Lilongwe. Malawi trägt nicht viel zum Treibhauseffekt bei – und leidet dennoch heftig unter dem Klimawandel. Schuld sind auch die Deutschen.

Von dem kleinen dunkelbraunen, wellblechbedachten Backsteinhaus, in dem Ibrahim Kambalame um fünf Uhr in der Frühe aufgestanden ist, einen Brei gegessen hat, um sich dann an sein Tagwerk zu machen, ist es nicht weit bis zum Feld. Eine Minute Fußweg ist es, vorbei an einem Baum, unter dem eine Ziege döst, dann über einen schmalen, von mannshohen Hirsepflanzen gesäumtem Pfad – und dann ist da schon der kleine Acker, mit dem Kambalame seinen Lebensunterhalt verdient.

In den vergangenen Jahren ist das immer komplizierter geworden. In Chejero sind die Wege kurz, aber das Leben hier wird beeinflusst von Ereignissen, die in Tausenden Kilometern Entfernung angestoßen wurden. Chejero ist ein Dorf im Distrikt Mangochi im Süden Malawis – einem Land in Afrika, das wenig zum Klimawandel beigetragen hat, aber bereits jetzt hart von seinen Folgen getroffen wird.

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Im März suchte Tropensturm Freddy den Süden des Landes heim, die schweren Regenfälle, die er mit sich brachte, lösten Erdrutsche und Fluten aus, bis zu tausend Menschen starben. Freddy war nach Idai im Jahr 2019 und Ana im Jahr 2022 bereits der dritte tödliche Zyklon innerhalb kurzer Zeit. Der Norden des Landes wird immer wieder von heftigen Dürren geplagt, 2016 rief die Regierung den Notstand aus, weil eine Hungerkrise drohte. Malawi ist ein Land im Dauerkrisen-Modus.

Familien verlassen ihr Dorf, um in Südafrika Arbeit zu finden

An den Einwohnern von Chejero ist die jüngste Katastrophe weitgehend vorbeigegangen. Freddy hat ihr Dorf nicht weggespült, nur einige Maisfelder wurden überflutet. Sie leben nicht weit entfernt vom Ufer des Malawisees, der ein Drittel des Landes einnimmt. Die Menschen im Dorf sind Kleinbauern, die Mais anbauen, Süßkartoffeln, Soja oder Kichererbsen.

Die Lage von Malawi im Südosten Afrikas.
Die Lage von Malawi im Südosten Afrikas. © Denise Ohms | FUNKEGRAFIK NRW Denise Ohms

Ihre Häuschen wirken wie aus dem rostroten Lehmboden gewachsen, sie liegen verstreut, umgeben vom Grün der Ackerpflanzen, vor manchen stehen gewaltige Affenbrotbäume. Strom gibt es nicht im Dorf, auch kein fließendes Wasser, nur einige Brunnen. Es ist ein Leben in der Natur und mit der Natur, aber vieles hat sich in den vergangenen Jahren geändert.

Ibrahim Kambalame steht mit seiner Frau Lucy auf seinem Feld mit den Süßkartoffeln, sie bearbeiten es mit einfachen Hacken. Es ist schwül und heiß an diesem Tag, vorhin hat es geregnet – ungewöhnlich für diese Jahreszeit. „Der Regen kommt immer unregelmäßiger“, sagt Kambalame. Mal bleibt er aus, mal kommt er heftig vom Himmel. „Früher war es einfacher, zu planen.“ Viele Hundert Menschen aus dem Dorf mit seinen 1800 Haushalten haben Chejero in den vergangenen Jahren bereits verlassen, sie sind nach Südafrika gegangen, um sich dort als Tagelöhner zu verdingen.

Warum Ibrahim Kambalame nicht wütend ist auf Deutschland

Fast 11.000 Kilometer entfernt von Chejero haben Wissenschaftler des Weltklimarates im schweizerischen Interlaken einige Tage zuvor ihren neuen Synthesebericht vorgestellt. Sie sagen, der Klimawandel entwickelt sich schneller, seine Folgen sind verheerender als gedacht. Extremwetter-Ereignisse nehmen weltweit zu. UN-Generalsekretär António Guterres warnt vor einer tickenden „Klima-Zeitbombe“ und wieder einmal rufen die Wissenschaftler zu einem entschiedeneren und schnelleren Umsteuern auf.

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Stattdessen steigen die weltweiten Treibhausgas-Emissionen. Die Menschen in Malawi haben im Jahr 2019 gerade einmal 0,08 Tonnen Kohlendioxid pro Kopf produziert. In Deutschland waren es im selben Jahr pro Kopf 7,91 Tonnen, fast das Hundertfache. Ibrahim Kambalame ist aber nicht wütend. „Ich glaube, es wird viel gegen den Klimawandel getan“, sagt er nach einigem Überlegen. „Viele internationale Organisationen sind hier, um uns zu helfen.“

Auf ihrem Ackerland bauen Ibrahim Kambalame und seine Frau Lucy unter anderem Süßkartoffeln an.
Auf ihrem Ackerland bauen Ibrahim Kambalame und seine Frau Lucy unter anderem Süßkartoffeln an. © Daniel Pilar

Auch die deutsche Welthungerhilfe war in seinem Dorf. Die Helfer haben ihn und die anderen Dorfbewohner beraten. Jetzt bauen sie nachhaltiger an, nutzen verschiedene Pflanzen. Sie versuchen auch, die Wälder wieder aufzuforsten, die in rasanter Geschwindigkeit abgeholzt werden, weil eine wachsende Bevölkerung immer mehr Feuerholz braucht. Die Ernteerträge sind gestiegen. Früher hat Kambalame im Jahr zwischen zehn und 15 Säcke mit Mais ernten können, jetzt sind es in guten Zeiten über dreißig. Einen 50-Kilo-Sack kann er für 40.000 Kwacha verkaufen, das sind umgerechnet etwa 35 Euro.

Durch den Ukraine-Krieg erzielen Bauern höhere Preise für Mais

Die Preise sind in im vergangenen Jahr massiv gestiegen, und das hat ebenfalls mit einem Ereignis sehr weit weg von Chejero zu tun, dem Krieg in der Ukraine. Nach dem russischen Überfall im vergangenen Jahr haben sich die Maispreise in Malawi mehr als verdoppelt, weil die ukrainischen Getreideexporte deutlich gesunken sind. Kambalame weiß nicht viel über den Krieg in mehr als 10.000 Kilometern Entfernung. Er kommt nur selten zum Zentrum am Dorfrand, in dem ein Fernseher steht.

Malawi ist ein bitterarmes Land, aber eines, in dem es schon seit vielen Jahren keine kriegerischen Auseinandersetzungen gibt. „Ich verstehe nicht, warum Krieg geführt werden muss. Es leiden immer nur die Ärmsten“, sagt der Bauer, und: „Ich hätte nicht gedacht, dass uns ein Krieg so weit entfernt beeinflussen könnte.“ Dass er und die anderen Bauern nun höhere Preise erzielen können, ist nur eine Seite der Medaille. Explodiert sind durch den Krieg auch die Preise für Düngemittel, sie sind rar geworden.

Ibrahim Kambalame leidet als Bauer in Malawi stark unter dem Klimawandel, zu dem er selbst kaum etwas beiträgt.
Ibrahim Kambalame leidet als Bauer in Malawi stark unter dem Klimawandel, zu dem er selbst kaum etwas beiträgt. © Daniel Pilar

Bitter ist das für die vielen Bauern in Malawi, die noch nicht von der Welthungerhilfe oder anderen Organisationen beraten worden sind. Kambalame braucht keinen künstlichen Dünger mehr. Er nutzt jetzt den Dung seiner zwanzig Ziegen. Viel bleibt ihm nicht von seiner Ernte. Das meiste braucht er, um seine Familie zu ernähren. Drei seiner fünf Kinder besuchen eine weiterführende Schule, dafür muss er umgerechnet fast 290 Euro im Jahr zahlen.

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Und weil die Schule fast zwanzig Kilometer entfernt ist, haben er und andere Dorfbewohner ein Haus in ihrer Nähe gemietet. Manchmal muss Kambalame eine seiner Ziegen verkaufen, um die Kosten begleichen zu können. Keines der Kinder will Landwirt werden. Die Töchter träumen von Jobs als Krankenschwestern, ein Sohn möchte Polizist werden. Kambalame kann das verstehen: „Landwirtschaft ist ein harter Beruf.“ Insbesondere in einer Welt, in der alles miteinander verbunden ist.