Berlin. Jetzt gehen sie schon aufeinander los: Russen gegen Russen, Söldner gegen Soldaten. Gruppe Wagner stellt hartes Verhörvideo ins Netz.
Er heißt Roman Venevitin und sagt, er sei "schuldig". Was bleibt ihm schon übrig – als Gefangener der Söldnergruppe Wagner? Venevitin ist kein Ukrainer, wohlgemerkt. Ebenso wenig kämpft er für die "Legion Freiheit Russlands". Er ist ein russischer Offizier, eigentlich auf derselben Seite im Ukraine-Krieg.
Das ist der Grund, warum Geheimdienste und Forschungsinstitute das rund einminütige Video eines Verhörs analysieren, das in den sozialen Netzwerken viral geht und weltweit in vielen Sprachen übersetzt wurde. Und jeder erkennt in diesem Video etwas anderes:
- Die Demütigung eines Offiziers und Menschen;
- die Machtdemonstration der Söldnertruppe;
- die innere Zerrissenheit der Invasoren;
- einen Tiefpunkt im Verhältnis zwischen Söldnern und Armee.
Das renommierte amerikanische "Institute for the Study of War" folgert daraus, dass Jewgeni Prigoschin, Finanzier der Wagner-Gruppe, die Kluft zum russischen Verteidigungsministerium nicht verkleinern, sondern vergrößern will. Für den britischen Geheimdienst hat die Fehde zwischen Söldnern und Soldaten ein "beispielloses Niveau" erreicht. Das könnte Sie auch interessieren: Putins ungewollte Spezialoperation: Wer sind die Partisanen?
Darin sieht er "einen Schlüsselfaktor für den Konflikt in den kommenden Wochen", wie es im täglichen Update auf Twitter heißt. Wie wollen sie diesen Krieg gewinnen, wenn sie aufeinander losgehen?
Die US-Forscher scannen jeden Tag das Netz nach Analysen und Meldungen der russischen Militärblogger. Diese reagierten mit Besorgnis auf das Video. Der interne Konflikt sei "weiterhin ungesund“; mithin wüssten die eigenen Leute nicht, "wofür sie kämpften". Es werde zu Unruhen im eigenen Lager führen, worunter wiederum Motivation und Kampfkraft leiden würden, zitiert das Institut die Blogger.
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Putins Offizier vor laufender Kamera vorgeführt
Die Briten geben wiederum zu bedenken, dass es Russland an Reserveeinheiten mangele. Deshalb ist es eben ein Schlüsselfaktor, ob die Wagner-Gruppe sich weiter gegen die Ukraine einsetzen lässt oder nicht. Seit Prigoschin seine Soldaten aus der umkämpften ostukrainischen Stadt Bachmuth abzog und die Kontrolle den regulären Streitkräfte überließ, häufen sich die schlechten Nachrichten.
Prigoschin spricht von Chaos und macht sich in sozialen Netzwerken über die Erfolgsmeldungen aus Moskau lustig, wonach Russland an einem einzigen Tag 1500 Ukrainer getötet und 28 Panzer zerstört hätte. Nur Spott hat er auch für die Berichte des russischen Militärs, deutsche Leopard-Panzer in der Ukraine zerstört zu haben, die sich bei näherem Hinsehen als Mähdrescher entpuppten. Immer wieder behauptete er auch, die Armee habe vorsätzliche, tödliche Gewalt vielmehr gegen seine Einheiten eingesetzt. Lesen Sie auch: Russland präsentiert zerstörte Traktoren als Leopard-Panzer
Der Gefangene trägt Gesichtsverletzungen
Eine dieser Auseinandersetzungen war letztlich auch der Auslöser für die Festnahme des Kommandeurs der 72. Separaten Motorisierten Schützenbrigade der russischen Armee, von eben jenen Roman Venevitin, immerhin im Rang eines Oberstleutnants. Prigoschins eigener Pressedienst veröffentlichte am 4. Juni das Video, das den Verhör des Soldaten zeigt. Das könnte Sie auch interessieren: Bericht: Wagner-Chef wollte russische Truppen verraten
Als erstes fällt an den Aufnahmen auf, wie mitgenommen und eingeschüchtert der Offizier ist. Meist guckt er an der Kamera vorbei, die Augen auf den Boden gerichtet. Sein Gesicht verrät Verletzungen. Spuren seiner Gefangennahme oder schlimmer gar eines vorangegangenen Verhörs? Er gibt sich einsilbig, spricht stockend und unsicher; ganz so, als müsste man jede Antwort aus ihm herauspressen.
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Vor laufender Kamera gibt der Russe zu, dass er seiner Einheit im betrunkenen Zustand aufgrund seiner "persönlichen Feindseligkeit“ befohlen hatte, auf ein Wagner-Fahrzeug zu schießen. Die Antworten wirken einstudiert. Frage: "Findest Du das persönliche Animositäten Platz im Krieg haben?"
Interne Kämpfe am Vorabend der ukrainischen Offensive
"Nein", lautet postwendend die Antwort, "Wie kann man die Aktion beschreiben?" Venevitin zögert, als würde er mit sich ringen. Dann der Höhepunkt, auf den der ganze Film zustrebt: "Schuldig."
Das sind die Auftritte, die Prigoschins Narrativ untermauern sollen: Dass die russischen Streitkräfte unfähig seien. Daraus folgert der britische Geheimdienst, dass sich die Kluft zum Verteidigungsministerium vergrößert – und das am Vorabend der ukrainischen Offensive.
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