Eine Karte der Städte London, Oxford und York zeigt Mordfälle aus dem Mittelalter. An manchen Orten war es besonders gefährlich.
Von böswilligen Dienern, die das Feuer auf eine Menschenmenge eröffnen, über eine betrunkene Frau, die einen Rachemord verübt, bis hin zu einem selbstmörderischen Mann, der den Kopf eines Retters zerschmettert: Im Mittelalter wurden zahlreiche Morddelikte begangen. Am 2. Juni 1325 wurde etwa ein Pförtner des Newgate-Gefängnisses tot in der High Street vor der Einrichtung aufgefunden. Es stellte sich heraus: Drei Männer töteten ihn mit einem langen, breiten Messer, als sie in das Newgate-Gefängnis einbrachen. Sie wurden verhaftet, brachen aber zwei Wochen später wieder aus dem Gefängnis aus. Wohin, ist nicht bekannt.
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Dies ist nur einer von zahlreichen Fällen, die nun in einer interaktiven Mordkarte der University of Cambridge nachzulesen sind. Damit will das Team um Kriminologin Stephanie Brown Einblicke in Gewalt und Gerechtigkeit im spätmittelalterlichen London, York und Oxford gewähren. Grundlage der Mordkarte sind Aufzeichnungen von Gerichtsmedizinern aus dem 14. Jahrhundert. Insgesamt hat das Historikerteam 354 mittelalterliche Morde in den drei Städten London, York und Oxford in dem Atlas verzeichnet. Interessierte können sich auf der Karte per Klick Informationen zu den Verbrechen an den entsprechenden Orten durchlesen. Es gibt auch einen Podcast für jene, die sich die Geschichten dahinter lieber anhören wollen.
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So viele Mordfälle gab es im Mittelalter in London
Die meisten Mordfälle wurden in der britischen Hauptstadt London erfasst. 149 Fälle sind hier auf der Karte zu entdecken. Damals, in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, lebten hier laut den Historikern etwa 80.000 bis 100.000 Menschen. „An den Kais und Märkten entlang der Themse trafen Kaufleute aus Flandern und den Hansestädten ein, und in der Gegend um Poultry und Bank befand sich eine große Finanzindustrie mit Bankiers aus Florenz und anderswo. Auf den Märkten rund um Bishopsgate und Cheapside wurden Fisch, Fleisch, Milch, Brot und andere Waren des täglichen Bedarfs angeboten, aber London war auch für seine Luxusgüter berühmt“, schreiben die Historiker.
Die Mordrate in der britischen Großstadt lag damit laut den Wissenschaftlern fast 20-mal höher als heutzutage. „Die Geschehnisse, die von den Ermittlern aufgeschrieben wurden, zeigen, dass Waffen stets in Reichweite waren, die männliche Ehre verteidigt werden musste und Konflikte schnell außer Kontrolle gerieten. Wir bekommen einen ziemlich detaillierten Eindruck, wie Mordfälle in den mittelalterlichen Alltag in Städten integriert waren“, zitiert „stern.de“ Browns Kriminologenkollegen Manuel Eisner.
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Mittelalter: Diese Stadt hatte eine noch höhere Mordrate als London
Die höchste Mordquote hatte mit 60 bis 75 Mordfällen pro 100.000 Einwohner jedoch Oxford. Damit lag die Mordrate hier um das 50-Fache über der Mordrate der heutigen Großstädte in Großbritannien. „Eine mittelalterliche Universitätsstadt wie Oxford schuf eine tödliche Mischung von Bedingungen. Denn die Studenten waren alle männlich und im Alter zwischen 14 und 21 Jahren – auf dem Höhepunkt der männlichen Gewalt- und Risikobereitschaft“, zitiert das Magazin „scinexx.de“ Manuel Eisner.
Damals sei Oxford zusammen mit Paris das größte und angesehenste Zentrum der Gelehrsamkeit nördlich der Alpen gewesen und habe Studenten aus ganz Europa angezogen, schreiben die Historiker. Doch es kam häufig zu Gewalttaten unter den Studenten. „Als Kleriker waren die Studenten nach dem Gewohnheitsrecht rechtlich vor körperlicher Bestrafung geschützt und konnten die sogenannte Wohltat des Klerus beanspruchen“, führen die Historiker aus. So seien sie auch leichter an Waffen geraten.
Ein Beispiel: Am 2. Juli griffen laut der Akte Studenten einen sogenannten Polizisten des Friedens an. Dieser sei tot in seinem Haus in der Pfarrei St. Martin aufgefunden worden. Laut einer Jury hätten ihn zwei Studenten mit Schwertern, Bucklern und anderen Waffen verwundet, um den Frieden des Königs zu erhalten. Dabei sollen sie ihm auf den Kopf unter dem Ohr geschlagen haben, woran er verstorben sein soll.