Siegen/Bad Laasphe. Zeugen aus Bad Laasphe berichten vor Gericht von ihrer Angst vor dem Serientäter. Die Taten schreibt er einem gottgleichen Auftraggeber zu.

Zweimal nur huscht ein Lächeln über das Gesicht des ansonsten absolut stoisch wirkenden Mannes auf der Anklagebank. Beide Male sagen im Zeugenstand zwei Menschen aus, die ihn kennen und ihm offenbar freundlich gesinnt sind, auch wenn ein Schaden entstanden ist. Der Inhaber und ein Mitarbeiter von „Hakan’s Essbar“ sind geladen, um vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts in Siegen zu berichten, was sie gehört und gesehen haben rund um die Sachbeschädigungen, die dem 33-Jährigen zur Last gelegt werden. Es geht um die Zerstörung der Schaufensterscheibe des Imbisses an der Bad Laaspher Königstraße und auch um den Zerbruch von Scheiben an der Laaspher Filiale der Bäckerei Müller. Nur ein Bruchteil all der Vorfälle, mit denen der aus Afghanistan stammende Angeklagte seit Oktober 2023 immer wieder im Kurstädtchen an der Lahn aufgefallen ist, und zwar zunehmend unangenehm.

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Im Verlauf dieses zweiten Verhandlungstags wird am Montagvormittag deutlich, wie unberechenbar und auch mit welchem Aggressionspotenzial der Beschuldigte monatelang agierte. Getrieben augenscheinlich von einem göttlich-transzendenten Auftraggeber, dem „Strom“.  Das Gericht muss in den kommenden Wochen prüfen, ob der Angeklagte dauerhaft in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden kann; augenblicklich wird er in der forensischen Psychiatrie der LWL-Klinik in Lippstadt-Eickelborn behandelt.

In Bad Laasphe wurden erneut Gebäude mittels Steine beschädigt. 
In Bad Laasphe wurden erneut Gebäude mittels Steine beschädigt.  © Stadt Bad Laasphe | Jens Gesper

Es war also ganz und gar nicht trivial, wenn die Vorsitzende Richterin Elfriede Dreisbach bei all jenen Zeuginnen und Zeugen, die unmittelbar im Kontakt mit dem Beschuldigten waren, immer wieder nachfragte, in welchem Zustand sie den 33-Jährigen angetroffen oder erlebt hätten. Die Antworten fielen unterschiedlich aus. Da war zum Beispiel die 26-jährige Polizistin, die „eigentlich einen recht guten Draht“ zu dem Mann hatte. Lange Zeit habe sie gesehen, „dass er an der Straße rumstand – in seiner roten Jacke und dem Elchpulli“. Habe ihm nicht der „Strom“ befohlen, irgendeine Aktion zu tätigen, dann sei es „Schatzi“ gewesen. Er hätte beteuert, „er würde nix kaputt, sondern die Welt schöner machen“. Die Beamtin war etwa vor Ort, nachdem am Abend des 10. November 2023 im Umfeld des griechischen Restaurants Ouzo an der Lahnstraße bei gleich drei Autos die Scheiben kaputtgeschlagen wurden.

Angst und ein unsicheres Gefühl

Zu letzteren Vorfällen wurden am Montag mehrere Zeuginnen befragt, stets auch bezüglich der Höhe des entstandenen Schadens. Dass dieser nicht allein finanzieller Natur war, wurde besonders deutlich in den Aussagen einer 60-Jährigen aus Bad Laasphe. Schlimm sei gewesen, dass die Heckscheibe zersplittert war und überall Scherben waren, das Auto erst einmal unbenutzbar war („es war ja am Regnen“), ein Leihwagen hermusste. Aber sie „hätte ja auch in dem Auto sitzen können“, so die Zeugin. „Das hat mich sehr geschockt.“ Die Angst oder mindestens ein unsicheres Gefühl habe sie so bald dann nicht überwinden können.

„Er hat in seiner eigenen Welt gelebt und war immer ein bisschen abwesend.“

Polizist
in Zeugenaussage

Innerlich alarmiert war 14 Tage später auch die 52-Jährige, die mit ihrem Auto auf der Laaspher Durchgangsstraße zum Einkaufen fahren wollte. „Ich sah am Straßenrand einen Herrn, der sich auffällig benommen hat“, gab sie zu Protokoll. Der Mann („in auffällig roter Jacke“) habe mit einem Straßenschild mit Tempo-30-Angabe hantiert, und sie sei vorsichtshalber schon etwas weiter in der Straßenmitte gefahren. Wenig später habe das Schild etwa 20 Meter vor ihrem Auto auf der Straße gelegen. Sie habe sich nicht getraut anzuhalten („ich hatte Angst“) und sei gleich zur Polizeiwache gefahren, um den Vorfall zu melden.

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Den Angeklagten zu befragen, sei in der Regel schwierig gewesen, so ein als Zeuge geladener 23-jähriger Polizist. Der Afghane habe „quasi in seiner eigenen Welt“ gelebt, sei „immer so ein bisschen abwesend“ gewesen. Weil ihm „der Strom“ gesagt habe, dass er draußen seine Runde drehen solle („das war seine tägliche Abendroutine“), habe er ja selbst „nichts gemacht“, so dessen Sichtweise.

„Mit der roten Jacke als Anhaltspunkt“

Als am 30. November 2023 an der Brückenstraße 17 einige Mülleimer gebrannt hätten und klar geworden sei, dass der 33-Jährige wieder im Stadtgebiet unterwegs sei, hätten die Beamten nach ihm gefahndet. „Mit der roten Jacke als Anhaltspunkt.“ Sie hätten ihn dann nahe der Sparkasse angetroffen („von der Route passte das“), auch dort habe ein Mülleimer in Flammen gestanden. Zum wiederholten Mal sei die Zwangseinweisung in eine psychiatrische Klinik die Folge gewesen.

„Wir kennen uns. Wir haben ihm geholfen – mit ihm geredet, ihm Essen gegeben.“

Imbissbudenbesitzer
in Zeugenaussage

Oft habe sich der Beschuldigte, kaum aus der Psychiatrie entlassen, zurück in Bad Laasphe erneut strafbar gemacht, sagte im Zeugenstand eine der Mitarbeiterinnen des Laaspher Ordnungsamts, die bei einer Zwangseinweisung stets dazu gerufen werden. Sie habe den Angeklagten bei diesen Einsätzen immer „sehr aggressiv“ erlebt; habe sie ihn in der Stadt gesehen, sei sie bewusst auf Abstand gegangenen. Das erste Mal habe der Afghane am 9. April 2023 in einer Klinik untergebracht werden müssen, berichtete die jüngere der beiden Kolleginnen. Damals habe er seine Schwester geschlagen und von Selbstmordabsichten gesprochen.

Mit mulmigem Gefühl durch Bad Laasphe gegangen

Die Situation sei eskaliert und der Angeklagte „sehr wirr“ gewesen. Fast im Zwei-Wochen-Rhythmus sei es dann zu weiteren, zum Teil selbstverletzenden Taten gekommen, im Laufe der Zeit zum Einwerfen von Scheiben und dem Anzünden der Mülleimer, so die 25-Jährige. Auch bei ihrer damaligen Wohnung in der Laaspher Innenstadt habe der Angeklagte mit einem Stein ein Fenster eingeschlagen, im Supermarkt „wirre Dinge“ von Vergewaltigung gesagt. Sie sei dann durchaus mit einem „mulmigen Gefühl durch Laasphe gegangen“. Allerdings gehöre der Umgang mit solcherlei Situationen zu ihrem Beruf „leider dazu“.

„Immer freundlich.“ So beschrieb der am Montag als letzter Zeuge geladene Imbissbudenbesitzer den Beschuldigten. „Wir kennen uns. Wir haben ihm geholfen – mit ihm geredet, ihm Essen gegeben.“ Auf die Frage der Vorsitzenden, ob E. ihm leidgetan habe, antwortete der 52-jährige Koch: „Ja, klar. Das ist Krankheit.“ - Fortgesetzt wird der Prozess am Donnerstag, 16. Januar, ab 9.30 Uhr erneut im Raum 165 am Siegener Landgericht.