London. King Charles III. will vieles anders machen als seine verstorbene Mutter, Elizabeth II. Das muss er auch, um die Monarchie zu retten.
Am 21. August passierte der weinrote Bentley des Königs die Tore von Schloss Balmoral in Schottland. Charles III. stieg aus, er trug Krawatte, ein helles Jackett und einen Schottenrock, die roten Socken hinaufgezogen bis zu den Knien. So stand er da und lauschte der Ehrengarde, die ihn mit ernsten Gesichtern und Dudelsackmusik empfing. Es dürfte ein emotionaler Moment gewesen sein für Charles – zum ersten Mal begann er seinen traditionellen Sommeraufenthalt in Balmoral ohne seine Mutter. Hier war es, wo die 96-jährige Queen Elizabeth II. am 8. September 2022 verstarb.
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Monumental waren damals die Trauerfeiern: von der 8 Kilometer langen Menschenschlange vor dem aufgebahrten Sarg der verstorbenen Königin bis zur Abdankung in der Westminster Abbey, die 28 Millionen britische Fernsehzuschauer vor die Bildschirme zog. Ein paar Wochen lang schaute die ganze Welt auf das Königreich. So öffentlichkeitswirksam die damaligen Ereignisse waren, so bescheiden wird der erste Jahrestag des Todes von Elizabeth II. begangen. Schon vor Wochen hatte ein Sprecher des Palasts angekündigt, dass der neue König nicht öffentlich auftreten werde. Charles und seine Frau Camilla würden der verstorbenen Queen im Privaten gedenken – nicht einmal eine Familienfeier ist geplant.
Erster Todestag der Queen: König Charles zieht sich zurück
Das hat durchaus Tradition bei den Windsors: Elizabeth II. – die gerade mal 25 Jahre alt war, als sie ihren Vater verlor – zog sich an seinem Todestag stets auf Schloss Sandringham zurück. „Es gibt kein Protokoll, das vorschreibt, was die Royals tun oder unterlassen sollten, um einen wichtigen Todestag zu begehen“, sagt der königliche Experte Richard Fitzwilliams gegenüber Reader’s Digest.
Der Verzicht auf öffentliche Auftritte hat aber den Vorteil, dass die heikle Frage von Harry und Meghan umschifft werden kann. Hätte man den entfremdeten Sohn und seine Gattin eingeladen? Die Boulevardpresse folgt Harry auf Schritt und Tritt und stürzt sich genüsslich auf jedes Anzeichen familiärer Spannungen. „Das letzte, was die Royal Family an diesem bedeutsamen Tag braucht, sind mehr Schlagzeilen, in denen über die Dramen innerhalb der Familie spekuliert wird“, sagt Fitzwilliams.
„Die Königin ist tot – lang lebe der König“, hieß es also an diesem 8. September vor einem Jahr. So mancher britische Monarchist blickte der neuen Ära mit Sorge entgegen. Es war offensichtlich, dass Charles die Popularität seiner Mutter nie würde erreichen können. Zudem hatte der Thronfolger eine Neigung, kontroverse Meinungen öffentlich kundzutun – das kam bei der Bevölkerung nicht immer gut an. In der Rückschau scheint die Sorge unbegründet gewesen zu sein.
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Große Skandale sind ausgeblieben, auch hat es keine peinlichen Schlagzeilen über die Royals gegeben – zumindest keine, die dem Staatsoberhaupt direkt schadeten. Was ihm geholfen habe, ist die Tatsache, dass die Latte so tief angesetzt wurde, sagte der royale Biograf Gareth Russell gegenüber dem Fernsehsender True Royalty TV: „Solange er das Haus nicht abbrannte, übertraf er die Erwartungen. Seine Kritiker, die sagten, er würde ein komplettes Desaster, hat er widerlegt.“
Charles III.: „Viel entspannter“ als die Queen
Charles III. stürzte sich mit Elan in seine neue Aufgabe, immerhin hatte er sich viele Jahrzehnte darauf vorbereiten können. Der damals 73-Jährige absolvierte gleich in der ersten Woche eine Tour durch sein Königreich, besuchte Schottland, Wales und Nordirland, an seiner Seite Camilla, die Königin. Auch danach blieb er auf Achse, mal sah man ihn im nordenglischen York, mal mischte er sich in St. Ives am südlichsten Zipfel seines Königreichs unter die Leute.
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Er ist ein König zum Anfassen – weit mehr als seine Mutter, die sich etwas distanzierter gegeben hatte und insbesondere in ihren letzten Jahren nur noch selten an die Öffentlichkeit ging. „Selbst die offiziellen Fotos, die [der Palast] veröffentlicht, sind viel entspannter“, sagt der Historiker Jonathan Spangler von der Manchester Metropolitan University.
Die demonstrative Volksnähe ist Teil eines Modernisierungsversuchs, dem sich Charles verschrieben hat. Er will die britischeMonarchie auf den neusten Stand bringen, nicht zuletzt um ihre Relevanz unter Beweis zu stellen. Auch die Krönungszeremonie Anfang Mai sollte sich in dieses Entstaubungsprojekt einfügen. Kaum zu glauben: Das royale Großereignis mit all seinem Prunk und Goldschmuck war schon die abgespeckte Variante – weniger Publikum in der Kirche, weniger altmodische Bekleidung als bei früheren Krönungen.
Neuer König will Monarchie modernisieren
Darüber hinaus plant Charles III. offenbar, die Royal Family zu verschlanken, das heißt: Er will die Zahl der Royals, die finanziell von ihm abhängig sind, auf ein Minimum reduzieren. Wer in einem schönen Herrenhaus wohnt, soll also selbst dafür bezahlen. „Der König ist nicht eine Art Wohnungsgenossenschaft für entfernte Verwandte“, sagte ein Palast-Insider gegenüber dem Londoner Blatt „Evening Standard“.
Auch zeigt sich Charles offen gegenüber Vorstößen, die dunkleren Seiten der britischen Monarchie zu beleuchten – konkret die Verbindungen zur Sklaverei. Nachdem im April ein Dokument publiziert wurde, das vergangene Verbindungen britischer Könige zum transatlantischen Sklavenhandel aufzeigte, ließ der Palast verlauten, dass er eine historische Aufarbeitung unterstütze.
Eine weiteres Problemfeld: Steuern. Der Monarch hat auf den enormen Reichtum, den er von seiner Mutter geerbt hat, keinen Penny an Steuern gezahlt. Die Steuerbefreiung geht auf eine Abmachung zwischen der Regierung und den Royals zurück, die vor dreißig Jahren geschlossen wurde. Aber der Mehrheit der Briten stößt dies sauer auf, sie würden eine Erbschaftssteuer für das Staatsoberhaupt begrüßen.
Monarchie-Müdigkeit: Junge Briten wünschen sich andere Staatsform
Dass eine Modernisierung dringend nötig ist, zeigt ein Blick in die Umfragen. Seit vielen Jahren nimmt die Unterstützung der britischen Monarchie langsam aber doch spürbar ab: 2012 wollten noch 75 Prozent die Monarchie hochhalten, heute sind es nur noch 62 Prozent – so die neusten Zahlen des Forschungsinstituts YouGov. Als Charles III. den Spitzenposten von seiner Mutter übernahm, stieg die Zustimmung kurz an, aber seither hat sich der Abwärtstrend wieder eingestellt. Besonders unter jüngeren Britinnen und Briten ist zunehmende Monarchie-Müdigkeit spürbar: Von den 18- bis 24-Jährigen würden 40 Prozent lieber ein gewähltes Staatsoberhaupt haben, nur 37 Prozent sind zufrieden mit der jetzigen Staatsform.
Was die Monarchieanhänger hingegen zuversichtlicher stimmen wird, sind die glänzenden Zustimmungswerte von Prinz William: 74 Prozent haben eine positive Meinung von Charles‘ ältestem Sohn, er ist der beliebteste Royal – für einen Thronfolger eine durchaus wünschenswerte bis komfortable Position. König Charles III. wird von manchen als eine Art Platzhalter-Monarch gesehen, bevor die Show danach mit William wieder mit Schwung weitergeht. Umso mehr wird Charles daran gelegen sein, seinem Regnum in den kommenden Jahren seinen Stempel aufzudrücken, um nicht als Interims-König in die Geschichte einzugehen.