Berlin. Studieren ist anstrengend, Sex entspannt. So begründen Studenten in Augsburg eine eher ungewöhnliche Forderung. Empörung folgt sofort.

Universitäten sind Orte des Lernens, des Forschens und der persönlichen Entwicklung. Dazu gehört zwangsläufig das Sich-ausprobieren, im akademischen wie privaten Bereich: Was gefällt, was nicht, wer bin ich – und wer nicht?

Muss aber eine Universität für Letzteres auch geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stellen? Studierende aus dem Queer-Referat der Universität im schwäbischen Augsburg, Bayern, sind der Überzeugung: ja.

Sie haben einen Antrag in den Studentischen Konvent eingebracht, in dem sie „Gloryholes im Hörsaalzentrum“ fordern. Genauer gesagt: drei Gloryholes, im Hörsaalzentrum „gegenüber des Eingangs“.

Hinter dem Begriff versteckt sich ein hüfthoch in der Wand (oftmals einer Toilettenkabine) gebohrtes Loch, das anonyme Sexualkontakte ermöglicht. Sie sind in der homo- und bisexuellen Gemeinschaft verbreitet, finden aber auch bei heterosexuellen Menschen ihre Fans, unter anderem in Sexshops und Swingerclubs, in der Pornografie, entlegenen Parkplatz-WCs und der Prostitution. Im Übrigen sind die Wandlöcher keine Erfindung der Moderne: Erstmals aktenkundig werden sie im Jahr 1707, in einem Gerichtsverfahren in London.

Studierende sehen Möglichkeit zur Entfaltung

Im Antrag, über den am Mittwoch das Nachrichtenportal „queer.de“ berichtete, heißt es zur Begründung: „Sex kann eine entspannende Tätigkeit sein, was im oft anstrengenden Universitätsalltag sehr sinnvoll sein kann.“ Die damit verbundene Stressreduktion würde für „eine positivere Arbeitsamtosphäre am Campus sorgen“.

Weiter führen die Antragstellenden aus, die Studierenden wünschten sich die Gloryholes, man sehe sich verpflichtet, „diesen Wunsch in der Studierendenvertretung zu beschließen“. Sie trügen zur Diversifizierung bei und ermöglichten fremden Menschen das Zusammenkommen, „um einen gemeinsamen Erlebnis- und Lebensraum zu schaffen“.

Gleichzeitig sehen die Studierenden in den Gloryholes eine Möglichkeit für verbesserte Teilhabe queerer Menschen am Universitätsalltag sowie einen Beitrag zu höherem Sicherheitsgefühl und Wohlbefinden dieser Menschen.

„Mülleimer werden auch benötigt“

Während sich die Begründung des Antrags reichlich akademisch liest – und unter Umständen in der queeren studentischen Gemeinschaft der Universität für Debatten sorgen könnte, schließlich bedeutet Queer-sein nicht zwangsläufig auch ein Interesse an anonymem Sex – werden die Studierenden in ihren Vorstellungen, wie universitäre Gloryholes auszusehen haben, recht konkrekt.

Sie sollen Schall- und Blickdicht sein, so barrierearm wie möglich, mit Wandgriffen ausgestattet, darüber hinaus über dimmbares Licht verfügen und mit einer Kniepolsterung versehen. Die Löcher selbst sollten zudem höhenverstellbar sein. Zudem brauche es verschiedene Hygiene- und Verhütungsartikel. „Mülleimer werden auch benötigt“, heißt es weiter und das Gebäudemanagement solle die Reinigung übernehmen.

Wie ernst es die Antragstellenden mit ihren Forderungen meinen ist unklar, der Text lässt sich in all seinen Zuspitzungen und lakonischem Duktus durchaus auch satirisch lesen.

RCDS schimpft über „skandalöse“ Idee

Für den Ring Christlich-Demokratischer-Studenten (RCDS) spielt das keine Rolle. In einem offenen Brief an die Universitätspräsidentin Sabine Doering-Manteuffel sowie die Studierendenschaft der Universität Augsburg empört sich der RCDS über den Antrag: „Die Einrichtung an einer Universität ist nicht nur unangebracht, sondern auch höchst skandalös und inakzeptabel.“

Die Idee widerspreche nicht nur den Grundsätzen der Bildungseinrichtungen, sondern stelle auch „eine ernsthafte Verletzung der ethischen und moralischen Standards dar“. Eine Installation von Gloryholes an einer Universität, „einem Ort, der Bildung, Forschung und persönliche Entwicklung fördern sollte, wäre absurd und unverantwortlich“.

Was aus dem Antrag wird, ist bislang unklar. Am heutigen Mittwochabend findet die erste ordentliche Sitzung des Studentischen Konvents statt. Auf der Tagesordnung stehen, neben den Gloryholes im Hörsaalzentrum: ein Denkmal für den kürzlich verstorbenen Campus-Kater Leon und Forderungen für einen Tarifvertrag für Studentische Hilfskräfte.