Düsseldorf. Vom vielen Regen im Jahr 2023 profitieren Eichen, Buchen und Kiefern bisher nicht. Es gibt aber einen kleinen Hoffnungsschimmer.
-- Der neue Waldzustandsbericht NRW ist besorgniserregend.
-- Manchen Baumarten, wie zum Beispiel der Eiche, geht es sogar noch schlechter als im vergangenen Jahr.
-- Gelingt im Jahr 2024 eine Wende zum Besseren?
Der ausgiebige Regen im Jahr 2023 hätte den Waldbäumen in NRW ideale Wachstumsbedingungen bescheren müssen. Dennoch geht es den Wäldern anhaltend schlecht. „Wir erleben die größten flächigen Waldschäden seit dem Bestehen Nordrhein-Westfalens“, sagte NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) am Donnerstag bei der Vorstellung des Waldzustandsberichtes.
Wie geht es den Wäldern in NRW?
In diesem Jahr haben laut dem Bericht nur 25 Prozent der untersuchten Waldbäume keine Kronenverlichtung. Das bedeutet, dass nur ein Viertel der Bäume gesunde Baumkronen hat. Im Jahr 2022 seien noch etwa 28 Prozent der Bäume völlig gesund gewesen. 36 Prozent (2022: 34 Prozent) der Bäume weisen dem Bericht zufolge mittlere und 39 Prozent (2022: 38 Prozent) sogar starke Verluste von Nadeln und Blättern auf.
Hier finden Sie die Ergebnisse des Vorgänger-Waldzustandsberichtes 2022.
Sorge bereitet der Landesregierung nicht nur der Blick in die Baumkronen, sondern auch der Blick auf den Waldboden. „Die Wurzel-Verluste aus den Dürrejahren werden nicht in wenigen Monaten ausgeglichen. Dazu kommt der Befall durch Insekten und Pilze“, so Gorißen.
Welche Baumarten sind besonders betroffen?
Von den vier Haupt-Baumarten in NRW – Eiche, Buche, Kiefer und Fichte – habe sich im Jahr 2023 nur der Zustand der Fichten verbessert, den anderen gehe es deutlich schlechter, sagte Ralf Petercord, Waldexperte im Landwirtschaftsministerium. Der positive Trend bei den Fichten habe aber einen traurigen Hintergrund: Die älteren Fichten seien inzwischen fast alle abgestorben, die jungen Fichten seien deutlich vitaler. Dass der Borkenkäfer in NRW nicht mehr so wüten kann wie in den Vorjahren, hänge ebenfalls mit dem Schwund der Fichten zusammen.
Der Zustand der Eichen hat sich stark verschlechtert. Nur sieben Prozent der Eichen sehen gesund aus. 2022 waren es noch 14 Prozent, also doppelt so viele. Die Buche leidet wie in den Vorjahren besonders unter der Folge von Trockenheit. Nur ein Fünftel, also 20 Prozent, ist gesund – 2022 waren es noch 24 Prozent. Die Kiefer reiht sich ein in diese Katastrophenbilanz: Nur noch zwölf Prozent dieser Bäume seien gesund, so die Landesregierung.
Warum hilft der Regen den Bäumen nicht?
Ein nasses Jahr ist offenbar zu wenig für eine Trendwende. „Die Witterungsextreme der vergangenen fünf Jahre haben zu extremen Waldschäden geführt“, führte Gorißen aus. Sie meint damit Hitze, Stürme, Trockenheit sowie den Borkenkäfer. In den kommenden Jahren müsse in NRW eine Fläche von 142.500 Hektar wieder bewaldet werden, weitere 250.000 Hektar Waldfläche müssten besser an die Folgen des Klimawandels angepasst werden.
Gibt es Hoffnung für die Wälder?
Das halten Experten für möglich. Das schlechte Gesamtergebnis 2023 erkläre sich durch die langsame Reaktion der Wälder auf die Niederschläge der vergangenen Monate“, so Ralf Petercord. Die Zahl der Knospen und damit die Zahl der Blätter sei schon im Jahr 2022 „vorbestimmt“ gewesen, also in einem trockeneren Jahr. Petercord rechnet wegen des nassen Jahres 2023 mit einer „deutlichen Verbesserung“ bei Knospen und Blättern im kommenden Jahr.
Wie sollte der Wald der Zukunft aussehen?
Favorisiert werden in NRW „klimaresiliente Mischwälder“ mit jungen heimischen Bäumen und mit Bäumen aus anderen Klimazonen, zum Beispiel Atlas- und Libanonzeder, Baumhasel, Mammutbaum oder Hemlocktanne.
Was sagen Naturschützer?
Heide Naderer, Vorsitzende des Naturschutzbundes NABU in NRW, fordert im Namen ihrer Mitstreiter ein neues Landeswaldgesetz, das auf Ökologie und Naturverträglichkeit setzt. Für einen erfolgreichen Schutz der biologischen Vielfalt sowie einen wirksamen Klimaschutz brauche NRW zudem mehr Wälder ohne Holznutzung. „Dazu sollten zehn Prozent der Waldfläche in NRW in Wildnisentwicklungsgebiete umgewandelt werden“, so Naderer.
Wie hilft NRW den Waldbesitzern?
NRW erleichtere den Umbau zu Mischwäldern durch eine „Wiederbewaldungsprämie“: Für 400 gepflanzte Bäume gebe es 800 Euro Unterstützung pro Hektar, versicherte Ministerin Gorißen.
Allerdings fühlen sich viele Betroffene von der Förder-Bürokratie überfordert. Ministerin Gorißen bittet um Verständnis für die „komplexen“ Förderanträge. Der sorgsame Umgang mit Steuergeld mache dies nötig.
Unklar sei derzeit noch, ob das Haushalts-Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Fördermöglichkeiten künftig schmälern könnte.
Das Land biete den Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern fachlichen Rat und informiere auf dem Informationsportal www.waldinfo.nrw.
Die Regierung setzt beim Umbau der Wälder auf die Hilfe von Jägern. Warum?
Für die Wiederaufforstung sollten Waldeigentümer das „Zusammenspiel“ mit Jägerinnen und Jägern suchen, rät Tim Scherer, Leiter des Landesbetriebes Wald und Holz. Rehe und Hirsche könnten gerade den jungen Bäumen großen Schaden zufügen.
Steht NRW weiter zu Windkraft auf Waldflächen?
Ja, der schlechte Zustand der Wälder ändert daran nichts. „Wir brauchen einen Ausbau der Windenergie. Die Ausbauziele werden wir nicht erreichen, wenn wir nicht auch die Waldfläche dafür nutzen. Dafür eigenen sich besonders die Kalamitätsflächen und Nadelwald“, erklärte Gorißen. Die Besitzer geschädigter Waldflächen hätten dann die Chance, einen Teil ihrer Verluste auszugleichen.
Zahlen zum Wald in NRW
Rund ein Drittel der NRW-Landesfläche ist mit Wald bedeckt. Davon sind 63 Prozent in Privatbesitz. Der Wald in NRW besteht zu 58 Prozent aus Laubbäumen, meist Buchen und Eichen. Auf 42 Prozent der Waldfläche wachsen Nadelbäume, vor allem Fichten.
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