Berlin/Meymac. In Südfrankreich soll es ein Massengrab mit 47 erschossenen Wehrmachtssoldaten geben. Was ein 98-jähriger Franzose damit zu tun hat.
Sie gerieten der Résistance in die Hände und mussten mit dem Leben bezahlen: 47 Wehrmachtssoldaten, die nach einem SS-Verbrechen in Südfrankreich erschossen wurden. Nun hat ein ehemaliger französischer Widerstandskämpfer sein Schweigen über eine Massenerschießung gebrochen – und damit brisante Nachforschungen ins Rollen gebracht. In einem Massengrab in Südfrankreich sollen die toten Deutschen liegen.
Dort, in der Nähe von Meymac, beginnt am Dienstag die Suche nach den Leichen. Wie der Sender "France 3" berichtete, soll zunächst bis Freitag mit einem Bodenradar das mutmaßliche Massengrab lokalisiert werden. Sollten die Deutschen an der vermuteten Stelle gefunden werden, werde der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge die Exhumierung und Beisetzung auf einem deutschen Soldatenfriedhof veranlassen, hatte das französische Verteidigungsministerium angekündigt.
Frankreich: Wehrmachtssoldaten schaufelten ihre eigenen Gräber aus
Die Erschießung der deutschen Wehrmachtssoldaten erfolgte 1944 – nach einem Massaker der Waffen-SS an der Bevölkerung in Tulle sowie der Auslöschung des Dorfes Oradour-sur-Glane. Ein Kriegsverbrechen, das zum Symbol der Nazi-Barbarei in Frankreich wurde. Lesen Sie auch: NS-Zeit: Was Opa zwischen 1933 und 1945 gemacht hat?
„Alle wussten es, niemand hat darüber gesprochen“, so André Nirelli, französischer Landwirt im Ruhestand, gegenüber AFP. „Dort waren sie untergebracht“, sagte er mit Verweis auf eine große Scheune aus Kalkstein. Die 47 Wehrmachtssoldaten und eine der Kollaboration verdächtigte Französin befanden sich um 1944 in der Hand einer Gruppe französischer Widerstandskämpfer. Von der Scheune aus wurden die Gefangenen in ein Waldstück nahe der Ortschaft Meymac geführt, wo sie Gruben ausheben mussten. Am 12. Juni 1944 wurden sie erschossen, ihre Leichen stürzten in die Gruben.
Es ist der 98-jährige Edmond Réveil, der nach fast 80 Jahren sein Schweigen bricht. „Es war ein Kriegsverbrechen“, sagt der Zeitzeuge. Seine Widerstandsgruppe habe die Gefangenen „geerbt“ und nicht gewusste, was sie mit ihnen machen sollte. Sein Kommandeur, ein deutschsprachiger Elsässer, hatte „wie ein Kind geweint“, als er mit den Deutschen sprach. Die Wehrmachtsoldaten hätten sich vor der Erschießung Fotos ihrer Familien angesehen. „Es waren keine jungen Soldaten, die jungen waren in Russland“, erinnerte er sich. Er selbst habe nicht geschossen.
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In den 60er Jahren wurde ein Grab bereits gefunden
Schon in den 60er Jahren hatte der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge nach den Überresten der deutschen Soldaten gesucht. Elf von ihnen wurden geborgen und auf einem deutschem Soldatenfriedhof in Westfrankreich bestattet. Die übrigen Toten sollen rund 100 Meter davon entfernt unter der Erde verscharrt sein.
Es ist unklar, wer die Suche damals veranlasst hat und warum sie wieder eingestellt wurde. Im Umbettungsbericht des Volksbundes gebe es keinen Vermerk dazu, sagte eine Sprecherin. Es deutet einiges darauf hin, dass Sorge bestand, das Ansehen der französischen Widerstandskämpfer zu beschädigen.
„Es herrschte eine Omertà“, sagte der Bürgermeister von Meymac, Philippe Brugère. „Niemand wollte, dass die Geschichte hochkocht und das Bild des Widerstands beschmutzt.“
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Réveil habe nichts von den Massakern gewusst
Der deutsche Historiker Peter Lieb merkte an, dass es bislang keine systematische Aufarbeitung möglicher Verbrechen des französischen Widerstands gibt. „Es ist nach wie vor ein schwieriges Thema“, sagte er. Lieb kommt – ohne Meymac – bei seinen Recherchen auf zehn Fälle, in denen Widerstandskämpfer insgesamt 350 deutsche Soldaten erschossen haben.
Der 98 Jahre alte Réveil sagte, die Partisanen seien damit überfordert gewesen, eine Gruppe von Kriegsgefangenen zu versorgen. „Es war kein Racheakt“, betonte er. Von den Massakern der Waffen-SS wenige Tage zuvor in Tulle und Oradour-sur-Glane habe er damals nichts gewusst.
Fragen danach, warum er so lange schwieg und was ihn nun im hohen Alter zum Reden bewog, weicht er aus. „Es musste gesagt werden“. (daw/dpa/ AFP)
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