Washington. Nach der Anklage in der Geheim-Dokumenten-Affäre: Wird im Unterbau der republikanischen Partei der Ruf nach Trumps Rückzug lauter?
Die ersten Umfragen, die nach der historischen Anklage gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump wegen kriminellen Umgangs mit sensiblen Staatsgeheimnissen die Meinung des Volks abbilden, stehen noch aus. Lassen sie Aussagen darüber zu, ob der zuletzt fast wie in Beton gegossen wirkende Rückhalt, den der 77-Jährige mit Blick auf seine Favoriten-Rolle bei der Präsidentschaftskandidatur 2024 in seiner Kern-Wählerschaft genießt, allmählich bröckelt?
Umfrage: Trump-Anklage ändert nichts bei Meinung vieler Wähler
Unmittelbar nach Bekanntwerden der schwerwiegenden Anklage, die im Falle einer Verurteilung eine jahrzehntelange Haftstrafe nach sich ziehen kann, erklärten über 60 Prozent der republikanischen Wählerinnen und Wähler vor einer Woche, dass es ihre Meinung über Trump vor dem Wahlgang am 5. November 2024 nicht beeinflussen werde. Sie sehen in dem Vorgehen der Justiz vor allem einen Machtmissbrauch der Demokraten, die mittels selektiver Strafverfolgung Trump den Weg zu einer zweiten Amtszeit im Weißen Haus verbauen wollten. Ihr Motto: Jetzt erst recht.
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Medien und Strategen, die dem folgen, verweisen auf den Pro-Trump-Zirkus, den seine Anhänger vor dem Gericht in Miami und abends bei seiner rhetorischen Kriegserklärung gegen den Rechtsstaat in seinem Golf-Ressort Bedminster veranstaltet haben. Aber wie repräsentativ ist das angesichts der Tatsache, dass seit Wochen beständig nur 30 Prozent der konservativen Wähler in den USA Trump für einen Präsidentschaftskandidaten mit Zukunft halten und nur 40 Prozent eine gute Meinung über ihn haben?
Gegenwind für Donald Trump aus Presse und Politik
Das konservative „Wall Street Journal”, sonst oft nah bei Trump, sah sich gestern zu einer bemerkenswerten Warnung veranlasst. Wenn Trump der republikanische Präsidentschaftskandidat werde, sei es unwahrscheinlich, dass er Amtsinhaber Joe Biden schlage, schreiben die Chef-Kommentatoren. Sollte er es wider Erwarten dennoch schaffen, sei ein „Fiasko” vorgezeichnet. Trump werde vollauf damit beschäftigt sein, Vergeltung zu üben. Konservative Politik fiele unter den Tisch. Weil sich Trump, der sich in der Geheim-Akten-Affäre „rücksichtslos, arrogant und bemerkenswert selbstzerstörerisch” verhalten habe, einfach nicht unter Kontrolle habe.
An dieser Stelle dockt auch Paul Ryan an. Der ehemalige republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, zielt auf Wähler, die einen Kandidaten wollen, „der gewinnen kann”. Er und mit ihm weite Teile des Partei-Establishments prophezeien, dass die Republikaner mit Trump im übernächsten Herbst erneut das Weiße Haus wie auch etliche Mandate im Kongress verlieren würden. Kern-Begründung: „Zu viel Ballast.” Was ist damit gemeint?
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Donald Trump: Wofür wird er angeklagt?
In New York wird Trump im März 2024 der Prozess gemacht, weil er Schweigegeld an eine Porno-Aktrice, mit der er eine Affäre gehabt haben soll, widerrechtlich über seine Firma abgerechnet und damit gegen Wahlkampf-Gesetze verstoßen haben soll. Ebenfalls in New York soll bereits in diesem Herbst der Prozess wegen mutmaßlichem Steuer-Betrug starten. Trump wird beschuldigt, über Jahre die Bilanzen seines Konzerns frisiert zu haben, um günstige Kredite zu bekommen und kaum Steuern zahlen zu müssen. Es drohen Rückforderungen von einer Viertel Milliarde Dollar.
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Außerdem muss Trump in einem Zivil-Verfahren fünf Millionen Dollar plus x an die Publizistin E.J. Carroll zahlen. Sie hatte sich mit Erfolg dagegen gewehrt, dass Trump den von ihr erhobenen Vorwurf des sexuellen Missbrauchs als erfunden bezeichnet hatte.
Hinzu kommt, dass die vor einer Geschworenen-Jury in Florida erfolgreich zugelassene Anklage wegen des fahrlässigen Umgangs mit Staatsgeheimnissen in Miami nur eine Facette des Tätigkeitsbereichs von Jack Smith ist. Der von Trump als „derangierter Irrer” bezeichnete Sonder-Ermittler untersucht parallel, welche Straftaten Trump bei der Anbahnung des blutigen Sturms auf das Kapitol in Washington 2021 begangen haben könnte. Damals stand er im Zentrum einer Bewegung, die das Ergebnis der Präsidentschaftswahl von 2020 nachträglich kippen wollte.
Trump steckt in „juristischer Zwangsjacke"
Exakt dabei spielt auch die sechste juristische Großbaustelle Trumps eine Rolle, die im August in Georgia ihr vorläufiges Ende finden soll. Weil er den obersten Wahlbeamten des Bundesstaates bedrängt hat, nachträglich rund 12.000 Stimmen zu organisieren und damit den regionalen Sieg Joe Bidens bei der Wahl 2020 zu neutralisieren, steht Trump eine weitere strafrechtliche Anklage von Bezirksstaatsanwältin Fani Willis ins Haus.
Alles zusammengenommen ergibt für republikanische Analysten in Washington eine Szenerie, in der Trump in einer „juristischen Zwangsjacke steckt” und permanent zwischen Wahlkampf und Gerichtsterminen hin und her pendeln müsse.
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Dass dabei Alltags-Nöte und Sorgen der Menschen, die an wirtschaftlichen Perspektiven und Zukunftschancen für ihre Kinder interessiert seien, auf der Strecke bleiben, steht für Asa Hutchinson bereits fest. Der Ex-Gouverneur von Arkansas, selbst republikanischer Präsidentschaftskandidat, bemängelte gestern, dass Trump wie schon vor seiner ersten Präsidentschaft 2017 „allen Sauerstoff aus dem politischen Raum saugt”. Über Konzepte für die Gesundung der USA werde überhaupt nicht mehr geredet.
Hutchinson erwartet, dass die inhaltliche Dürftigkeit Trumps schon bei der ersten TV-Debatte der republikanischen Präsidentschaftskandidaten im August offenkundig wird. Dann will sich Chris Christie, der frühere Gouverneur von New Jersey, an die Spitze einer Bewegung stellen, die Trump ungeachtet des Ausgangs seiner vielen Gerichtsverfahren nur zu einem drängen will: zum Rückzug.