Berlin. Kooperieren mit der AfD – ja oder nein? Diese Frage stellt sich inzwischen in vielen Kommunen. Experten haben dazu klare Empfehlungen.
Die Frage stellt sich nicht erst seit der Wahl in Sonneberg, oder der in Raguhn-Jeßnitz, doch sie stellt sich mit neuer Dringlichkeit: Wie umgehen mit der AfD? Auf Bundes- und Landesebene setzen die anderen Parteien seit Jahren auf eine scharfe Abgrenzung zur teilweise rechtsextremistischen Partei um Tino Chrupalla, Alice Weidel und Björn Höcke.
Doch in den Kommunen ist Berlin oft weit weg, und der politische Gegner dafür manchmal sehr nahe. Spätestens seit in Thüringen der erste AfD-Landrat und in Sachsen-Anhalt der erste hauptamtliche AfD-Bürgermeister gewählt wurden, müssen Kommunalpolitiker und -politikerinnen anderer Parteien einen schmalen Grat ertasten: Wie viel Abgrenzung ist möglich vor Ort? Und wie viel Kooperation nötig?
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Politologe: „Keine Notwendigkeit, mit der AfD zusammenzuarbeiten“
In Sonneberg und Raguhn-Jeßnitz sind die Antworten einigermaßen klar. Mit einem gewählten AfD-Landrat oder Bürgermeister müssten andere, die kommunal Verantwortung tragen, zum Teil zusammenarbeiten, sagt Jörg Bogumil, Politikwissenschaftler an der Ruhr-Uni Bochum. „Sonst läuft die Verwaltung nicht.“
Doch schon in den Gemeinderäten und Landkreistagen im ganzen Land sehe es anders aus. „Da ist es eine Frage der politischen Präferenz.“ Und es gebe immer auch andere Mehrheiten – auch in Ostdeutschland, sagt Bogumil. Im Zweifel müsste die CDU dann eben auch mit der Linken kooperieren. „Es gibt keine Notwendigkeit, mit der AfD zusammenzuarbeiten.“
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Allein die Frage, was konkret Zusammenarbeit bedeutet, ist allerdings umstritten. Zusammenarbeit könne man zum Beispiel daran messen, ob man mal mit AfD-Anträgen parallel abstimmt, „oder ob man gemeinsam mit der AfD etwas gegen andere Parteien durchsetzt“, sagt Wissenschaftler Bogumil. „Letzteres war bisher ein Tabu.“ Doch Grenzfälle gibt es immer wieder.
Partei | Alternative für Deutschland (AfD) |
Gründung | 6. Februar 2013 |
Ideologie | Rechtspopulismus, Nationalkonservatismus, EU-Skepsis |
Vorsitzende | Tino Chrupalla und Alice Weidel (Stand: April 2023) |
Fraktionsstärke | 83 Abgeordnete im Bundestag (Stand: April 2023) |
Bekannte Mitglieder | Jörg Meuthen (ehemals), Alexander Gauland, Björn Höcke |
So hatten etwa im Dezember 2022 Teile der Kreistagsfraktion der CDU in Bautzen für einen Antrag der AfD gestimmt, der darauf abzielte, Integrationsleistungen für ausreisepflichtige, aber geduldete Asylbewerber zu streichen – und diesem so eine Mehrheit verschafft. In Plauen hatte im Jahr zuvor der Stadtrat einem Demokratie-Projekt Gelder entzogen – mit Stimmen von CDU, AfD und der rechtsextremen Kleinstpartei III. Weg.
Kooperation mit der AfD: Kommunalvertreter werben für Gelassenheit in der Debatte
Kommunalvertreter werben in der Debatte für Gelassenheit – und einen pragmatischen Umgang mit der Rechtsaußenpartei. Er sei „erstmal nicht aufgeregt“, sagt der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, im Gespräch mit dieser Redaktion. Ein Landrat etwa sei zunächst mal der Hauptverwaltungsbeamte eines Kreises. „Er leitet die Kreisverwaltung, nach Zielen und Grundsätzen, die der Kreistag vorgibt, und ist an Recht und Gesetz gebunden.“
Alleine entscheiden könne ein Landrat ohnehin wenig, erklärt Sager. Denn der Landkreistag stelle zum Beispiel Personal und Budget zur Verfügung und gebe Leitlinien vor. Es gebe in allen Landkreisen „breite demokratische Mehrheiten“, die auch genutzt würden. Auf eine bestimmte Gruppierung sei man deshalb auch nicht angewiesen.
Es solle deshalb auch keine gesuchte Zusammenarbeit geben, sagt Sager, dessen Verband fast 300 Landkreise in Deutschland vertritt. „Aber nur weil die AfD für den Krankenhausneubau und die Kreisstraße stimmt, können die anderen ja nicht dagegen stimmen.“ Wo genau die Grenzen verlaufen, müssten am Ende die Parteien für sich klären, sagt er. „Die Menschen haben Sorgen genug, sie erwarten insbesondere von der kommunalen Ebene Lösungen.“
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Ähnlich äußert sich gegenüber dieser Redaktion Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds. „Grundsätzlich ist es richtig, mit der AfD nicht zusammenzuarbeiten“, sagt Landsberg. Werde aber ein AfD-Mitglied in ein Bürgermeisteramt oder in das eines Landrats gewählt, sei dies eine demokratische Entscheidung der Wählerinnen und Wähler.
„Wenn aus dieser Funktion zum Beispiel eine Schulsanierung oder einen Kindergartenbau vorgeschlagen wird, wird das höchstwahrscheinlich von der Mehrheit der kommunalen Entscheidungsträger befürwortet. Das ist keine Kooperation, sondern reale Sachpolitik im Sinne der Bürgerinnen und Bürger.“ Entscheidend sei es, immer wieder deutlich zu machen, „dass extremistische Ansichten unserem Land und damit den Bürgerinnen und Bürgern schaden und keine Option darstellen“, erklärt Landsberg.