Essen. Menschliche Kinder sind besonders hilflos. Ein Millionen Jahre alter Zahn könnte dabei helfen zu verstehen, warum das so ist.
Menschliche Kinder sind im Vergleich zu anderen Tierarten besonders verletzlich. Ohne Eltern wären sie in der freien Wildbahn leichtes Fressen für Raubtiere. Ihre kleinen Körper sind extrem anfällig für Kälte oder Hitze, Krankheiten und falsche Ernährung. Bis in das 25. Lebensjahr entwickelt sich das Gehirn des Menschen noch. Wieso braucht er unter den Säugetieren so lange für seine Entwicklung?
Dazu gibt es in der Fachwelt mehrere Theorien. Eine der wahrscheinlichsten Erklärungen lautet, dass das große menschliche Gehirn, das für komplexes Denken und soziale Interaktionen notwendig ist, nach der Geburt Zeit braucht, um vollständig zu reifen. Ein längerer Zeitraum der Kindheit ermöglicht es, diese kognitiven Fähigkeiten in einem sicheren Umfeld zu entwickeln.
Eine weitere Theorie verweist auf die Evolution unserer sozialen Strukturen: Kinder profitieren von der Fürsorge der Familie und der Gemeinschaft, was ihre Überlebenschancen erhöht. Zudem erlaubt die lange Kindheit das Erlernen kultureller und technischer Fertigkeiten, die für das Überleben und den Erfolg in der Gesellschaft essenziell sind.
Evolution: 1,7 Millionen Jahre alter Zahn offenbart Wachstumslinien
Die Untersuchung eines mindestens 1,77 Millionen Jahre alten Zahns könnte nun einen entscheidenden Hinweis auf das „Warum“ liefern. Der Zahn gehörte einem prähistorischen Jugendlichen der Gattung „Homo“, zu der auch die Homo sapiens gehören. Das Skelett fanden Archäologen in der Stadt Dmanissi im Süden Georgiens. Mithilfe von Röntgenbildern konnten die Wissenschaftler die mikroskopisch kleinen Wachstumslinien im Zahn nachvollziehen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift „Nature“.
Demnach war das Individuum zum Todeszeitpunkt wahrscheinlich elf Jahre alt und erlebte wie moderne Menschen eine verlangsamte Phase des Wachstums in den ersten Lebensjahren. Danach setzte eine Entwicklung ein, die mehr den Affen nahekommt, heißt es in der Studie. Die erste Phase sei eine frühe Andeutung der späteren Entwicklung des Menschen, so die Forscher.
Der Jugendliche starb kurz vor dem Zeitpunkt, an dem seine Zähne zwischen zwölf und 13,5 Jahren ihre vollständige Größe erreicht hätten. Moderne Menschen erreichen diese Reife deutlich später: zwischen 18 und 22 Jahren. Schimpansen entwickeln bis zum 13. Lebensjahr ihre Zähne vollständig.
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Forscher: Menschenaffe hätte keine Zeit, in den Kindergarten zu gehen
Diskussionen gibt es in der Fachwelt darüber, zu welcher Menschenart der Besitzer des Zahns gehörte. Einige glauben, dass es sich bei dem Individuum um einen Homo erectus, den direkten Vorfahren des Homo sapiens handelt. Andere glauben, dass es eine bisher nicht bestimmte Art ist.
Obwohl eine weit verbreitete Vorstellung besagt, dass sich bei Homo sapiens eine lange Kindheit, eine langsame Zahnentwicklung und eine längere Lebensspanne zusammen mit der Gehirnexpansion entwickelten, „war dies beim frühen Homo möglicherweise nicht der Fall“, sagte der Hauptautor der Studie, Christoph Zollikofer, gegenüber „Science News“. Homo-Individuen in Dmanisi hätten nur geringfügig größere Gehirne als moderne Schimpansen gehabt, erklärt der Paläoanthropologe von der Universität Zürich.
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Vergleicht man die Länge der menschlichen Kindheit mit der anderer Primaten, „würde ein Menschenaffe wahrscheinlich kaum Zeit haben, in den Kindergarten zu gehen, und dann ist er schon erwachsen“, sagte Zollikofer bei „Popular Science“. Menschen würden wiederum viel Zeit damit verbringen, in einem komplexen sozialen Umfeld aufzuwachsen, so Zollikofer. Forscher sehen in der Untersuchung einen wichtigen Hinweis darauf, wann das so langsame Wachstum des Menschen in der Evolution einsetzte.
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