Berlin. Die Einigung der Ampel auf die Kindergrundsicherung sorgt für Enttäuschung, dabei ist sie vernünftig. Was jetzt noch zu tun ist.
Die Familienministerin hat es vermasselt. Wer wie Lisa Paus mit gigantischen Milliardenplänen viel zu große Erwartungen beim Kampf gegen die Kinderarmut weckt, muss sich nicht wundern, wenn am Ende vor allem eines steht: Enttäuschung. Dabei ist der Kompromiss zur Kindergrundsicherung, auf den sich Paus jetzt endlich mit Finanzminister Christian Lindner geeinigt hat, solide und vernünftig: Einfacher, einheitlicher und direkter soll der Staat die Kinderförderung organisieren.
Einkommensschwache Familien sollen bekommen, was ihnen schon jetzt zusteht, aber in der großen Mehrheit wegen des schwer durchschaubaren Systems nicht in Anspruch nehmen – das gilt für den Zuschlag beim Kindergeld wie für das Bildungspaket, mit dem etwa Schulmaterial, Klassenfahrten oder Vereinsbeiträge staatlich finanziert werden.
Einfachere Verfahren, automatisierte Anspruchsprüfung, eine Stelle: Schon das verspricht eine deutliche Hilfe. Zugleich werden wohl auch die finanziellen Leistungen angehoben. Aber: Der Zuwachs ist zwar noch nicht beziffert, doch wird er viel geringer ausfallen, als es die Ministerin mit ihrem missglückten Erwartungsmanagement den Familien in Aussicht gestellt hat. Bitter für die Betroffenen. Doch die ursprünglichen Ausgabenpläne von Paus waren weder finanzierbar noch familienpolitisch sinnvoll.
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Kampf gegen Kinderarmut: Immer mehr Geld hilft nicht
Der Einspruch des Finanzministers war nur konsequent. Den Familien einfach immer mehr Geld zu überweisen, verbessert in vielen Fällen die Lebenschancen der Kinder keineswegs. Ja, die Kinderarmut ist ein beschämendes Problem in Deutschland. Jedes fünfte Kind wächst in einer armutsgefährdeten Familie auf. Aber wer das ernsthaft ändern will, muss vor allem angesichts des wachsenden Anteils der Zuwanderer an dieser Gruppe andere Ansätze verfolgen, als nur die staatlichen Transfers anzuheben.
Es ist unbestritten, dass vor allem die Arbeitslosigkeit der Eltern die Armut der Kinder verursacht. Darum ist es so wichtig, dass die Eltern dauerhaft eine ordentlich bezahlte Arbeit haben – und deshalb muss der Anreiz für sie erhalten bleiben, trotz der Familienhilfen eine Arbeit zu suchen, also auch die Angebote zur Sprachförderung und Qualifikation zu nutzen. Genauso wichtig ist es, die Unterstützung für benachteiligte Kinder in Kitas und Schulen massiv auszubauen, damit endlich alle eine faire Aufstiegschance bekommen.
Einigung kann nur der Anfang sein: Was die Regierung jetzt tun muss
Der Finanzminister ist also nicht aus der Verantwortung entlassen: Auch der Bund ist gefragt, wenn es darum geht, die Bildungsangebote zu verbessern, mit mehr Personal und modernerer Ausstattung. Die geplante Kindergrundsicherung ist nicht das Ende im Kampf gegen Kinderarmut, sondern eher der Auftakt.
Nur ein Anfang ist übrigens auch Lindners Wachstumschancengesetz, das die Familienministerin blockiert hatte und das nun mit ihrer Zustimmung vom Kabinett beschlossen werden kann. Die Vielzahl steuerpolitischer Entlastungen vor allem für die Unternehmen kommt zur rechten Zeit. Aber längst ist klar, dass das Sechs-Milliarden-Paket allein nicht ausreicht, um die Wirtschaft wieder dauerhaft auf Wachstumskurs zu bringen.
Bei der Klausur in Meseberg muss die Bundesregierung dringend nachlegen. So schwierig und anstrengend die Einigung bei der Kindergrundsicherung gewesen sein mag – sie ist für die Ampel kein Anlass, sich jetzt zurücklehnen. Für Kanzler Olaf Scholz und seine Truppe kann es jetzt nur heißen: Ärmel hochkrempeln, zusammenreißen, weniger ankündigen und dafür liefern, liefern, liefern.
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