Berlin. Nach dem heftigen Erdbeben in Marokko steigt die Zahl der Todesopfer weiter. Mehr als 2000 Menschen sind demnach ums Leben gekommen.
- Marokko wurde von einem heftigen Erdbeben erschüttert
- Nach offiziellen Angaben hatte es eine Stärke von 7
- Mehr als 2000 Menschen sterben, es gibt Tausende Verletzte
Nach dem schweren Erdbeben in Marokko mit mindestens 2000 Toten stehen die Bergungs- und Rettungstrupps vor großen Herausforderungen. „Einige der am schlimmsten betroffenen Gebiete sind recht abgelegen und bergig und daher schwer zu erreichen“, teilte die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) in einer Mitteilung mit. Die marokkanische Nachrichtenseite Hespress berichtete am Sonntag, dass ein Einsatzteam aus Spanien mit Hunden inzwischen in Marokko eingetroffen sei, um die Such- und Rettungskräfte zu unterstützen.
Derweil stehen auch in Deutschland und anderen Ländern Hilfskräfte einsatzbereit. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sind mehr als 300.000 Menschen in Marrakesch und umliegenden Gebieten vom Erdbeben betroffen. Sie verbrachten die zweite Nacht in Unsicherheit und Trauer. Die Zahl der Toten stieg nach Angaben marokkanischer Behörden auf inzwischen 2012. Mindestens 2059 weitere Menschen wurden verletzt, mehr als die Hälfte davon schwer, wie marokkanische Medien in der Nacht auf Sonntag unter Berufung auf das Innenministerium berichteten.
Erdbeben in Marokko: Überlebende schildern dramatische Szenen
Das Beben vom späten Freitagabend war das schlimmste seit Jahrzehnten in Marokko. König Mohammed VI. ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. Auch die Staats- und Regierungschefs der EU boten in einem Brief an den König ihre Hilfe an und drückten ihre Anteilnahme aus. „Als enge Freunde und Partner Marokkos sind wir bereit, Ihnen in jeder Weise zu helfen, die Sie für nützlich halten“, heißt es darin. Die Bundesregierung prüft, ob in den Katastrophengebieten auch Deutsche unter den Opfern sind. Derzeit lägen keine Kenntnisse darüber vor, hieß es am Samstagnachmittag aus dem Auswärtigen Amt in Berlin.
Es wurde unterdessen befürchtet, dass die Zahl der Opfer weiter steigt, wenn Einsatzkräfte entlegene Regionen erreichen. Das ganze Ausmaß der Katastrophe war daher zunächst ungewiss. „Meine Frau, meine Kinder und ich versuchten, das Haus zu verlassen, aber meine kleine Tochter und mein Vater, der 102 Jahre alt ist, blieben. Ich habe versucht, zurückzugehen, um sie herauszuholen, aber vergeblich, mein Vater und meine Tochter sind dort gestorben“, schilderte ein Überlebender in der Stadt Imintanoute der Nachrichtenseite Hespress.
Marrakesch stark zerstört, vor allem die Altstadt
In Marrakesch wurden vor allem in der Jahrhunderte alten Altstadt etliche Gebäude beschädigt. Darunter sind auch traditionelle Touristenhotels, die sogenannten „Riads“.
Der weltberühmte Platz Djemaa el Fna im Herzen der Altstadt wurde in der Nacht zum Zufluchtsort von Tausenden von Menschen. Sie harrten dort aus, weil sie Angst hatten, in ihre Häuser oder Hotels zurückzukehren. Der Platz, der wegen seiner bunten Marktstände, Straßenrestaurants, Gaukler und Schlangenbeschwörer berühmt ist, gehört wie die gesamte Altstadt zum Unesco-Weltkulturerbe.
„Wir befanden uns in unserem Hotel in der Altstadt, als plötzlich alles um uns herum zusammenstürzte“, berichtete Irene Seixas, eine junge spanische Urlauberin. „Unser Hotel war gerade erst renoviert worden und ist nicht eingestürzt. Aber überall an den Wänden sah man Risse“, sagte Seixas dem spanischen Rundfunksender RTVE. „Dann sind wir schnell auf die Straße gelaufen.“
Auf dem Fluchtweg zum Djemaa-el-Fna-Platz sahen die Touristen erschütternde Szenen. „Zahlreiche Gebäude waren zusammengebrochen. Menschen lagen auf dem Boden“, berichtete der Urlauber Pablo Segarra der spanischen Presseagentur Efe. Die Spanierin Margarita Pacheco dachte zunächst: „Da ist wieder eine Bombe explodiert.“ 2011 hatten Terroristen mit einem Bombenattentat am Platz Djemaa el Fna 17 Menschen getötet.
Das Epizentrum lag im Atlasgebirge
Marokko wird von vielen Touristen aus den Mittelmeerländern Spanien und Frankreich besucht. Aber auch im deutschsprachigen Raum ist Marokko als Reiseland äußerst beliebt. Der Spätsommer gehört zur Hauptreisesaison. Marrakesch ist eines der beliebtesten Reiseziele im Land.
Auf TV-Bildern sah man, wie in einigen engen Gassen der Medina, der historischen Altstadt, Trümmer lagen. Viele Häuser und Basargeschäfte sind dort noch aus Lehm gebaut.
Etliche Zugänge zur Altstadt waren am Samstag gesperrt. Helfer suchten dort nach Opfern und räumten teilweise mit bloßen Händen Trümmer beiseite. Vielerorts bestand Einsturzgefahr. Auch die ockerrote Mauer, welche die Altstadt umgibt und der Marrakesch den Namen „die rote Stadt“ verdankt, wurde beschädigt.
Beileidsbekundungen aus aller Welt, auch von Scholz
Das Erdbeben der Stärke sieben auf der Richterskala hatte sich am Freitagabend kurz nach 23 Uhr ereignet. Das Epizentrum lag nach marokkanischen Behördenangaben in etwa 18 Kilometer Tiefe rund 75 Kilometer südwestlich von Marrakesch im Atlasgebirge. Dort, in der Provinz Al Haouz, soll es die meisten Opfer gegeben haben.
Im Bergdorf Asni, unweit des Epizentrums, sollen die meisten Häuser beschädigt oder zerstört worden sein. „Unsere Nachbarn liegen unter den Trümmern“, berichtete der Dorfbewohner Montasir Itri der Agentur Reuters. Viele Zufahrtsstraßen in der Bergregion sollen wegen zerstörter Fahrbahnen, eingestürzter Brücken und Erdrutschen unpassierbar sein.
Das Beben war in ganz Marokko spürbar. Auch in den nördlich gelegenen Großstädten Rabat und Casablanca wackelten die Wände. Größere Schäden wurden dort aber nicht gemeldet. An der südspanischen Mittelmeerküste waren ebenfalls leichte Erschütterung vernehmbar.
Es war das schwerste Erdbeben in Marokko seit über hundert Jahren. Zuletzt wurde Marokko 2004 von schweren Erdstößen erschüttert. Damals kamen – nach offiziellen Angaben – rund 600 Menschen im Norden des Landes ums Leben.
Die EU, die UN und zahlreiche europäische Staaten boten Marokko an, bei den Rettungs- und Aufräumungsarbeiten zu helfen. Auch trafen Beileidsbekundungen aus aller Welt ein.
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„Das sind schlimme Nachrichten aus Marokko“, schrieb etwa Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Kurznachrichtendienst X. „In diesen schweren Stunden sind unsere Gedanken bei den Opfern des verheerenden Erdbebens. Unser Mitgefühl gilt allen Betroffenen dieser Naturkatastrophe.“
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Erdbeben in Marokko: EU kündigt Unterstützung an
„Die EU ist bereit, Marokko in diesen schwierigen Momenten zu unterstützen“, schrieb EU-Ratspräsident Charles Michel über den Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter). Die Nachrichten aus dem Land seien schrecklich. Er sei in Gedanken bei allen, die von der Tragödie betroffen seien, und bei den Rettungskräften. Lesen Sie hier: Höhlenforscher steckt in Türkei fest - Rettung schier unmöglich
Erdbeben in Nordafrika sind relativ selten. 1960 hatte sich laut dem Sender Al Arabiya in der Nähe von Agadir ein Beben der Stärke 5,8 ereignet, bei dem Tausende Menschen ums Leben kamen. Das letzte große Erdbeben erschütterte Marokko 2004 mit einer Stärke von 6,4. Mehr als 600 Menschen kamen ums Leben. Lesen Sie auch: Schlimme Szenen aus den Unwettergebieten in Griechenland (mit dpa)