Berlin. Mit einer neuen Show beenden die Comedians das Jahr 2023. Hier verraten sie, was im Fernsehen fehlt und welche Formate durchfallen.

Das Beste kommt zum Schluss: Über den Jahreswechsel diskutieren die ausgewiesenen TV-Fans Oliver Welke (57, „heute-show“) und Bastian Pastewka (51, „Pastewka“, „LOL“) im Zweiteiler „Welke & Pastewka – Wiedersehen macht Freude!“ im ZDF über die besten Momente aus den letzten 60 Jahren Fernsehgeschichte. Dabei beweisen sie ihr TV-Wissen und erinnern das Publikum an skurrile Momente, die diese längst vergessen haben dürften.

Die erste Folge ist am 29. Dezember im ZDF zu sehen, die zweite am 5. Januar je um 22.30 Uhr – und beide Sendungen ab dem 29. Dezember in der ZDF-Mediathek. Im Interview geben Pastewka und Welke einen Vorgeschmack auf das unterhaltsame Format und gehen hart mit dem deutschen Fernsehen in die Kritik.

Wie entstand die Idee zu „Welke & Pastewka – Wiedersehen macht Freude!“?

Bastian Pastewka: Genau über den Titel: Wiedersehen macht Freude. Was Oliver und mich verbindet, ist unsere Liebe zum Fernsehen. Vor 30 Jahren gab es im ZDF mal eine Sendung namens „Wiedersehen macht Freude“. Moderiert wurde sie von Elmar Gunsch, der dort seine sogenannten „Kabinettstückchen“ präsentierte – also Highlights aus Film, Funk und Kino. Oliver und ich finden, so etwas muss unbedingt reaktiviert werden.

Pastewka empfiehlt die Mediatheken

Und wie setzen Sie das um?

Pastewka: Wir haben den Deal, dass wir nicht wissen, was wir in der Sendung wiedersehen. Insofern ist der Titel „Wiedersehen macht Freude!“ auch hypothetisch gemeint. Sämtliche Ausschnitte, die wir sehen, lernen wir zum ersten Mal kennen. Wir sitzen vor einem großen Fernseher in einem gemütlichen Wohnzimmer, haben ein Publikum vor uns, sind gut gelaunt und sagen: „Film ab!“ – in der Hoffnung, dass etwas kommt, auf das wir einsteigen können. Die Form ist bewusst offen.

Stichwort neue Formate: Welche Schulnote geben Sie dem deutschen Fernsehen unterm Strich?

Oliver Welke: Im internationalen Vergleich ist das deutsche Fernsehen viel besser als sein Ruf. Das fällt einem besonders auf, wenn man im Ausland TV guckt, beispielsweise in den USA oder Kanada. Dort liegt das normale Angebot, mal abgesehen von den Streamingdiensten, deutlich unter unserem. Bei uns kann man rund um die Uhr gute Sachen angucken. Ich gebe eine Zwei minus.

Pastewka: Dem schließe ich mich an. Es gibt unheimlich viele Leute, die über unser Fernsehen meckern, weil sie angeblich nichts Gutes finden. Als alter Fernsehzeitungsnutzer würde ich ihnen raten, bitte auch mal in die Mediathek zu schauen – und nicht nur auf die Streamingdienste, für die sie bezahlen. Denn abseits des 20.15-Uhr-Programms gibt es in den Mediatheken speziell der öffentlich-rechtlichen Sender eine unfassbare Vielfalt – übrigens auch im Bereich Doku.

Welke wünscht sich mehr Experimentierfreude

Was fehlt zur Note „sehr gut“?

Pastewka: Mich nervt die Erwartbarkeit der Programmierung. Ich finde es ein wenig schade, dass sich speziell das öffentlich-rechtliche System seit 15 Jahren immer nur an den flüchtigen Zuschauer wendet. Was die Programmierung betrifft, erkenne ich überhaupt keine Flexibilität mehr.

Eine Sendung wie „Wer stiehlt mir die Show?“ würde beispielsweise bei ARD und ZDF schon deshalb nicht funktionieren, weil ein Zeitfenster zwischen 20.15 Uhr und 22.30 Uhr nicht frei wäre. Denn dort haben bereits viele andere Redaktionen Anspruch auf ihre jeweiligen Sendungen. Diese Erwartbarkeit erstreckt sich auf alle Tage: Man weiß, dass freitags ein Krimi kommt und sonntags ein Herzschmerz-Drama. Das ist mir alles zu vorhersehbar.

Welke: Deshalb gibt es von mir auch keine Eins. Ich wünsche mir ebenfalls mehr Experimentierfreude. Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern kommt dann meist das Argument „Programmplatzmangel“, wobei das auch eine Schattenseite des Erfolgs ist. Denn solange Sachen funktionieren, besteht nicht der Druck, etwas zu ändern.

Oliver Welke (l.) und Bastian Pastewka (r.) im Gespräch in ihrer Show „Welke & Pastewka - Wiedersehen macht Freude!“.
Oliver Welke (l.) und Bastian Pastewka (r.) im Gespräch in ihrer Show „Welke & Pastewka - Wiedersehen macht Freude!“. © ZDF | Julia Feldhagen

Sie sind beide über 50 und so der offiziellen Zielgruppe entwachsen. Ihre Meinung über die Formel „14 bis 49 = jung und relevant“?

Welke: Über das System der Quotenermittlung könnte man Referate halten. Dass es nach all den Jahren immer noch das einzige Instrument ist, ist schade. Denn technisch sollte inzwischen mehr möglich sein, statt nur ein paar Haushalte abzufragen – zumindest sollte man das meinen. Und was die Zielgruppe 14 bis 49 betrifft, wird die ja mittlerweile sogar von fast allen Sendern infrage gestellt.

Sie halten Einschaltquoten also für nicht aussagekräftig?

Welke: Wir haben keine andere Möglichkeit der Messung. Ich würde die Erhebung nicht überbewerten, aber natürlich kann sich keiner ganz davon freimachen – und wer sagt, er freue sich nicht über eine gute Einschaltquote, lügt. Bei mir ist es immer so, dass ich das System infrage stelle, wenn die Quoten nicht so toll sind. Aber wenn sie gut sind, finde ich das System in Ordnung.

Pastewka missfällt die „schmale Vielfalt“ im deutschen Fernsehen

Kritiker sagen, im TV gäbe es zu viel Mord und Totschlag, aber zu wenig Komödien. Ihre Meinung?

Pastewka: Ich predige seit Jahren, dass mir die schmale Vielfalt der Fernsehfilme, die in Deutschland produziert werden, missfällt. Auf der einen Seite sehe ich Kriminalfilme, die entweder unter „Tatort“ fallen oder in die Rubrik „Moorleichen-Krimis“ gehören. Und dann natürlich noch weitere Krimis, von denen wir nur den Arbeitstitel sehen – etwa „Der Barcelona-Krimi“, „Der Irland-Krimi“ und so weiter.

Welke: Stimmt. Diese ganzen Krimis, in denen deutsche Schauspieler Portugiesen, Isländer und Spanier spielen, habe ich sowieso noch nie verstanden.

Pastewka: Auf der anderen Seite haben wir dann noch deutsche Soaps, also alles, was mit Rosamunde Pilcher, Lilly Schönauer oder „Frühling“ erzählt wird. Ich bin regelrecht dankbar, wenn zwischendurch mal Bjarne Mädel einen tollen Film wie „Geliefert“ dreht, für den er zu Recht Preise bekommen hat. Mädel ist fast ein Solitär in diesem Genre, weil die „Geschichten von nebenan“ eben kaum noch Beachtung finden, außer in Form einer Soap.

Welke: Beim Thema Comedy finde ich es grundsätzlich schade, dass das Genre der Sitcom momentan so tot ist und es nicht mal mehr Versuche der Sender gibt, irgendwie daran zu schrauben…

Oliver Welke (l.) und Bastian Pastewka (r.) führen zum Jahresende durch 60 Jahre TV-Geschichte
Oliver Welke (l.) und Bastian Pastewka (r.) führen zum Jahresende durch 60 Jahre TV-Geschichte © ZDF | Julia Feldhagen

Vor diesen Herausforderungen steht das Fernsehen

Das Lagerfeuer-TV stirbt angeblich mit „Wetten, dass..?“ aus, aber Totgesagte leben bekanntlich länger. Richtig?

Pastewka: Absolut. Und auch hier sei noch mal „Wer stiehlt mir die Show?“ erwähnt. Das macht mehr Spaß, wenn man es live guckt, weil man dann weiß, wer in der kommenden Woche der Moderator ist. Sich das am nächsten Morgen spoilern zu lassen, verdirbt den Spaß.

Welke: Es gibt immer noch viele Formate, wo sich Millionen versammeln, sei es „Die Giovanni Zarrella Show“ oder der „Tatort“. Nicht nur das lineare Fernsehen stirbt langsamer, als man denkt, sondern auch das Lagerfeuer.

Welchen deutschen Fernsehsender würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?

Welke: Oh, ich würde dann – ehrlich gesagt – schon das ZDF mitnehmen.

Pastewka: Dann nehme ich Arte.

Vor welchen Herausforderungen steht das deutsche TV?

Welke: Ich bin froh, dass ich nur Autor und Moderator bin und nicht in einer Programmdirektion arbeite. Denn natürlich ist es schwierig vorherzusagen, was funktioniert, welche Lehren man aus dem Erfolg der Streamingdienste zieht und wie man die jüngeren Leute beim linearen TV hält. Sich an diese neue Realität anzupassen, in der jeder sein eigener Programmdirektor ist, finde ich nicht einfach. Falsch wäre es auf jeden Fall, ein „deutsches Netflix“ werden zu wollen.

Meine Hoffnung ist – und das bestätigen ja auch manche Erfolge – dass der Zuschauer immer unbewusst spürt, ob eine Sendung mit Liebe gemacht wurde. Bei Formaten wie „Wer stiehlt mir die Show?“ spürt man beispielsweise, wie viel Zeit und Energie da hineingeflossen sind, genau wie bei „Die Anstalt“. Ja, Liebe, Zeit und Energie sind der Anspruch, den man 2023 haben muss, um im linearen TV trotz heftiger Streaming-Konkurrenz noch erfolgreich zu sein.

Dieses Interview erschien zuerst in der Zeitschrift HÖRZU, die wie diese Redaktion zur Funke Mediengruppe gehört.