Berlin. Für die Europäer der Eiszeit war Schmuck ein Markenzeichen. Was heute Nike oder Adidas ist, waren früher Hirsch- oder Fuchsperlen.
- Wissenschaftler haben 30.000 Jahre alten Schmuck untersucht
- Die Ergebnisse erstaunen
- Die Schmuckstücke könnten demnach Hinweise auf bisher unbekannte Kulturen geben
Sag mir, welchen Schmuck du trägst, und ich sag dir, wer du bist: Nach diesem Motto haben Prähistoriker die vielen verschiedenen Schmuckstücke der frühen Europäer aus der Eiszeit untersucht – und sind zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen. Denn der Schmuck ist trotz geografischer Nähe seiner Besitzer äußerst unterschiedlich. Damit wird die Studie auch für die Beantwortung einer lang gestellten Frage interessant: Prägen die Gene oder die Kultur Menschen stärker?
Für die im Fachjournal „Nature“ erschienene Studie untersuchten die Forscher mehr als 100 Arten von Perlen aus dem Gravettien, einer Kulturepoche vor 34.000 bis 24.000 Jahren. Die damaligen Bewohner des eisigen Europas sind in der Archäologie für ihre vielfältigen Kunstgegenstände bekannt. So nutzten die Jäger und Sammler beispielsweise Elfenbein, Zähne von urzeitlichen Tieren, Knochen, Geweihe, Muscheln, Jett oder Bernstein, um ihre kunstvollen Perlen anzufertigen.
Laut den Forschern waren die Perlen wahrscheinlich persönlicher Schmuck, der als Halskette oder Armband zur Schau getragen wurde und auch eine kulturelle Bedeutung hatte. Indem sie den Schmuck nach bestimmten Merkmalen analysierten, konnten sie neun verschiedene Kulturen des eiszeitlichen Europas voneinander abgrenzen.
- Unterwasser-Archäologie:Wrack von legendärem U-Boot aus Zweitem Weltkrieg gefunden
- Kannibalismus: Archäologen machen schaurige Entdeckung in Jamestown-Kolonie
- Altes Ägypten: Krebsoperationen schon vor 4300 Jahren?
- Antike:Archäologen entdecken römischen Luxus-Swimmingpool
- Niederbayern: Skelett von steinzeitlichem „Bürgermeister“ aufgetaucht
Archäologie: Schmuck aus der Eiszeit unterscheidet sich zwischen Westen und Osten
Eine wichtige Erkenntnis der Studie: Für die kulturelle Ähnlichkeit der Perlen spielt die genetische Verwandtschaft der Gruppen nur eine geringe Rolle. In der Paläoanthropologie und Archäologie wird die genetische Herkunft von Menschen oftmals als wichtiger Indikator für die kulturelle Zugehörigkeit gedeutet.
„Wir haben gezeigt, dass es zwei unterschiedliche genetische Menschengruppen geben kann, die die gleiche Kultur teilen“, zitiert „Scientific American“ den Hauptautor der Studie, Jack Baker, einen Doktoranden der Prähistorie an der Universität von Bordeaux. So sollen andere Faktoren wichtiger gewesen sein, beispielsweise die Verfügbarkeit von Material oder der kulturelle Austausch von Gruppen.
Die Forscher trugen insgesamt 134 Arten von Perlen aus 114 Fundstätten in eine Datenbank ein, um sie anhand ihrer Eigenschaften in insgesamt neun Gruppen aufzuteilen. „Wir fingen an, Unterschiede festzustellen, als wir die Datenbank anlegten“, erklärte Baker gegenüber „Live Science“. Einer davon ist der unterschiedliche Schmuckstil im Westen und im Osten von Europa.
Auch spannend: Rätsel um 280 Millionen Jahre altes Alpen-Fossil gelöst
Eiszeit: Im Osten trugen die Menschen Füchse, im Westen Hirsche
„Im Osten beispielsweise waren sie sehr fokussiert auf Elfenbein, Zähne und Stein“, sagte Baker. Auf der südlichen Seite der Alpen hingegen bevorzugten die Menschen Perlen mit lebendigen Farben wie Rot, Pink oder Blau, so Baker. Traf man auf eine unbekannte Person, konnte man sofort deren Herkunft anhand ihres Schmuckes feststellen, erklärte Baker.
Fuchs oder Hirsch? Auch anhand der Darstellungen dieser zwei Tiere lässt sich laut den Wissenschaftlern eine große Unterscheidung treffen. Denn obwohl Füchse und Hirsche auf dem ganzen europäischen Kontinent weitverbreitet waren, nutzten nur bestimmte Gruppen jeweils den Fuchs oder den Hirsch als Symbol. „Nur Menschen aus dem Osten tragen Füchse“, fasst Baker die Ergebnisse zusammen. Der Hirsch wurde hingegen fast nur von Menschen aus dem Westen getragen.
Gleichzeitig müssen die verschiedenen Kulturen sich rege ausgetauscht haben. Tauchen doch immer wieder Erzeugnisse bestimmter Gruppen Hunderte Kilometer weit entfernt bei anderen Kulturen auf. Die Fundstätten der untersuchten Perlen verteilen sich dabei über ganz Europa, von Portugal, Spanien, Frankreich, Italien und Deutschland bis nach Russland. Nur wenige der Perlen gruben Archäologen in Grabstätten aus, der Großteil von ihnen stammt aus eiszeitlichen Siedlungen.
Auch spannend: Forscher entdecken ältestes Bauwerk der Ostseeregion