Washington. Eine Polit-Organisation will 2024 einen dritten Mann aufstellen, der Biden Stimmen kosten und Trump ins Weiße Haus verhelfen könnte.
Nancy Jacobson nennt es eine „Rückversicherung” für den Fall, dass Republikaner wie Demokraten im kommenden Jahr Präsidentschaftskandidaten aufbieten, die „von der großen Mehrheit der Amerikaner nicht unterstützt werden”. Darum hat die Mitgründerin der von anonymen Milliardären finanzierten Organisation „No Labels” für April 2024 im texanischen Dallas vorsorglich eine Halle reserviert. Dann soll – wenn es bis dahin erneut auf Joe Biden kontra Donald Trump hinauslaufen sollte – ein Alternativ-Kandidat nominiert werden.
Jacobson hält beide Männer aus unterschiedlichen Gründen nicht (mehr) für präsidiabel. Sie befindet sich damit in breiter Gesellschaft. Weit über 50 Prozent der Amerikaner wünschen sich keine Wiederauflage des Duells der Oldies (80 und 77 Jahre alt). Sondern einen personellen Neuanfang. Was sich harmlos nach Demokratie von unten in einem zementierten Zwei-Parteien-System anhört, jagt rund 17 Monate vor der Wahl Panik-Attacken durch das politische Washington.
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Der Grund: Ein dritter Kandidat, moderat, mittig, in viele Richtungen vermittelbar, würde aller Vorausschau vieler Experten nach Amtsinhaber Joe Biden wichtige Stimmen kosten und Donald Trump nach 2017 zum zweiten Mal ins Weiße Haus verhelfen. Wie ernst die Sache ist, zeigt diese Personalie: William Galston, ein renommierter Politik-Experte und Kommentator, ebenfalls Mitgründer von „No Labels, hat das einst um mehr Überparteilichkeit bemühte Forum demonstrativ verlassen.
Der „Neue“ könnte Anti-Trump-Stimmen abfangen, die Biden fehlen
Seine Lesart: Wähler, die Biden wie Trump gleichermaßen ablehnen, sogenannte „double hater”, würden unter normalen Bedingungen im Ernstfall in überwältigender Mehrzahl wieder Biden wählen – allein, um einen zweiten Trump-Albtraum zu verhindern. Gäbe man ihnen eine jedoch eine Alternative außerhalb der großen Parteien, würde diese Kalkulation wahrscheinlich platzen. Trump könnte obsiegen, weil der „Neue” Anti-Trump-Stimmen abfänge, die Biden am Ende fehlten.
Galston nennt diese Perspektive angesichts der offenen Drohungen Trumps, seine zweite Amtszeit zu einem Tribunal gegen alles Linke und alle Widersacher zu machen, „unverantwortlich”. Er drängt massiv darauf, dass „No Labels” das Kokettieren mit dem dritten Mann (oder der dritten Frau) umgehend aufgibt. Die Organisation hat aber über 70 Millionen Dollar in der Kriegskasse und will bis Anfang 2024 in über 30 Bundesstaaten auf den Wahlzetteln stehen.
Al From, Professor an der Johns Hopkins Universität und langjähriger demokratischer Lobbyist, sowie Craig Fuller, der in prominenter Rolle für die Ex-Präsidenten Ronald Reagan und George H. W. Bush gearbeitet hat, liefern eindrücklich die Mathematik hinter den Befürchtungen: Demnach hätten Trump bei der Wahl 2020 nur 44.000 Stimmen mehr (von insgesamt zehn Millionen) in den Bundesstaaten Arizona, Georgia und Wisconsin gereicht, um im Wahlmänner-Gremium auf ein Patt mit Joe Biden zu kommen. Das hätte die Entscheidung über den neuen Präsidenten in die Hände des Repräsentantenhauses gelegt. Eine andere Rechnung: Hätte Biden in Georgia, Pennsylvania, Arizona und Nevada zusammengerechnet 136.000 Stimmen weniger bekommen, wäre der Rechtspopulist sofort ins Weiße Haus eingezogen.
Könnte der demokratische Senator Joe Manchin ein Mr. X sein?
Weil Joe Bidens Umfragenwerte seit Monaten stabil mittelprächtig bis mies sind, könnte 2024 ein parteiunabhängiger Mr. X leicht 15 Prozent der Anti-Trump-Stimmen bei Biden absaugen, kalkulieren die Analysten. Käme es so und würde Trump im Gegenzug seine unerschütterlich treue Wählerbasis stabil halten, stünde seiner Amtseinführung im Januar 2025 nichts mehr im Weg. Darum, so die Forscher, müsse „No Labels” seine Such-Aktivitäten einstellen – „zum Wohl des Landes”.
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Nancy Jacobson hat bisher keine Personalvorschläge öffentlich gemacht. Dass der demokratische Senator Joe Manchin, der oft mit den Republikanern stimmt, eine veritable Zielperson sein könnte, wird bei „No Labels” nicht kommentiert. Stattdessen hat die Organisation durchblicken lassen, dass sie die Suche nach dem dritten Mann einzustellen gewillt ist, wenn Floridas Gouverneur Ron DeSantis die republikanische Präsidentschaftskandidatur erringen sollte. Aber danach sieht es heute nicht aus.
USA haben Erfahrung mit wahlentscheidenden Seiteneinsteigern
Wie folgenreich Kandidaturen von parteiunabhängigen Seiteneinsteigern sind, hat Amerika oft genug erlebt. So kam der konservative texanische Milliardär Ross Perot 1992 auf stolze 19 Prozent der Stimmen, errang aber keinen Sitz im Wahlmännerkollegium. Der demokratische Kandidat Bill Clinton wurde so mit nur 43 Prozent Präsident. George H. W. Bush, der republikanische Amtsinhaber, musste mit 37,5 Prozent im Weißen Haus die Koffer packen.
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Bei der ultraknapp ausgefallenen Wahl im Jahre 2000, bei der George W. Bush Präsident wurde, holte der grüne Kandidat Ralph Nader landesweit drei Millionen Stimmen. In Florida votierten knapp 100.000 Wähler für den Umwelt-Anwalt, während sich Bush mit gerade einmal 537 Stimmen mehr als sein demokratischer Mitbewerber Al Gore die entscheidenden 25 Wahlleute sicherte und Präsident wurde.
Bei der Wahl 2016 schließlich, und hier schließt sich der Kreis zu Donald Trump, holte die Demokratin Hillary Clinton landesweit drei Millionen Stimmen mehr als Trump. Am Ende aber kam der New Yorker Unternehmer auf mehr Stimmen im Wahlmänner-Gremium. Ein Grund: Der Libertäre Gary Johnson (4,5 Millionen Stimmen) und die Grüne Jill Stein (1,5 Millionen Stimmen) hatten im Wähler-Reservoir links der Mitte zu Lasten Clintons abgeschöpft.
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