Berlin. Fichte, Kiefer, Buche oder Eiche: Vier von fünf Bäumen sind krank, heißt es im aktuellen Waldzustandsbericht. Die alten Bäume leiden besonders.

Trockenheit, Hitze, Schäden durch Käfer: Die deutschen Wälder stehen weiter unter hohem Klimastress. Bei den häufigsten Arten Fichte, Kiefer, Buche und Eiche sind vier von fünf Bäumen krank. Das geht aus dem aktuellen Waldzustandsbericht hervor, der in Berlin vorgestellt wurde. „Der Wald entwickelt sich zum Dauerpatienten“, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Die Wälder seien „massiv von der Klimakrise getroffen. Nötig sei „eine Langzeitkur“, um zu mehr Mischwäldern zu kommen. Auch Umweltverbände und Waldeigentümer dringen auf einen Umbau zu widerstandsfähigeren Forsten. Wald bedeckt rund ein Drittel der gesamten Fläche Deutschlands.

Waldzustandsbericht: Baumschäden weiter auf hohem Niveau

„Insgesamt befinden sich die Schäden weiterhin auf einem sehr hohen Niveau“, heißt es in der neuen Erhebung für 2023. Im Vergleich zu 2022 hätten sich „keine deutlichen Verbesserungen des Waldzustands eingestellt, aber auch keine deutlichen Verschlechterungen“. Der schlechte Zustand des Waldes betreffe alle Hauptbaumarten gleichermaßen.

Die jährliche Untersuchung wird seit 1984 von den Ländern über ein Netz von Stichproben vorgenommen. Dabei wird jeweils von Mitte Juli bis Mitte August die Blattmasse der Kronen taxiert und vier „Schadstufen“ zugeordnet. Diesmal waren es 9688 Bäume an 402 Punkten. Das bundeseigene Thünen-Institut rechnet die Daten dann zu einem deutschlandweiten Ergebnis hoch.

Wie dicht Laub oder Nadeln sind, gilt als ein Indikator für den Gesundheitszustand. Und die neuen Befunde zeigten nur geringe Änderungen. „Deutliche“ Schäden hatten demnach im vergangenen Jahr über alle Arten hinweg 36 Prozent der Bäume – nach 35 Prozent im Jahr 2022. Bei ihnen war verglichen mit gesunden Bäumen schon mehr als ein Viertel der Krone kahl. Zur „Warnstufe“ mit einer schwachen Kronenverlichtung von 11 bis 25 Prozent gehörten weiterhin 44 Prozent der Bäume. Volle Kronen hatten noch 20 Prozent, nach zuvor 21 Prozent.

Bäume über 60 Jahre besonders betroffen, nur bei Kiefern leichte Verbesserung

„Vor allem unsere älteren Bäume über 60 Jahre sind von Schaderscheinungen betroffen, doch auch bei den jüngeren Bäumen zeigt sich ein negativer Trend“, heißt es in der Erhebung. Besonders im Blick stehen vier Hauptarten, die zusammen drei Viertel aller Bäume ausmachen. Nur bei Kiefern wurden nun leichte Verbesserungen festgestellt – der Anteil mit deutlichen Schäden sank von 28 Prozent auf 24 Prozent. Bei Fichten stieg er um drei Prozentpunkte auf 43 Prozent, bei Buchen um einen Punkt auf 46 Prozent und bei Eichen um vier Prozentpunkte auf 44 Prozent.

Weil es keine größeren Stürme gab, sei die Ausscheiderate von 6,7 Prozent auf 4,7 Prozent gesunken, gab das Thünen-Institut an. Die Ausscheiderate bezeichnet den Anteil der Bäume, die aus der Stichprobe rausgefallen sind. Die nach wie vor hohe Ausscheiderate der Fichte liege bei neun Prozent, davon seien 4,3 Prozent biotisch bedingt, also von Schädlingen wie dem Borkenkäfer verursacht.

Trockenheit und Schädlinge setzen den Wäldern zu. Das Bild zeigt Nadel- und Laubbäume in einem Waldstück bei Rottweil in Baden-Württemberg.
Trockenheit und Schädlinge setzen den Wäldern zu. Das Bild zeigt Nadel- und Laubbäume in einem Waldstück bei Rottweil in Baden-Württemberg. © DPA Images | Silas Stein

Thünen-Institut: Monokulturen in gemischte Wälder verwandeln

Den Wald besser für den Klimawandel zu wappnen, sei ein Generationenprojekt, machte Özdemir klar - und Waldbesitzer sollten bei dieser „Mammutaufgabe“ nicht allein gelassen werden. In diesem Jahr seien daher 250 Millionen Euro an Förderung vorgesehen.

Bei Monokulturen könnten sich Borkenkäfer schnell hindurchfressen.
Nicole Wellbrock - Thünen-Institut

Generell geht es vor allem darum, Monokulturen in gemischte Wälder zu verwandeln und so Risiken zu verringern. Sie seien stabiler und weniger anfällig, erläuterte Expertin Nicole Wellbrock vom Thünen-Institut. Unter anderem könne das Nährstoffangebot im Boden durch verschiedene Wurzeltiefen besser genutzt werden. Bei Monokulturen könnten sich etwaBorkenkäferschnell hindurchfressen.

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Positiv sei, dass es im Herbst und Winter 2023/24 viel geregnet und geschneit habe, merkten die Experten des Thünen-Instituts an. Erstmals seit Jahren habe sich der Bodenwasserspeicher in Deutschland wieder vollständig aufgefüllt. „Auswirken wird sich dies allerdings erst auf den Zustand der Bäume in diesem Jahr – immer vorausgesetzt, die Bedingungen bleiben günstig“, hieß es. Bei einer Hitze- und Trockenperiode im Frühjahr und Sommer könne die Erholungsphase schnell vorbei sein.

Greenpeace: Özdemir hat historische Chance für eine Waldschutz-Gesetz

Umweltorganisationen mahnten eine Wende an. Der WWF monierte, zentraler Grund der Misere sei, dass der Wald jahrzehntelang vor allem als schneller Holzlieferant gesehen worden sei. Greenpeace erklärte, Özdemir habe die historische Chance, das bestehende „Abholz-Gesetz“ in ein „Waldschutz-Gesetz“ umzuwandeln. Der Naturschutzbund forderte „zeitgemäße Vorgaben“ etwa für ein Kahlschlagverbot und ein Entwässerungsverbot. Der Verband der Waldeigentümer erklärte, dass nicht die rechtlichen Bedingungen Ursache der Schäden seien, sondern der Klimawandel. Es brauche keine zusätzliche Regulierung, die den notwendigen Waldumbau lähme.

Die Temperatur in Deutschland ist nach Berechnungen des Deutschen Wetterdienstes seit der vorindustriellen Zeit um 1880 statistisch gesichert um 1,6 Grad gestiegen. Die fünf wärmsten Jahre seitdem waren nach dem Jahr 2000. Das Jahr 2023 war das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 durch den Deutschen Wetterdienst. Die Temperaturen hierzulande sind damit deutlich stärker gestiegen als im weltweiten Durchschnitt (etwa 1,2 Grad). pol/dpa

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