Moskau. Die russischen Behörden haben den Tod des Sölderanführers Jewgeni Prigoschin offiziell bestätigt. Das habe die Identifizierung ergeben.

  • Mehrere Tage nach dem Flugzeugabsturz Jewgeni Prigoschins haben die russischen Behörden dessen Tod offiziell bestätigt
  • Zuvor hatte bereits Staatschef Wladimir Putin der Familie kondoliert
  • Zur Absturzursache gibt es weiterhin keine offiziellen Angaben
  • Für deutsche Politiker kommt der Vorfall nicht überraschend

Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnergruppe Wagner, ist tot. Nach Angaben seines Telegram-Kanals "Grey Zone", kam Prigoschin bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Wenig später hieß es dann von der russischen Luftransportbehörde Rosawiatsija: Prigoschins Name stand tatsächlich auf der Passagierliste des abgestürzten Privatjets. Später kondolierte auch Kreml-Chef Wladimir Putin der Familie des Wagner-Chefs und bestätigte indirekt dessen Tod. Er kündigte eine umfassende Aufklärung des Absturzes an. Diese habe bereits begonnen, werde aber eine Zeit lang dauern, sagte er bei einem Treffen mit dem russischen Verwaltungschef von Donezk, Denis Puschilin.

Die russischen Behörden bestätigten am Sonntag offiziell den Tod Prigoschins. Das meldete die Agentur Tass am Sonntag unter Berufung auf das Staatliche Ermittlungskomitee. Nach Identifizierung aller zehn Opfer eines Flugzeugabsturzes stehe fest, dass Prigoschin dazu gehöre.

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Putin bezeichnete den mutmaßlich bei einem Flugzeugabsturz getöteten Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin als einen "fähigen" Mann, der "schwere Fehler" begangen habe. Prigoschin "war ein Mann mit einem komplizierten Schicksal, der in seinem Leben schwere Fehler begangen hat, aber die notwendigen Ergebnisse erzielte", sagte Putin bei der im Fernsehen übertragenen Sitzung.

Die staatlich kontrollierte Nachrichtenagentur Ria hatte zuvor die Liste der mutmaßlichen Opfer veröffentlicht. Auf der Liste stehen sieben Passagiere, dazu Pilot, Co-Pilot und Flugbegleiterin. Unter den Passagieren: Prigoschin und Wagner-Kommandeur Dmitri Utkin. Alle zehn Leichen seien geborgen worden, hieß es am späten Mittwochabend. Ob Prigoschin tatsächlich tot ist, dafür gibt es bislang keine eindeutigen Belege.

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Jewgeni Prigoschin: Was über die Ursache des Absturzes bislang bekannt ist

Der Privatjet vom Typ Embraer Legacy 600 mit der Registrierungsnummer RA-02795 stürzte in der Nähe des Dorfes Kuschenkino, 16 km von der Stadt Bologoje und 170 km von der Gebietshauptstadt Twer, ab. Das Flugzeug gehörte laut Medienberichten der MNT-Aero LLC, die auf Geschäftstransporte spezialisiert ist.

Öffentlich zugängliche Flugdaten zeigen: Der Privatjet war am frühen Abend in Moskau gestartet. Kurz nach dem Start war er auf rund 10.000 Meter Höhe gestiegen – dann verschwand plötzlich das Signal. Ein Notruf war nicht abgesetzt worden. Laut Angaben der Rosawiatsija erfolgte der Flug "im Rahmen einer ordnungsgemäß erteilten Luftraumgenehmigung".

Das Online-Portal Baza veröffentlichte ein Video von der Absturzstelle. Fast alle Toten hätten schwere Verbrennungen erlitten. Zur Feststellung ihrer Identität werden höchstwahrscheinlich DNA-Tests erforderlich sein. Baza zufolge wurde einem der Opfer angeblich der Kopf abgerissen, während das andere ein schwer zerschmettertes Gesicht aufwies. Dazu gibt es keine offizielle Bestätigung.

Den Angaben nach war noch ein zweites Flugzeug der Privatarmee auf dem Flug von Moskau nach St. Petersburg. Dieses habe kehrtgemacht und sei am Flughafen Ostafjewo südlich von Moskau gelandet.

Vor wenigen Tagen noch hatte sich Prigoschin in einem 40 Sekunden langen Videoclip, verbreitet von dem ihm nahestehenden Telegram-Kanal "Grey Zone" zu Wort gemeldet. Zu sehen war er in Tarnkleidung, mit Gewehr in der Hand, im Hintergrund Bewaffnete und ein Pickup-Truck. Laut "Grey Zone" wurde das Video in einem afrikanischen Land aufgenommen. Wann allerdings, das ist unklar.

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Über die Ursache des Absturzes ist bislang nichts bekannt. "Grey Zone" behauptet, dass Prigoschins Flugzeug von der Flugabwehr abgeschossen wurde. Es gibt keine offizielle Bestätigung dieser Information. Augenzeugen allerdings hatte vor dem Absturz zwei laute Knallgeräusche gehört. Ein russischer Militärblogger sprach bereits von "Mord". Überprüfen ließ sich diese Behauptung nicht. "Prigoschin starb als Ergebnis der Handlungen von Verrätern Russlands", hieß es in einem Post.

"Der Mord an Prigoschin wird katastrophale Folgen haben", schrieb der Militärjournalist Roman Saponkow auf Telegram. "Die Leute, die den Befehl gegeben haben, verstehen nichts von der Stimmung in der Armee und ihrer Moral."

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US-Präsident Joe Biden hat wenig überrascht auf den Flugzeugabsturz in Russland reagiert. Er wisse nicht genau, was passiert sei, er sei aber nicht überrascht, sagte Biden am Mittwoch am Rande eines Urlaubsaufenthaltes im US-Bundesstaat Kalifornien.

Auf die Frage von Reportern, ob seiner Ansicht nach Russlands Präsident Wladimir Putin hinter dem Absturz stecke, sagte Biden: "Es gibt nicht viel, was in Russland passiert, hinter dem Putin nicht steckt." Er wisse aber nicht genug, um dies beantworten zu können.

US-Geheimdiensten war es bis zum späten Mittwochabend nicht gelungen, Prigoschins Tod zu bestätigen. Auch zur Absturzursache konnten die Dienste keine Angaben machen.

Prigoschin: Von Putins Freund zum Staatsfeind Nummer 1

Jewgeni Prigoschin wurde im Juni 1961 in Sankt Petersburg geboren. Er verbrachte neun Jahre in sowjetischen Gefängnissen wegen Verbrechen wie Raub und Betrug. Nach seiner Freilassung 1990 wurde er in seiner Heimatstadt Gastronom. Damals lernte er den heutigen Präsidenten Wladimir Putin kennen. Prigoschin erhielt wichtige staatliche Aufträge und wurde als "Putins Koch" bekannt.

Im Jahr 2014 gründete Prigoschin die Söldnergruppe Wagner. Die Kämpfer der Gruppe wurden in Ländern wie Syrien, Libyen und der Zentralafrikanischen Republik eingesetzt und unterstützten dabei Russlands Verbündete. Nach der Invasion der Ukraine im Februar 2022 führte Wagner den russischen Angriff auf die Stadt Bachmut an.

Unter den Kämpfern waren Tausende von Häftlingen, die Prigoschin aus dem Gefängnis rekrutierte. Er nutzte soziale Medien, um über Erfolge der Gruppe zu berichten und für Kritik an der Militärspitze. Ihr warf er Inkompetenz und Verrat vor. Im Juni führte Prigoschin eine Rebellion gegen Putins Militärführung an.

Dabei übernahmen seine Kämpfer zeitweise die Kontrolle über die südrussische Stadt Rostow am Don und rückten dann auf Moskau vor. Putin bezeichnete dies als Verrat, der eine harte Reaktion nach sich ziehen würde. Als Chef der gefürchtetsten Privatarmee der Welt war sich der russische Geschäftsmann Jewgeni Prigoschin der Todesgefahr stets bewusst.

Putin vergibt öffentliche Bloßstellung niemals

Zwar beteuerte er nach der gescheiterten Revolte, dass er keinen Machtwechsel geplant habe. Aber Kremlchef Wladimir Putin ist bekannt dafür, Verrat, noch dazu von Freunden, eiskalt zu bestrafen. Zu hören war von Prigoschin seit der Revolte nur noch wenig. In Russland gab es die letzten Fotos, als er am Rande von Putins Afrika-Gipfel im Juli in Sankt Petersburg Gespräche führte.

Über Monate hinweg hatte er sich vor dem Aufstand wegen des chaotischen Kriegsverlaufs in der Ukraine mit der Militärführung in Moskau angelegt. Immer wieder warf er dem Verteidigungsministerium und dem Generalstab der Armee vor, Präsident Putin zu belügen. Mit dem bewaffneten Aufstand seiner mit Panzern und anderen schweren Waffen voll ausgestatten Armee forderte er aber letztlich auch Putin heraus.

Wagner-Truppen hatten nach dem gescheiterten Aufstand gegen Moskau in Belarus ihr Lager aufgeschlagen.
Wagner-Truppen hatten nach dem gescheiterten Aufstand gegen Moskau in Belarus ihr Lager aufgeschlagen. © Uncredited/Prigozhin Press Service/AP/dpa/Archiv

Zwar bestätigte der Kreml, dass sich Prigoschin und Putin nach dem Beinahe-Putsch noch einmal im Kreml trafen. Aber Beobachter erinnerten daran, dass Putin öffentliche Bloßstellung wie durch Prigoschin niemals vergibt.

Prigoschin genoss den Ruf, mit seinem Firmenimperium Concord und anderen geschäftlichen Aktivitäten auf maximalen Gewinn aus zu sein. Dass er dabei extrem machtbewusst vorging, war auch dem Kreml klar. Seinen Einfluss nutzte er besonders, um Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow unter Druck zu setzen, den Einsatz im Krieg zu erhöhen. Er warf ihnen vor, die Truppen nicht ordentlich zu führen.

Als zweiter Gründer von Wagner ist der ehemalige Geheimdienstler Dmitri Utkin bekannt, der offizielle Wagner-Kommandant. Auch er stand auf der Passagierliste der abgestürzten Maschine. Ihm wird eine Vorliebe für den deutschen Komponisten Richard Wagner nachgesagt - daher der Name der Truppe. Im Ukraine-Krieg spielte sie lange Zeit eine zentrale Rolle: Als Prigoschins größter militärischer Erfolg galt die Eroberung der ostukrainischen Stadt Bachmut.

Tod des Wagner-Chefs? Flugzeug-Vorfall sorgt in Deutschland und international für wenig Überraschung

Der Vorfall des abgestürzten Flugzeugs sorgt in Deutschland für wenig Überraschung. CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter vermutet, dass der russische Präsident Wladimir Putin den Tod des Wagner-Chefs beauftragt hat. "Es war eine Frage der Zeit", sagte er in der Sendung "RTL Direkt" am Mittwochabend. "Dass es jetzt so rasch ging (...) und auch noch zehn weitere Tote in Kauf genommen wurden, zeigt die Brutalität des Systems Putin", erklärte er.

Auch die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zeigte sich von der Todesnachricht aus Russland nicht überrascht. "Dass Prigoschin seinen Angriff auf Putin mit dem Leben bezahlen wird, davon war auszugehen: Ein Teufel, der sich mit dem Teufel einlässt", sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Es zeigt aber auch, dass offensichtlich große Nervosität bei Putin und seinen Schergen im Kreml herrscht."

Der CDU-Außenpolitiker und Bundestagsabgeordnete Norbert Röttgen sieht Präsident Putin auch nach dem Tod Prigoschins geschwächt. "Entweder Putin oder Prigoschin – das blieb die Lage auch nach dem abgesagten Putsch", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Ob die von Putin enthauptete Wagner-Gruppe sich nun erst recht zur Rebellion formiert oder sich führungslos fügt, ist eine offene Frage. Das Machtsystem Putins aber hat Risse bekommen, und das kann er nicht mehr stoppen."

Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak sagte der "Bild"-Zeitung: "Prigoschin hat in dem Moment, als er 200 Kilometer vor Moskau stehen blieb, sein eigenes Todesurteil unterschrieben." Er betonte: "Der Aufstand von Prigoschin im Juni hat (Russlands Präsidenten Wladimir) Putin wirklich erschreckt" und habe absehbar zu Konsequenzen führen müssen, denn: "Putin verzeiht niemandem seine eigene Angst." (mit Material von dpa und afp)