Berlin. Mit seinen außergewöhnlich großen Augen machte ein Meereswurm Forscher neugierig. Sein Gehirn könnte zum Vorbild für Roboter werden.

Stellen Sie sich vor, Sie hätten Augen in der Größe von Mühlsteinen, die zwanzigmal so viel wie der Rest Ihres Kopfes wiegen. So geht es skandinavischen Forschern zufolge dem Vanadis formosa Borstenwurm – zumindest im Verhältnis zu seiner Körpergröße. Denn Borstenwürmer werden nur etwa 15 Zentimeter groß.

Benannt ist das transparente Wesen mit auffällig rot-orangefarbenen Kugelaugen, das nahe der italienischen Küste gesichtet wurde, nach der nordischen Liebesgöttin Freya – auch sie trug den Beinamen Vanadis. Über ungewöhnlich große Augen der Göttin ist allerdings nichts überliefert.

Meereswurm gibt Forschern Rätsel auf: Exzellentes Sehvermögen, obwohl er nachtaktiv ist

Besonders an dem Meereswurm mit den großen Glubschern: Er ist nachtaktiv und daher eher selten in Lichtverhältnissen unterwegs, bei denen ein gutes Sehvermögen von Vorteil ist. Die Frage nach dem Sinn der ausgeprägten Augenpartie faszinierte daher die beiden Meeresbiologen Anders Garm und Michael Bok. „Gemeinsam wollten wir das Geheimnis lüften, warum ein fast unsichtbarer, durchsichtiger Wurm, der sich mitten in der Nacht ernährt, riesige Augen entwickelt hat“, so Bok in einer Pressemitteilung.

Tatsächlich konnten die Forscher feststellen, dass der Mittelmeerwurm außergewöhnlich gut sieht. „Sein Sehvermögen ist dem von Mäusen oder Ratten ebenbürtig, obwohl er ein relativ einfacher Organismus mit einem winzigen Gehirn ist“, so Garm. Doch im nächtlichen Meer ist es meist dunkel und tagsüber wurde der Wurm bisher nicht gesichtet.

Auch dieses Lebewesen hat einen ungewöhnlichen Look: Hässlich und blind – außergewöhnliches Tier fotografiert

Wissenschaftler rätseln: Benutzt der Meereswurm eine besondere Geheimsprache?

Dennoch ist das besondere Sehvermögen nach einer Theorie der Forscher essenziell für die Würmer. Denn möglicherweise haben sie eine Art geheime Kommunikation entwickelt, mithilfe von UV-Licht. „Wenn der Wurm UV-Licht verwendet, bleibt er für andere Tiere als die seiner eigenen Art unsichtbar. Unsere Hypothese ist daher, dass sie eine scharfe UV-Sicht entwickelt haben, um eine Geheimsprache für die Paarung zu haben“, erklärt Garm die Vermutung. Eine andere These: Die UV-Sicht könnte den Würmern helfen, bestimmte Nahrung zu finden.

„Das macht die Sache aber trotzdem spannend, denn UV-Biolumineszenz wurde bisher bei keinem anderen Tier beobachtet. Wir hoffen also, dies als erstes Beispiel präsentieren zu können“, so Garm weiter. Biolumineszenz bedeutet, dass Organismen in der Lage sind, aus eigener Kraft Licht zu erzeugen. Auch für Menschen könnten die Erkenntnisse, die der Vanadis Borstenwurm birgt, hilfreich sein.

Gehirn des Meereswurms soll bei der Robotersteuerung helfen

Zusammen mit Robotik-Forschern soll ergründet werden, wie das kleine Gehirn des Wurms die Menge an Informationen, die die Riesenaugen liefern, verwerten kann. Gelingt es, diese Mechanismen herauszufinden, könnten sie in Computerchips oder bei der Steuerung von Robotern zum Einsatz kommen, glaubt Garm.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die Technik sich von der Tierwelt inspirieren lässt: Klettverschlüsse, Saugnäpfe oder Hochgeschwindigkeitszüge sind nur einige Beispiele der sogenannten Bionik, bei der Beobachtungen aus der Biologie von Technikern imitiert werden.

fgö

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