Rom. Italiens Gemeinden kassieren jährlich Millionen mit Blitzern. Autofahrer fühlen sich schikaniert. Ein neues Urteil könnte das ändern.
Nirgendwo in Europa gibt es so viele Radarfallen wie in Italien, mehr als 11.000 an der Zahl. Und manche Gemeinden machen mit den „Autovelox“ richtig Geld. Die 20 größten Städte des Landes treiben damit über 75 Millionen Euro pro Jahr ein. Allein Florenz kassierte damit mehr als 23 Millionen Euro, so die Behörden.
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Seit Monaten ist in Italien eine Revolte gegen eben jene Radarfallen im Gange, die Autofahrer als regelrechte Schikane betrachten. Sie haben jetzt vor Gericht einen wichtigen Sieg errungen. Zahlreiche Strafen könnten aufgrund eines Urteils des Obersten Gerichts in Rom aufgehoben werden.
Italien: Blitzer sind häufig nicht technisch geprüft
Das Gericht hat dem Einspruch eines Rechtsanwalts aus Treviso stattgegeben, der mit 97 statt 90 km/h unterwegs war. Die meisten Blitzer seien demnach zwar genehmigt, aber sehr viele werden nicht einer detaillierten technischen Prüfung unterzogen. Damit sei ein rechtliches Vakuum entstanden, das Autofahrer vor finanziellen Konsequenzen bewahren kann.
Das Urteil hat Folgen: Erwartet wird, dass es jetzt zu einer Flut von Einsprüchen gegen die Strafzettel wegen überhöhter Geschwindigkeit kommen wird. Bei bereits bezahlten oder verjährten Geldstrafen ist jedoch kein Rechtsmittel mehr möglich, sagt der Präsident des Konsumentenschutzverbands Codacons Carlo Rienzi.
„Wir haben uns immer gegen den wahllosen Einsatz von Radarkameras als Instrument zur Füllung der Gemeindekassen ausgesprochen“, sagt Rienzi und warnt gleichzeitig: „Es besteht nun die Gefahr, dass die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs als grünes Licht zur Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit interpretiert wird.“
Radarkontrollen in Italien gelten als besonders schnell
Radarfallen sind in Italien zuletzt vermehrt ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Gemeinden werden beschuldigt, verstärkt auf Blitzer zurückzugreifen, um Strafgelder zu kassieren. Das Gefühl, von Behörden gegängelt und ausgenommen zu werden, ist verbreitet.
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Außerorts gilt in der Regel Tempo 90, auf Schnellstraßen 110, auf Autobahnen 130. Kontrolliert wird verhältnismäßig streng. Auch viele deutsche Urlauber kennen das, weil sie nach dem Urlaub Post von der italienischen Polizei bekommen haben. Trotzdem ist die Zahl der Verkehrstoten in Italien höher als anderswo. 2022 waren es annähernd 3200. Kritiker der strengen Maßnahmen argumentieren mit Blick auf diese Zahlen, dass die Radarfallen im Grunde wenig bewirken.
Protest gegen Radarfallen: Staatsanwaltschaft sucht „Fleximan“
Der Protest gegen die Blitzer uferte in letzter Zeit geradezu aus. Vor einigen Monaten wurde in der Region Venetien der erste Blitzermast mithilfe eines Trennschleifers, einer Flex, abgesägt. Seitdem gab es Dutzende solcher Fälle von krimineller Sachbeschädigung.
Manchmal fand die Polizei kurze Bekennerschreiben wie „Fleximan sta arrivando“ („Fleximan kommt jetzt“). Inzwischen ist ein halbes Dutzend Staatsanwaltschaften damit beschäftigt, den oder die unbekannten Verursacher zu suchen — bisher ohne Erfolg. Auf Bildern von Überwachungskameras sind meist nur schwarz vermummte Gestalten bei Nacht auszumachen. Bei einer Festnahme drohen hohe Geldstrafen und bis zu drei Jahre Haft. „Fleximan“ aber ist bei den Leuten äußerst beliebt: Er wird inzwischen von manchen als „Robin Hood der Autofahrer“ bejubelt.
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Verkehrsminister Matteo Salvini will angesichts des Protests neue Regeln für Radarfallen einführen. So sollen Systeme bei Geschwindigkeitsbegrenzungen von unter 50 km/h auf größeren Straßen abgeschafft werden. „Wenn sie über Nacht auf zweispurigen Straßen aufgestellt werden, um Geld zu verdienen, ist das einfach eine weitere Steuer“, so Salvini.