Paris. Französische Kunstsammler haben im Internet ein Öl-Gemälde gekauft. Was sie nicht ahnten: Es ist hunderte Millionen Euro wert.
- Französische Kunstsammler haben zufällig ein wertvolles Gemälde erworben
- Was es mit dem Internet-Schnäppchen auf sich hat
Nicht ein Scheunenfund, sondern ein Internet-Schnäppchen ist es, das derzeit für Aufregung in der internationalen Kunstszene sorgt. Eine kleine Gruppe französischer Sammler erwarb vor wenigen Monaten im Internet ein Bildnis der Heiligen Maria Magdalena, welches von einer englischen Galerie zum Verkauf angeboten wurde in dem Glauben, dass es der Schule von Leonardo da Vinci zuzuordnen sei. Das Gemälde war in einem eher verwahrlosten Zustand und kostete 35.000 Euro.
Gemälde von Raffael: UNESCO-Expertin bestätigt Originalität
„Ich war sofort mehr als angetan, als ich zum ersten Mal auf das Foto dieser Maria Magdalena im Internet gestoßen bin“, erzählte der Sprecher der Sammler, die anonym bleiben wollen, der französischen Nachrichtenagentur AFP. Der 30-Jährige berichtet auch, dass sie „alle richtiggehend begeistert waren, als das Gemälde eintraf“ und schwärmt von der „beinahe unglaublichen Grazie“, die das Frauenbildnis trotz seiner starken Nachdunkelung und Verschmutzung ausstrahlte.
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Um bestätigen zu lassen, dass das Gemälde tatsächlich von einem Schüler da Vincis stammen könnte, wurde es der in Florenz ansässigen und der UNESCO-Expertengruppe angehörende Renaissance-Kennerin Annalisa Di Maria anvertraut. Die Italienerin kam jedoch im September nach einer Reihe von Analysen zu der Überzeugung, dass die Heilige Maria Magdalena von niemand anderem als dem Großmeister Raffaello Sanzio da Urbino (1483-1520) gemalt wurde – vielen besser bekannt als Raffael.
Wert des Gemäldes dürfte bei 300 bis 450 Millionen Euro liegen
Weitere italienische wie französische Experten haben die Einschätzung Di Marias mittlerweile bestätigt. Zumal Recherchen in den Archiven der Stadt Florenz es ermöglichten, die Herkunft des Gemäldes zumindest teilweise nachzuvollziehen. Seine Existenz nämlich war bekannt, nur galt es seit langem als verschollen. Bevor es von den französischen Sammlern gekauft wurde, gehörte das Gemälde zu einer Privatsammlung im Norden Englands und landete schließlich in einer kleinen Auktion, wo es von der Londoner Galerie erworben wurde. Laut Di Maria soll Raffael die Maria Magdalena um 1505 gemalt haben, kurze Zeit nachdem er Leonardo da Vinci in Florenz kennengelernt hatte. Als Modell diente ihm höchstwahrscheinlich Chiara Fancelli, die Frau seines Lehrmeisters Pietro Perugino.
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Nicht alle Spezialisten der italienischen Rennaissance-Malerei zeigten sich überzeugt von Di Marias sensationeller Zuordnung. So meinte Luigi Bravi, der Direktor der Akademie Raffael in Urbino, dass es sich bei der Maria Magdalena um eine Werk Peruginos handeln müsse. Das freilich war, bevor 17 Experten Anfang Oktober einen Artikel auf der Internetplattform Iste Open Science mit dem Titel „Raffaels Maria Magdalena oder wenn der Schüler den Meister übertrifft“ veröffentlichten. Darin beschreiben sie im Detail die nach neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen durchgeführten Analysen.
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Zu den Autoren zählt auch die Französin Nathalie Popis, in deren Augen das auf einer Pappelholztafel gemalte Bild im Format 46 x 33 cm von solcher Meisterschaft und Finesse in der Ausführung ist, dass es zweifelsfrei auf Raffael zurückzuführen sei. Und, so fügt Popis an, ganz sicher nicht auf Perugino. Raffael habe sich zur Zeit der Entstehung der Maria Magdalena von seinem Lehrer zu emanzipieren begonnen und, weil er größte Bewunderung für die Arbeit Da Vincis hegte, auch dessen Technik des „Sfumato“ angewandt. Dabei werden durch das Auftragen mehrerer Farbschichten ursprünglich scharfe Linien verschleiert, um wie bei Da Vincis Mona Lisa einen verschwommenen Effekt von Tiefe und Schatten zu erzeugen.
Angesichts der Preise, die Raffaels Werke in den letzten Jahren auf Auktionen erzielen konnten, dürfte der Wert der Maria Magdalena damit über Nacht auf 300 bis 450 Millionen Euro gestiegen sein. Die französischen Sammler haben dennoch nicht vor, das Gemälde zu verkaufen und einen goldenen Schnitt zu machen. Vielmehr wollen sie ihre außergewöhnliche Entdeckung einem Museum anvertrauen, um sie mit der Öffentlichkeit zu teilen.