Essen. Die Lage seines Grabs ist eines der größten Rätsel der Antike. Ein Stofffetzen aus einer Grabkammer sorgt jetzt für Diskussionen.

Mit gerade einmal 30 Jahren hatte er die halbe bekannte Welt erobert, das mächtige Perserreich in die Knie gezwungen und Städte gegründet, die bis heute die Jahrtausende überdauert haben. Alexander der Große ist eine Ausnahmegestalt der Weltgeschichte. Sein unglaubliches Leben wird von Archäologen und Historikern erforscht; in Filmen und Literatur wird es erzählt. Es ist also kein Wunder, dass ein kleiner Kleidungsfetzen gerade für Aufsehen sorgt.

Denn der soll laut einer neuen Untersuchung von einer Tunika stammen, die Alexander persönlich gehört habe. Das Kleidungsstück wurde ursprünglich in einer von mehreren Grabkammern in der südwestlich von Thessaloniki gelegenen Gemeinde von Vergina entdeckt. Lange nahmen Archäologen an, dass das Grab und die Tunika Alexanders Vater, Philipp II. von Makedonien, gehört haben. Doch das vom Paläoanthropologen Antonis Bartsiokas geleitete internationale Forschungsteam will das nun widerlegt haben.

Archäologie: Fund soll Alexander dem Großen gehört haben

Der auf die Mikroanalyse von Fossilien spezialisierte Bartsiokas glaubt, dass nicht Philipp II., sondern Alexanders Halbbruder Arrhidaeus in der Gruft beerdigt wurde. Arrhidaeus wurde nach Alexanders Tod 323 v. Chr. als Philipp III von Makedonien gekrönt. Unter den Grabbeigaben der Bestattung war unter anderem der fragile Fetzen einer lila-blauen Tunika. Vor allem die lila Baumwolle sei zu Alexanders Lebzeiten im 4. Jahrhundert v. Chr. extrem selten in Griechenland gewesen, heißt es in der im Fachjournal „Journal of Field Archaeology“ erschienenen Studie.

The Alexander Mosaic is a Roman floor mosaic originally from the House of the Faun in Pompeii (an alleged imitation of a Philoxenus of Eretria or Apelles' painting) that dates from circa 100 BC
Alexander der Große (356 bis 323 v. Chr.) gilt als einer der talentiertesten Feldherrn der Geschichte. Er eroberte das persische Weltreich und stieß mit seinen Armeen bis nach Indien vor. © iStock | Simone Crespiatico

Die persischen Könige hatten eine besondere Vorliebe für den lila Luxus-Stoff. Weil Alexander die östlichen Herrscher unterworfen hatte und sich sogar als deren Nachfolger betrachtete, sieht die Studie das als ein Indiz darauf, dass Alexander Besitzer der Tunika war. Weiße Schichten im Stoff, gefärbt mit einem anderen Erz, das bei der persischen Elite beliebt war, seien ein weiterer Hinweis, argumentiert das Forschungsteam.

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Forscher verblüfft: Wandgemälde soll Alexander den Großen zeigen

Ein Fries an der Wand der Grabkammer soll außerdem Mitglieder der mazedonischen Elite zeigen. In deren Mitte ist Bartsiokas zufolge Alexander zu sehen, der scheinbar einen violetten Chiton trägt, ein im antiken Griechenland verbreitetes Unterkleid.

Die Tunika selbst wurde in der Nähe eines Zepters, eines Eichenkranzes und eines Diadems gefunden, alle aus Gold gefertigt. Diese Gegenstände könnten ebenfalls auf eine Verbindung zum antiken Persien hindeuten und damit möglicherweise zu Alexander dem Großen.

Warum die Tunika und die goldenen Objekte, die mit Alexander in Verbindung stehen, im Grab zurückgelassen wurden, konnten die Forscher bisher nicht erklären. Sie vermuten jedoch, dass es damit zusammenhängen könnte, dass Philip III. hier bestattet wurde. Andere griechische Archäologen kritisieren diese Argumentation der Studie jedoch und sehen keinen klaren Beweis für die Eigentümerschaft von Alexander.

Archäologen rätseln um Lage von Alexanders Grab

„Es gibt fruchtbaren Boden für Spekulationen, aber solche Diskussionen entbehren jeder Grundlage“, sagte Stella Drougou, emeritierte Professorin für klassische Archäologie an der Aristoteles-Universität Thessaloniki, gegenüber der griechischen Zeitung „ProtoThema“. Drougou, die an den ursprünglichen Ausgrabungen der Gräber in Vergina beteiligt war, bemängelt, dass die Theorien von Bartsiokas im Widerspruch zu den bei den Ausgrabungen gesammelten Daten stünden.

Das Grab von Alexander dem Großen bleibt eines der größten ungelösten Rätsel der Antike. Auch deshalb sorgen mögliche persönliche Gegenstände von ihm immer wieder für Spekulationen. Nach seinem Tod im Jahr 323 v. Chr. wurde der Leichnam des berühmten Eroberers zunächst einbalsamiert und sollte angeblich nach Makedonien gebracht werden. Doch stattdessen gelangte er nach Ägypten, wo Alexander möglicherweise in Alexandria, der von ihm gegründeten Stadt, bestattet wurde. Berichten zufolge besuchten auch spätere römische Kaiser sein Grab, das als eine Art Pilgerstätte galt.

Über die Jahrhunderte verlieren sich die Spuren des Grabes jedoch. Archäologen und Historiker haben verschiedene Theorien entwickelt – einige glauben, es könnte unter modernen Gebäuden in Alexandria verborgen liegen, während andere es in der Oase Siwa oder gar in Griechenland vermuten. Funde wie goldene Grabbeigaben und Gegenstände, die Alexanders Herkunft oder Eroberungen symbolisieren, könnten Hinweise liefern, doch bislang bleibt sein endgültiger Ruheort ein Geheimnis.

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