Essen. In Bonn wurde eine römische Kriegsausrüstung entdeckt, die Aufschluss über die Rolle lokaler Handwerker für die damaligen Armeen liefert.

Die Erfordernisse des Alltags führten auch in der römischen Antike zu innovativen Lösungsansätzen. Römische Soldaten mussten insbesondere in den entlegenen Provinzen, wie dem germanischen Raum, in der Lage sein, ihre Ausrüstung instand zu halten. Reparaturen durch lokale Handwerker spielten dabei eine zentrale Rolle. Ein bemerkenswerter Fund einer römischen Kriegsausrüstung in der Nähe von Bonn liefert Archäologen nun bedeutende Hinweise, die diese Annahme unterstützen.

Archäologen staunen: Römische Kettenhemden bei Ausgrabungen entdeckt

Ein Depot mit insgesamt 14 Kilogramm an römischen Kettenhemden, das 2012 im Rahmen von Ausgrabungen in einer Zivilsiedlung (Vicus) nahe dem römischen Legionslager in Bonn entdeckt wurde, konnte unter Anwendung fortschrittlicher bildgebender Verfahren analysiert werden. Die Untersuchung liefert wertvolle Einblicke in die Strategien, mit denen römische Soldaten ihre Ausrüstung fernab zentraler Versorgungseinrichtungen instand hielten und wiederverwendeten.

Der Fund umfasst mindestens vier Kettenhemden, darunter zwei nahezu vollständige Exemplare sowie zwei fragmentarische Stücke, die im Laufe der Zeit zu einer korrodierten Masse zusammengewachsen sind. Im Gegensatz zu anderen Metallobjekten, die durch Einschmelzen recycelt werden konnten, erforderten die Kettenhemden aufgrund ihrer Struktur aus zahlreichen miteinander verbundenen Metallringen alternative Reparatur- und Wiederverwendungsansätze. Beschädigte Rüstungsteile wurden häufig als Materialquelle genutzt, um andere Kettenhemden zu reparieren, ein Verfahren, das Parallelen zur Textilflickarbeit in der Antike aufweist.

Ausgrabung in der Nähe von Bonn: Röntgentechnik enthüllt wertvolle Details

Forscherinnen und Forscher des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland, des LVR-Landes Museums Bonn und der Tschechischen Akademie der Wissenschaften analysierten die Rüstung mithilfe von hochauflösenden Computertomografien (CT). „Mit der Röntgentechnik können wir sehen, was mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen ist“, erklärt Holger Becker vom LVR-Landes Museum Bonn. Die Scans enthüllten Details über die komplizierte Konstruktion des Panzers, darunter unterschiedlich große Ringe, die in den für römische Kettenhemden typischen Mustern angeordnet sind.

Experten vermuten, dass es sich bei dem Depot um ein Vorratslager für die Reparatur von Rüstungen handelte. Der Fundort, eine Grube vor einem Haus im Vicus, deutet darauf hin, dass die Materialien wahrscheinlich von örtlichen Handwerkern genutzt wurden, die in enger Kooperation mit der römischen Armee standen. Dr. Martijn Wijnhoven von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften hob die Bedeutung dieses Fundes hervor und erklärte: „Dies ist der erste eindeutige Beweis dafür, dass Rüstungen außerhalb einer römischen Militäreinrichtung repariert wurden.“

Römische Antike: Die Rolle des Vicus bei der Unterstützung des Militärs

Der Vicus, eine mit der Bonner Festung verbundene Siedlung, spielte eine zentrale Rolle in der Unterstützung des Militärs. Lokale Handwerker nutzten offenbar militärischen Metallschrott zur Reparatur von Rüstungen, was die enge Zusammenarbeit zwischen römischen Soldaten und zivilen Gemeinschaften unterstreicht – insbesondere in ressourcenarmen Grenzregionen wie dem germanischen Limes. Im Gegensatz zu anderen Fundorten, die oft rituelle Hinterlassenschaften zeigen, weist das Bonner Depot einen rein funktionalen Charakter auf. Es wurde vermutlich während der systematischen Aufgabe des Vicus Mitte des dritten Jahrhunderts nach Christus zurückgelassen.

Im Gegensatz zu anderen Abzugsszenarien, bei denen es zu gewaltsamen Zerstörungen kam, wurde der Bonner Vicus auf organisierte Weise abgebaut, wahrscheinlich im Rahmen eines geplanten Rückzugs. Schwere Materialien wie Rüstungen wurden oft vergraben, um zu verhindern, dass sie dem Feind in die Hände fielen.

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