Jerusalem. Innerhalb eines Monats haben sich die schweren Corona-Fälle in Israel verdoppelt. Warum es nun zu einem weiteren Sprung kommen könnte.
Die neue Pirola-Variante des Coronavirus wirft viele Fragen auf. Auch in Israel, wo die Covid-Variante BA.2.86 Ende Juli erstmals aufgetaucht ist und sich seither ausbreitet, macht sie den Medizinern Sorgen. Auffällig ist, dass Pirola eine hohe Anzahl an bisher ungesehenen Mutationen aufweist.
Wohin sich das entwickelt und wie gefährlich Pirola wirklich ist, weiß derzeit niemand. Mittlerweile wurde die neue Variante auch in Deutschland nachgewiesen.
Cyrille Cohen, einer der angesehensten Virologen Israels, hat sich mit der neuen Variante beschäftigt. Er sagt, dass man heute vieles noch nicht wisse. "Pirola ist sehr schwierig zu definieren", sagt Cohen. "Es fehlt uns an Detailwissen."
Sicher könne man nur sagen, dass es sich nicht um eine Subvariante handle, sondern um eine ganz eigenständige Variante, die eine hohe Anzahl an Mutationen erzeugt.
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"Das bedeutet aber nicht zwingend, dass diese Variante irgendwann dominant werden wird", sagt Cohen. Derzeit sei die Subvariante Eris für den größten Teil der Infektionen verantwortlich. "Wir werden abwarten müssen, ob sich das ändert" – und ob irgendwann Pirola das Steuer übernimmt. Alle Aussagen sind aber mit einer gewissen Vorsicht zu genießen.
"Wir navigieren blind", sagt Cohen. Dass es eine neue Corona-Welle gibt, daran besteht kein Zweifel. "Ich sehe es schon allein in meinem Umfeld, dass immer mehr Leute krank werden", sagt Cohen.
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Krankenhäuser: Zahl der schweren Corona-Fälle hat sich in einem Monat verdoppelt
Es klingt ungewöhnlich, dass ein Forscher seine Erkenntnisse aus dem nahen Umfeld gewinnt, nicht aus Datensätzen. Aber das beschreibt auch schon das Problem, in dem Israel, wie auch viele andere Länder, nun steckt: "Es fehlt uns an offiziellen Daten", sagt Cohen.
Anders als am Höhepunkt der Pandemie wird nicht mehr flächenmäßig getestet. Wer sich krank fühlt und sicher gehen will, besorgt sich einen Antigentest in der Apotheke. Positive Fälle werden aber nirgends registriert, und viele Kranke lassen sich erst gar nicht testen. Die Dunkelziffer ist daher hoch.
Wie auch in früheren Wellen sind es die Krankenhäuser, die den Virologen helfen, ein Bild der Lage zu bekommen. Und dieses Bild ist recht eindeutig: In nur einem Monat hat sich die Zahl der schweren Corona-Fälle in Israels Krankenhäusern verdoppelt. Heute sind 282 Patienten in stationärer Behandlung, 47 von ihnen befinden sich in kritischem Zustand. Das ist nicht wenig, aber "immer noch im kontrollierbaren Bereich", sagt Cohen.
Als erstes Land der Welt zurück zu Corona-Beschränkungen in Krankenhäusern
Die Betonung liegt auf "noch": Derzeit wird in Israel das jüdische Neujahrsfest gefeiert, zehn Tage darauf folgt der höchste jüdische Feiertag, Yom Kippur. Zur Zeit der Feiertage sind die Synagogen überfüllt, Familien versammeln sich zu großen Feiern, und Verwandte aus der Diaspora treten den Heimatbesuch an – das alles lässt einen Sprung an Infektionen in den kommenden zwei Wochen erwarten.
Dazu kommt, dass das Schuljahr gerade erst begonnen hat. In der Abiturklasse des Leyada-Gymnasiums in Jerusalem mussten die Klassenzimmer bald nach dem Schulstart wieder schließen, nachdem 38 Schüler und vier Lehrer positiv getestet worden waren.
Als erstes Land der Welt hat Israel nun in den Krankenhäusern wieder erste Corona-Beschränkungen eingeführt. Alle Patienten in den Abteilungen für Interne Medizin werden PCR-getestet. Das soll helfen, einen Überblick zu bekommen, wie sich das Infektionsgeschehen insgesamt verändert. "Es soll aber auch verhindern, dass Patienten einander mit Covid anstecken", erklärt Cohen. In der Inneren Medizin, wo es viele ältere Patienten und Menschen mit Mehrfacherkrankungen gibt, ist erhöhte Vorsicht besonders wichtig.
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Keine gesetzlichen Verpflichtungen – "Wir schreiben nicht vor, wir empfehlen"
Von anderen Einschränkungen, etwa einer Maskenpflicht, ist aber noch keine Rede. Sharon Elrai-Price, Direktorin für Öffentliche Gesundheit im israelischen Gesundheitsministerium, empfiehlt das Tragen von Schutzmasken aber für Menschen, die vorbelastet sind oder aus anderen Gründen Angst vor Ansteckungen haben. Sie ruft außerdem dazu auf, sich zu testen, wenn man sich krank fühlt, und zu Hause zu bleiben, wenn man positiv getestet ist. Gesetzliche Verpflichtungen hält sie nicht für nötig. "Wir schreiben nicht vor, wir empfehlen", sagt sie.
Virologe Cohen rät ebenfalls zum Maskentragen, warnt aber davor, sich dabei in falscher Sicherheit zu wiegen. "Bitte sagt nicht: Ich trage eine Maske, also bin ich in Sicherheit. Das stimmt nicht. Masken bieten keinen 100-prozentigen Schutz vor einer Ansteckung", betont er. Er appelliert an alle, die Schnupfen oder Husten haben, dass sie aus Rücksicht auf andere Schutzmasken aufsetzen. Und er gibt einen Tipp für Familienbesuche: "Bevor ihr mit den Kindern Opa und Oma besucht, macht lieber alle einen Test."
Dass die Covid-Infektionen ausgerechnet jetzt wieder ansteigen, wundert Cohen nicht. Er spricht von einer "immunologischen Lücke": Da die letzte Impfung oder die letzte Infektion bei den meisten Menschen schon lange zurückliegt, hat das Immunsystem diese Erreger wieder "vergessen". Sobald die aufgerüsteten Impfstoffe verfügbar sind und Risikogruppen sich auch gegen die neuen Varianten schützen können, ist wieder Aufatmen angesagt.
Eine gute Nachricht hat Cohen, was die neuen Impfstoffe betrifft, die bald auch in Deutschland ausgerollt werden: In Laborversuchen habe sich gezeigt, dass sie auch bei der Pirola-Variante wirksam sind. "Jetzt müssen wir abwarten, ob sich das auch im realen Leben bestätigt."
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