnach soll auch vereinbart worden sein, dass verbliebene Einheiten der armenischen Armee aus Berg-Karabach abgezogen werden und Karabach-Kämpfer ihre Waffen abgeben. Ob das tatsächlich umgesetzt wird, war zunächst unklar. Von russischer Seite gab es erst einmal keine offizielle Bestätigung.
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Aserbaidschan startete Angriffe gegen Berg-Karabach
Aserbaidschan hatte am Dienstagmorgen einen massiven Angriff auf das mehrheitlich von Armeniern bewohnte Berg-Karabach (Republik Arzach) gestartet. Die Hauptstadt Stepanakert und umliegende Dörfer standen unter schwerem Beschuss. Der Angriff hatte sich in den vergangenen Tagen und Wochen angedeutet.
Bereits wenige Stunden nach Beginn des aserbaidschanischen Militäreinsatz riefen die dortigen Behörden zu einem sofortigen Waffenstillstand auf. Berg-Karabach fordere die aserbaidschanische Seite auf, das Feuer sofort einzustellen und Verhandlungen aufzunehmen, erklärte das Außenministerium der abtrünnigen Region am Dienstag im Onlinedienst Telegram. Aserbaidschan erklärte sich zu Verhandlungen bereit, forderte dafür aber eine Kapitulation der armenischen Separatisten in Berg-Karabach.
Die Aserbaidschaner zogen Truppen an den Grenzen auch zu Armenien selbst zusammen. Die einzige Verbindung nach Berg-Karabach ist seit Monaten blockiert, unter den 120.000 Menschen dort soll es bereits Hungertote gegeben haben. Der Status von Berg-Karabach ist völkerrechtlich umstritten, sowohl Aserbaidschan als auch Armenien erheben darauf Anspruch.
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Baku spricht von "Antiterroroperation"
Das Verteidigungsministerium in Baku sprach am Dienstag zur Begründung von einer „Antiterroroperation lokalen Charakters zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung“ in der Region.
Der Mitteilung aus Baku zufolge dient der Militäreinsatz dazu, den nach dem letzten Berg-Karabach-Krieg 2020 im Waffenstillstand festgeschriebenen Rückzug armenischer Truppen aus dem Gebiet durchzusetzen. Es werde nur auf militärische Ziele geschossen, behauptete das aserbaidschanische Verteidigungsministerium. Den Angaben aus Baku zufolge wurden zuvor zunächst eigene Stellungen von armenischer Artillerie angegriffen und mehrere Soldaten verletzt.
Stellen vor Ort meldeten hingegen Tote und Verletzte unter der Zivilbevölkerung. „Den bisherigen Informationen zufolge haben die aserbaidschanischen Angriffe mindestens zwei Tote, darunter ein Kind, und elf Verletzte, darunter acht Kinder, verursacht“, schrieb der Menschenrechtsbeauftragte der international nicht anerkannten Republik Berg-Karabach (Arzach), Gegam Stepanjan, auf X (vormals Twitter). Sieben Kinder seien in ein Krankenhaus gebracht worden. Zudem sind nach armenischen Angaben mehr als 7000 Zivilisten aus 16 Ortschaften evakuiert worden. Die Menschen seien aus Gemeinden in den Regionen Askeran, Martakert, Martuni und Schuschi in Sicherheit gebracht worden, erklärte Gegham Stepanjan im Onlinedienst X.
Anwohner der Gebietshauptstadt Stepanakert verbreiteten Aufnahmen, die den Beschuss von Wohnhäusern zeigen. In den Vierteln gebe es keine militärischen Objekte, klagen sie. Der frühere Regierungschef der international nicht anerkannten Republik Arzach in Bergkarabach, Ruben Wardanjan, berichtete hingegen auf seinem Telegram-Kanal von massivem Artilleriefeuer auf das Gebiet. „Die Führung von Armenien muss Arzach anerkennen und sich dem Schutz unserer Bürger anschließen“, forderte er als Konsequenz.
Konflikt in Berg-Karabach: Armenien nähert sich dem Westen an
Vor drei Jahren starteten die Aserbaidschaner bereits einen Krieg gegen Berg-Karabach, in dem sie dank türkischer Unterstützung Teile der Region erobern konnten. Armenien ist hingegen eigentlich mit Russland verbündet und Mitglied der OVKS, einer Art Mini-Nato, die von Moskau dominiert wird. Russland hat die Armenier allerdings bereits vor drei Jahren im Stich gelassen. Zurzeit nähert sich Armenien dem Westen an, weil es von Moskau keine Hilfe mehr erwarten kann.
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Jedoch werden weder die USA noch die EU etwas gegen die aserbaidschanische Aggression unternehmen. Die USA brauchen die Flugfelder in der Türkei, die EU ist auf Gaslieferungen aus Aserbaidschan angewiesen und wird die Türkei nicht verärgern wollen, weil Erdogan ansonsten die Flüchtlings-Schleuse öffnet.
Allerdings strebt Frankreich eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats an. Das teilte das französische Außenministerium in Paris am Dienstag mit. Frankreich spreche sich eng mit seinen europäischen und amerikanischen Partnern ab, um eine starke Antwort auf die inakzeptable Offensive zu geben, hieß es.
Armenien hatte den UN-Sicherheitsrat bereits zu Maßnahmen aufgerufen. Frankreich forderte Aserbaidschan der Mitteilung zufolge dazu auf, seine Offensive unmittelbar zu beenden. Kein Vorwand könne eine solch einseitige Aktion rechtfertigen, die Tausende Zivilisten bedrohe. (jes/dpa)