Berlin/Paris. Wieder Krawalle und Tränengas: Auch in der Nacht zu Sonntag kam es in Frankreich zu Gewalt in Frankreich. Hunderte wurden festgenommen.
Nach dem Tod des 17 Jahre alten Nahel M. Nach dem Tod des 17 Jahre alten Nahel M. durch Polizeigewalt sind in Frankreich bei erneuten Krawallen in der Nacht zu Sonntag mindestens 719 Menschen festgenommen worden. Das ging am Sonntagmorgen aus einer vom Innenministerium auf Twitter veröffentlichten ersten Bilanz hervor. 45 Polizisten seien bei den Ausschreitungen verletzt worden, hieß es weiter. Dank des Einsatzes von 45.000 Polizisten und Tausenden Feuerwehrleuten sei es eine „ruhigere Nacht“ gewesen als am Vortag. In den frühen Morgenstunden hatte Innenminister Gérald Darmanin noch von gut 420 Festnahmen gesprochen.
Vor allem in Paris, Marseille und Lyon kam es erneut zu Krawallen, Plünderungen und Sachbeschädigungen. Auslöser für die Unruhen war der Tod eines Jugendlichen durch einen Polizisten am Dienstag. Der 17-Jährige war in Nanterre am Steuer eines Autos von einer Motorradstreife gestoppt worden. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel ein tödlicher Schuss aus der Dienstwaffe eines Polizisten. Der Jugendliche wurde am Samstag beigesetzt. Der Polizist, der für seinen Tod verantwortlich gemacht wird, kam in Untersuchungshaft. Gegen ihn wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet.
Der Vorfall hatte eine Welle der Gewalt in Frankreich ausgelöst. In der Nacht zu Samstag waren laut Innenministerium mehr als 1300 Menschen festgenommen worden, 406 davon allein in Paris. 79 Polizisten wurden verletzt. Mittlerweile griffen die Unruhen auch auf die belgische Hauptstadt Brüssel sowie auf französische Überseegebiete in der Karibik über. Dort kam ein Mensch durch einen Querschläger ums Leben.
Präsident Emmanuel Macron sagte am Samstag seinen Staatsbesuch in Deutschland ab. Macron wollte ursprünglich am Sonntag Berlin, Ludwigsburg und Dresden besuchen.
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Trotz Polizei: heftige Krawalle in der Nacht zu Samstag
Auch massive Polizeipräsenz und behördlich angeordnete Einschränkungen des öffentlichen Lebens konnten die erneuten Ausschreitungen in ganz Frankreich nicht verhindern. Es gab Plünderungen, Sachbeschädigungen und gewalttätige Zusammenstöße. Zu besonders heftigen Auseinandersetzungen kam es Medienberichten zufolge in Marseille und Lyon. In Marseille wurde unter anderem nach einem Brandanschlag ein Supermarkt geplündert. Darmain teilte mit, die Gewalt sei insgesamt trotzdem von „weitaus geringerer Intensität“ gewesen. Er sagte: „Die Republik wird gewinnen, nicht die Randalierer.“ Er sei nicht der Ansicht, dass der Ausnahmezustand verhängt werden müsse.
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Frankreich: Nachtfahrverbote für Busse und Straßenbahnen
Die Regierung antwortete am Freitag auf die Randale unter anderem mit Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Beispielsweise sollen Straßenbahnen und Busse bis auf Weiteres nicht mehr nachts fahren, Großveranstaltungen wurden abgesagt und der Verkauf und das Mitführen von Feuerwerkskörpern und brennbaren Stoffen wurden verboten. Da viele der Randalierer nach Angaben der Regierung sehr jung sind, appellierte Präsident Emmanuel Macron an das Verantwortungsbewusstsein der Eltern und machte die sozialen Medien für die Gewalteskalation verantwortlich.
Im Zusammenhang mit den Unruhen in Frankreich kam es auch in einigen französischen Überseegebieten zu Ausschreitungen. In Cayenne, der Hauptstadt des südamerikanischen Französisch-Guayana, wurde ein Mann in der Nacht zum Freitag (Ortszeit) durch einen Querschläger getötet, wie die örtlichen Behörden mitteilten. Nach Medienberichten handelte es sich bei dem Mann um einen Mitarbeiter der Lokalverwaltung. Der Präfekt Thierry Queffelec verbot nach offiziellen Angaben daraufhin am Freitag für die folgenden zwei Nächte das Tragen von Waffen und bis Montag den Transport brennbarer Stoffe.
Proteste auch in Brüssel und Martinique: Vermummte werfen Steine auf Polizisten
Auch im karibischen Überseegebiet Martinique kam es nach einem Bericht des regionalen Portals France-Antilles in der Nacht zum Freitag zu Gewalt. Etwa 20 bis 30 vermummte Menschen warfen demnach in der Hauptstadt Fort-de-France mit Steinen auf Polizisten. An mehreren Orten seien Mülltonnen angezündet worden.
Auch in der belgischen Hauptstadt Brüssel kamen am Freitagnachmittag als Reaktion auf den Tod des 17-Jährigen erneut Jugendliche zusammen. Einer Polizeisprecherin zufolge versammelten sie sich nach einem Aufruf in sozialen Netzwerken an verschiedenen Orten. Zwischenzeitlich seien rund 50 Menschen präventiv festgenommen worden, hieß es. Bereits am Donnerstagabend war es in der belgischen Hauptstadt zu Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und Ordnungskräften gekommen.
Französischer Fußballer Mbappé: „Gewalt löst keine Probleme“
Der französische Fußballstar Kylian Mbappé zeigte sich betroffen vom Tod des 17-Jährigen und warnte vor Gewalt. „Seit diesem tragischen Ereignis sind wir Zeuge des Ausdrucks der Wut der Bevölkerung, deren Inhalt wir verstehen, deren Form wir jedoch nicht gutheißen können“, heißt es in dem Statement, das er am Freitagabend wohl zusammen mit anderen Nationalspielern veröffentlichte.
Viele Spieler kämen selbst aus den Arbeitervierteln und könnten den Schmerz und die Traurigkeit nachvollziehen. Aber Gewalt löse keine Probleme. „Die Zeit der Gewalt muss enden, um der Zeit der Trauer, des Dialogs und des Wiederaufbaus Platz zu machen“, erklärte Mbappé. (cha/dpa)