Berlin. Der „Aktenzeichen XY... Ungelöst“-Moderator spricht über die psychische Belastung des Jobs und ob er darüber nachdenkt aufzuhören.

Auch im Rentenalter von 65 ist Rudi Cerne noch voll engagiert im Kampf gegen das Verbrechen. Speziell im Herbst ballen sich seine Einsätze für „Aktenzeichen XY... Ungelöst“ (nächste Folge am 29. November um 20:15 Uhr im ZDF). Hinzu kommt die vor kurzem angelaufene zweite Staffel seines Podcasts „Aktenzeichen XY… Unvergessene Verbrechen“. Wie er im Interview erklärt, ist seine Energie ungebrochen. Zum Glück gibt es auch einen Ausgleich zu den düsteren Themen seines Jobs – zum Beispiel die Hochzeit seiner Tochter vor wenigen Wochen.

Was haben Sie im Lauf des letzten Jahres in Sachen Verbrechen für neue Erkenntnisse gewonnen?

Rudi Cerne: Die Abgründe sind nach wie vor entsetzlich. Unlängst berichteten wir über einen Fall, bei dem eine Frau mit 30 Messerstichen getötet wurde. Das zeigt, wie viele Emotionen hinter so einer Tat stecken, dass es zu so schrecklichen Auswüchsen kommt.

Rudi Cerne: „Am Ende ist man schon froh, wenn es vorbei ist“

Sie konfrontieren sich seit über 20 Jahren mit diesen Abgründen. Funktionieren Ihre psychischen Schutzmechanismen noch, damit Ihnen das nicht zu sehr unter die Haut geht?

Cerne: Das Ganze geht mir schon unter die Haut, zumal wir in „Aktenzeichen XY“ ja vor allem Fälle von außerordentlicher Schwere behandeln. Am Ende ist man schon froh, wenn es vorbei ist. Zum Glück haben wir den Programmpunkt mit unserem Preis für Zivilcourage. Da weiß man von vornherein, dass es gut ausgeht.

Aber jetzt kommt auch noch eine Weltlage hinzu, die völlig aus den Fugen ist. Wird Ihnen diese Menge an Gewalt und Elend nicht zu viel?

Cerne: Das alles ist bedrückend und beschäftigt mich sehr. Man kann nur den Kopf schütteln und hoffen und, dass schnell Frieden einkehrt.

Rudi Cerne mit Tochter Elisabeth bei der Verleihung der Goldenen Kamera 2019 in Berlin.
Rudi Cerne mit Tochter Elisabeth bei der Verleihung der Goldenen Kamera 2019 in Berlin. © picture alliance / AAPimages / Lueders | AAPimages / Lueders

Haben Sie schon mal eine Leiche gesehen?

Cerne: Nein, ich war auch noch nie an einem Tatort. Ich schaue in die Ermittlungsakten, und da finden sich authentische Bilder, die zum Glück in Schwarzweiß sind. Das reicht auch schon.

Heutzutage werden die Zuschauer auf allen Kanälen mit Bildern von Gewalt konfrontiert. Müssen Sie da eigentlich die Filme für die Sendung intensiver inszenieren, damit sie stärker Wirkung hinterlassen?

Cerne: Nein. Wir bleiben unserem Motto treu: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Wir wollen nicht mit den Gefühlen der Menschen spielen. Und da sind ja auch noch Angehörige, die sich das ansehen. Wir müssen die Fakten ablichten, aber wir dichten nichts dazu. Was man sich im Kopf ausmalt, ist intensiv genug.

Gibt es eigentlich den perfekten Mord?

Cerne: Den gibt es nicht. Es findet sich immer eine Schwachstelle, und früher oder später wird so ein Fall geklärt. Dank „Aktenzeichen XY“ konnte der so genannte Kölner Karnevalsmord aus dem Jahr 1988 geklärt und der Täter überführt werden. Es gab eine DNA-Spur, die neu ausgewertet wurde. Mittlerweile reicht eine einzige Hautschuppe, um so eine Spur herzustellen.

Wie kommen Sie damit klar, wenn jemand, der offensichtlich der Täter ist, freigesprochen wird?

Cerne: Schlecht. Aber wir haben nun mal einen Rechtsstaat, und die Richter, Schöffen und die Kammer müssen zu einem Schluss kommen. Wir hatten in der Sendung den Fall Lolita Brieger, der nach 29 Jahren aufgedeckt wurde. Aber der Täter wurde freigesprochen, weil nicht mehr festzustellen war, ob er aus Heimtücke oder niederen Beweggründen gehandelt hat. Und Totschlag ist nun mal nach so langer Zeit verjährt. Die Mutter des Opfers hat uns mitgeteilt, sie sei zumindest froh, dass sie jetzt ein Grab hat, an dem sie trauern kann. Denn bis dahin galt ihre Tochter vermisst.

Nun haben Sie vor kurzem Ihr Rentenalter erreicht. Denken Sie nicht mal daran, der Welt der Kriminalfälle den Rücken zuzukehren?

Cerne: Ich bin weiterhin mit großem Enthusiasmus bei der Sendung. Der ehemalige Regierungssprecher und BILD-Chefredakteur Peter Boenisch hat mir mal vor vielen Jahren gesagt „In unserem Job hört man erst auf, wenn man den Griffel wirklich aus der Hand gelegt hat.“ Also mache ich einfach weiter. Ich habe eine gute Kondition. In meinem Kopf funktioniert noch alles reibungslos. Solange das so bleibt, freue ich mich über jede Sendung, die ich präsentieren kann.

Fühlen Sie sich denn wie 65?

Cerne: Nein. Ich kann es auch kaum fassen, dass ich schon mehr als 20 Jahre „Aktenzeichen XY“ moderiere. Die Zeit ist wie im Flug vergangen.

Cerne: Darum ist der ZDF-Moderator immer noch so fit

Was ist der Grund für Ihre Fitness? Ihre frühere Karriere als Eiskunstläufer oder Ihre Golf-Leidenschaft?

Cerne: Das ist eine Kombination aus allem. Ich wohne am Spessartrand, da gibt es ein Überangebot an Wanderwegen, und der Golfplatz ist gleich um die Ecke. Die frische Luft tut mir gut und vielleicht hat mich auch meine Vergangenheit als Leistungssportler abgehärtet. Ich bin hartnäckig.

Ein Gegenpol zu der düsteren Sphäre des Verbrechens dürfte die Hochzeit Ihrer Tochter im Oktober gewesen sein...

Cerne: Das war in der Tat sehr schön. Meine Tochter und ihr Mann sind seit drei Jahren zusammen und harmonieren sehr gut miteinander. Das war keine Spontanheirat. Ich bin da sehr guter Dinge. Ich habe mich auch sehr über den Freundeskreis meiner Tochter gefreut. Das sind lauter junge nette Menschen, die mit beiden Beinen im Leben stehen und einen guten Job haben. Das ist schön zu wissen.

Angeblich waren Sie dabei so emotional, dass Sie Tränen vergossen haben.

Cerne: Irrtum. Das war eine raffinierte Schlagzeile, die diesen Eindruck erweckt. Es sind Tränen geflossen – aber nicht bei mir.