Berlin. Am 7. Januar ist Schweins in einem Pilcher-Film im ZDF zu sehen. Die Schauspielerin über Schmerz, Familie und ihre Liebe zu Cornwall.
Seit ihrem Durchbruch mit „RTL Samstag Nacht“ vor 30 Jahren spielt Esther Schweins in einer großen Bandbreite von Film- und Fernsehproduktionen mit. In „Rosamunde Pilcher: Frühstück bei Tessa“ spielt die Schauspielerin Carol Caspian, eine Vermögende in Geldnöten.
Auch wenn Schweins beim Dreh ein Idyll genießen durfte, hat sie schon früh gesehen, dass das Leben auch düstere Seiten hat. Im Interview erzählt sie, was die Schicksale ihrer Großmutter und ihres Vaters damit zu tun haben und mit welchem Ritual sie in den Jahreswechsel geht.
Sie arbeiten als Schauspielerin, sind aktuell in einer Pilcher-Verfilmung zu sehen, dann betreiben Sie ein Recycling-Start-up in Bochum, machen einen Medizin-Podcast. Ab wann wird es Ihnen zu viel?
Esther Schweins: Grundsätzlich habe ich gelernt, eine innere Ruhe zu wahren. Man könnte auch sagen, einen Garten der Ruhe zu horten, in dessen Mitte ein langer, ruhiger Fluss fließt. Aber es kann schon auch zu viel Dynamik geben. Und wenn daraus Murks entsteht, der wiederum Murks gebiert, haut es mich aus der Kurve. Dann gehe ich in die Stille und lege eine Pause ein. Insgesamt bewege ich mich, wie ich denke, aber sehr gut durchs Leben und mache aus jeder Reise auch eine Pilgerreise.
Was war Ihre letzte Pilgerreise?
Schweins: Mein ganzes Leben, seit ich nicht mehr zur Schule gehe, ist eine Pilgerreise. Das Leben steckt so voller Wunder, dass ich gar nicht anders kann, als es als Lernende zu begreifen.
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Was war denn das letzte Wunder, das Sie erlebt haben?
Schweins: Jeder Tag beginnt mit einem Wunder, wenn Sie die Augen aufschlagen und noch atmen.
In der Pilcher-Verfilmung fällt der Satz „Das Leben ist grausam und zauberhaft.“ Könnten Sie den unterschreiben?
Schweins: Ich denke schon. Es gibt kein Leben ohne Finsternis. Wir bewegen uns auf einem Grat zwischen Freude und Lust auf der einen und großem Schmerz auf der anderen Seite. Wir sind wie Jonas und der Walfisch. Ab und zu müssen wir in den Bauch des Wals steigen, damit wir neu an einer anderen Küste ausgespuckt werden und wieder Glück und Freude erfahren.
Wie früh im Leben haben Sie erkannt, dass zur Freude auch Schmerz gehört?
Schweins: Als Kind konnte ich mich über jedes kleine Wunder freuen. Aber gleichzeitig hatte ich einen Vater, der in Stalingrad war und die Kriegsgefangenschaft überlebt hat. Meine Mutter war das Kind von Flüchtlingen und meine Großmutter, deren Mann gefallen war, musste alleine vier Kinder durch die Nachkriegszeit bringen. Mir war also klar, dass das Leben kein Ponyhof war – obwohl gegenüber von unserem Haus Ponys auf der Weide standen.
Was haben Sie damals von Stalingrad verstanden?
Schweins: Ich wusste, das bedeutet tausendfachen Tod und Leid auf beiden Seiten. Die Sinnlosigkeit von Krieg habe ich schon damals begriffen.
So gesehen wirkt es fast widersprüchlich, dass Sie zunächst mit dem Comedy-Format „RTL Samstag Nacht“ für Furore sorgten.
Schweins: Ist es aber nicht. Humor muss ja nicht flach sein. Auch mein Vater konnte sehr lustig sein. Aber jetzt sind wir sehr weit von Pilcher entfernt. Wir müssen nach Cornwall…
Inwieweit hat es ihre Sehnsucht nach Ruhe gestillt, in so einer idyllischen Umgebung an einem Projekt zu arbeiten?
Schweins: Die Drehbedingungen bei „Rosamunde Pilcher“ sind die besten, die man sich vorstellen kann. Denn dieses Fleckchen Erde gehört zu den schönsten auf der Welt. Die vier Wochen Dreharbeiten bedeuten daher auch Labsal.
Wäre das eine Alternative zu Ihrem Wohnsitz auf Mallorca?
Schweins: Wenn man Cornwall und Mallorca übereinander legen könnte, dann wäre es das Nonplusultra. Bei uns ist es ein bisschen zu heiß und in Cornwall etwas zu kühl. Vielleicht könnte ich den Sommer in Cornwall verbringen und den Winter auf Mallorca, und obendrein noch ein bisschen Bali. Auf jeden Fall ist Cornwall wirklich eine Reise wert. Zumal die Einheimischen unfassbar freundlich und offenherzig sind.
Ihr Filmsohn möchte Einfluss auf das Leben seiner Mutter nehmen. Ist das bei Ihnen und Ihren beiden Kindern ähnlich oder sind Sie diejenige, die die Richtung vorgibt?
Schweins: Das kommt auf das Thema an. Eigentlich sind wir gleichberechtigt, und ich habe Recht.
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Inwieweit konnte sich Ihr Vater nach seinen traumatischen Kriegserfahrungen eigentlich neu finden? Hat er offen darüber gesprochen?
Schweins: Anekdotisch und kryptisch. Er konnte sich mit großem Lebenshunger in sein letztes Jahrzehnt retten, aber dann hat er allerschwerstens unter den Kriegserfahrungen gelitten. Es hat ihn alles eingeholt.
Haben Sie diesen Lebenshunger auch?
Schweins: Der ist mir tatsächlich gegeben, in Form eines Erfahrungs- und Erlebnishungers. Das entspricht meiner Natur. Mama is a rolling stone.