Washington. Ex-Präsident Trump wurde nun wegen des Aufstands im US-Kapitol angeklagt. Doch seine Chancen auf eine Wiederwahl steigen trotzdem.
Eine mehr als 30 Punkte umfassende Anklage wegen der rechtswidrigen Mitnahme geheimer Dokumente hatte er bereits am Hals. Nun muss sich der ehemalige US-Präsident Donald Trump auch wegen seiner Rolle bei dem gewalttätigen Aufstand im US-Kapitol verantworten, mit dem er hoffte, das Ergebnis der letzten Präsidentschaftswahl zu kippen. Unterdessen tun die Strafprozesse seinen Bemühungen, ein zweites Mal ins Weiße Haus einzuziehen, keinen Abbruch. Im Gegenteil.
Am Dienstagnachmittag Ortszeit in Washington hatte sich die Geschworenenkammer bereits zurückgezogen. Es hatte den Anschein, als würden die Diskussionen darüber, ob die Juroren dem Antrag von Sonderstaatsanwalt Jack Smith zustimmen, Trump wegen einer weiteren Straftat den Prozess zu machen, am nächsten Tag fortgesetzt. Am frühen Abend schlug dann die Nachricht wie eine Bombe ein: Der 45. Präsident wurde in vier weiteren Punkten angeklagt.
Formal: Wegen Behinderung der Justiz sowie in drei Fällen von Verschwörung. Einer Verschwörung, um Betrug an den Vereinigten Staaten zu begehen, eine offizielle Amtshandlung zu behindern, gemeint ist damit die Auszählung der Elektorenstimmen im Kapitolsgebäude, und die Rechte seiner Mitbürger zu verletzen. Erwähnt wurden in der 45 Seite langen Anklageschrift auch sechs anonyme Co-Konspiratoren, die aber vorläufig nicht angeklagt wurden
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Trump verfolgte schmunzelnd den blutigen Aufstand im Fernsehen
Im Klartext aber: Der Sonderstaatsanwalt hält für unwiderlegbar bewiesen, dass Trump am 6. Januar 2021 einen Putschversuch inszeniert hat, der letztlich scheiterte, das Fehlschlagen des Coups ihn aber längst nicht von seiner Verantwortung als Anstifter entbindet. Bekanntlich hatte der damalige Präsident vor der Auszählung der Wahlmänner, die laut Gesetz um 12 Uhr mittags unter der Schirmherrschaft des amtierenden Vizepräsidenten beginnen sollte ‒ damals Trumps Stellvertreter Mike Pence ‒ eine hetzerische Rede gehalten. Eine Rede, in der er Lügen über eine gestohlene Wahl verbreitete und tausenden seiner aufgebrachten Anhänger sagte "Ihr müsst für Eure Nation kämpfen, sonst habt Ihr keine Nation mehr!".
Dann legte er mit der Aufforderung nach, aufs Kapitol zu marschieren, um Pence zu zwingen "das Richtige zu tun", nämlich die legitimen Elektorenstimmen zu verwerfen und die von Trump installierten Wahlmänner zu zertifizieren. Bilder dessen, was in den Stunden danach geschah, gingen um die Welt. Währenddessen verfolgte der schmunzelnde Präsident im Weißen Haus den blutigen Aufstand im Fernsehen und trotzte sämtlichen Aufforderungen seiner Berater und selbst dem Wunsch von Tochter Ivanka, die Randalierer zur Beendigung der Gewalt aufzufordern.
Genau zwei Wochen danach verschwand die Regierungsmaschine Air Force One mit dem abgewählten Präsidenten an Bord ‒ musikalisch untermalt von Frank Sinatras Schlager "I Did It My Way" ‒ ein letztes Mal in den Wolken über Washington.
Kommentar: Warum Trump eine neue Anklage sogar helfen kann
In den Monaten danach wurden mehr als 60 Klagen, die Trumps Advokaten gegen das Ergebnis der Präsidentschaftswahl eingereicht hatten, abgewiesen, in vielen Fällen sogar von republikanischen Richtern, die er selbst ernannt hatte. Dennoch hält er bis heute nicht nur an der Wahllüge fest, sondern hat bereits signalisiert, dass er eine Niederlage am 5. November nächsten Jahres ebenfalls bestreiten würde. "Wir werden nicht dulden, dass die Demokraten 2024 die Wahl wieder stehlen" wetterte er kürzlich bei einer Wahlkampfveranstaltung in Iowa und wurde mit tosendem Applaus überschüttet.
Unterdessen ist unwahrscheinlich, dass die jüngste Anklage Trumps Präsidentschaftskampagne schaden wird. Seitdem Smith im Juni verkündete, dass er den Ex-Präsidenten wegen des regelwidrigen Umgangs mit geheimen Dokumenten, darunter zahlreiche, die sich auf sensible, militärische Operationen beziehen, vor Gericht stellen wolle, ist der republikanische Kandidat im Ansehen konservativer Wähler weiter gestiegen. Umfragen zufolge ist der Vorsprung gegenüber seinem bisher gefährlichsten Konkurrenten, Floridas Gouverneur Ron DeSantis, weiter gewachsen.
Nach einer Erhebung der "New York Times" baute Trump seinen Vorsprung bei republikanischen Wählern auf 54 Prozent aus, DeSantis rutschte auf 17 Prozent ab. Andere Anwärter auf die Spitzenkandidatur ‒etwa der frühere Vize-Präsident Mike Pence, Trumps ehemalige UN-Botschafterin Nikki Haley und der frühere New-Jersey-Gouverneur Chris Christie sowie Senator Tim Scott ‒ bringen es in Umfragen nur auf ein paar Prozentpunkte. Trump kann laut einer weiteren Umfrage damit rechnen, dass ihm 37 Prozent der republikanischen Wähler als "Hardcore-Anhänger" folgen. 37 weitere Prozent seien zumindest offen für Trump. All dies steigert seine Chancen, die parteiinternen Vorwahlen 2024 zu gewinnen.
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Gefängnis: Welche Strafe Donald Trump droht
Die Strategie des ehemaligen Präsidenten, der über eine "unamerikanische Hexenjagd" schimpft, läuft offenkundig darauf hinaus, sämtliche Verfahren bis nach der Wahl in 15 Monaten hinauszuzögern. Entsprechende Anträge haben seine Anwälte schon bei dem zuständigen Gericht in Florida gestellt, das über seine Schuld oder Unschuld in der Dokumenten-Affäre entscheiden wird.
Sollte Trump mit dieser Taktik scheitern und vor der Wahl verurteilt werden, dann wäre denkbar, dass er hinter Gitter kommt, denn sämtliche Straftatbestände sehen mehrjährige Gefängnisstrafen vor. Wahrscheinlicher ist aber, dass er Berufung einlegen würde und es somit gelänge, die Prozesse hinauszuzögern. Sollte er dann die Wahl gewinnen, dann könnte sich der 45. und 47. Präsident von seinem eigenen Justizminister begnadigen lassen.
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