Bad Laasphe/Siegen. Ein außergewöhnlicher Fall kommt vor die große Strafkammer am Landgericht Siegen. Wie der Mann Rathaus und Bevölkerung in Bad Laasphe tyrannisierte.

Fälle wie dieser kommen üblicherweise nicht vor eine große Strafkammer. Doch im Fall dieses Mannes ist das anders. Er gilt bei Staatsanwaltschaft und auch Polizei als Intensivtäter, weil er seit Oktober 2023 zahlreiche Sachbeschädigungen, Beleidigungen und Widerstand dagegen Vollstreckungsbeamte begangenen hat. Nur reichte dies bislang nicht aus, um den Mann in Haft zu nehmen. Doch inzwischen herrscht Ruhe. „Zuletzt wurde er am 5. Juli aktenkundig. Seit dem 11. September ist er in einer Einrichtung untergebracht“, bestätigt der Sprecher der Kreispolizeibehörde, Niklas Zankowski. Es handelt sich um einen Mann mit Flüchtlingsstatus, der möglicherweise an einem schweren psychischen Trauma leidet.

Acht Verhandlungstage

Das Landgericht Siegen kündigt nun unter dem Aktenzeichen 21 KLs 9/24 ein Verfahren vor der 1. großen Strafkammer an. Das Ungewöhnliche: Solche Straftaten sind üblicherweise Sache von Amtsgerichten, da der Strafrahmen Geldstrafen oder eine Haftstrafe von bis zu sechs Monaten vorsieht. Im aktuellen Fall könne es aber auch auf eine dauerhafte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hinauslaufen, erläutert die Sprecherin des Landgerichtes Siegen, Richterin Franziska Heerwig. „Der Mann ist auch nicht angeklagt. Es handelt sich um einen Antrag der Staatsanwaltschaft zur Sicherungsverwahrung, weil die Staatsanwaltschaft davon ausgeht, dass der Mann bei den Taten nicht schuldfähig war“, so Heerwig. Das fällt dann aufgrund der Schwere der Sanktion und der Vielzahl der Straftaten, die der Mann begangen haben soll, in die Zuständigkeit des Landgerichtes.

Acht Verhandlungstage wurden angesetzt, weil sich die große Strafkammer unter dem Vorsitz von Richterin Elfriede Dreisbach um jeden einzelnen Fall kümmern muss, um dem Mann nachzuweisen, dass er dafür verantwortlich ist. Selbst ein Geständnis würde nicht ausreichen, weil man im Falle einer Schuldunfähigkeit auch dessen Richtigkeit anzweifeln muss. Neben vielen Zeugen werden auch Gutachter gehört werden, ehe eine Entscheidung über die dauerhafte Unterbringung gefällt wird.

„Solange es aber bei Sachbeschädigungen bleibt, reicht das nicht aus, um jemanden in Haft zu nehmen.“

Patrick Baron von Grotthuss
Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Siegen

Schlagzeilen machte der inzwischen 33-jährige Mann immer wieder. Speziell als er im Januar 2024 eine Spur der Verwüstung durch Bad Laasphe gezogen haben soll. Damals soll er innerhalb einer Woche zweimal die Scheiben des Autos von Diana Hoffmann eingeschlagen haben. Beim zweiten Mal hatte die Bad Laaspherin ihr Auto gerade aus der Werkstatt geholt, als ein 40 Kilogramm schwerer Mauerstein im Kofferraum landete. „Wann hört das endlich auf?“, fragte sie im Gespräch mit der Redaktion. Mittlerweile habe sie Angst, allein im Dunkeln das Haus zu verlassen. „Was muss noch passieren, bis er endlich festgenommen wird?“ Doch so einfach war der Beschuldigte gar nicht aus dem Verkehr zu ziehen. Das hatte auch der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Patrick Baron von Grotthuss, erläutert: „Die Frage der Gefahrenabwehr stellt sich, aber solange es aber bei Sachbeschädigungen bleibt, reicht das nicht aus, um jemanden in Haft zu nehmen“, erläuterte er das juristische Problem.

In Bad Laasphe wurden erneut Gebäude mittels Steine beschädigt. 
In Bad Laasphe wurden erneut Gebäude mittels Steine beschädigt.  © Stadt Bad Laasphe | Jens Gesper

Dass der Mann am Ende doch zumindest bis zum Prozess in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen wurde, hängt auch mit der Vielzahl der Delikte zusammen. Dreimal soll der Angeklagte beispielsweise die Eingangstür des Bad Laaspher Rathauses und ein Fenster des Sozialamtes eingeschlagen oder mit Steinen eingeworfen haben. Er beschädigte laut Anklage auch das Jobcenter, das Schaufenster der Bäckerei Müller in der Königstraße und steht im Verdacht, auch am Haus der Bürgeraktionsgemeinschaft Schöne Altstadt schweren Schaden angerichtet zu haben. Außerdem wird er verdächtigt, Feuer in mehreren Mülleimern in der Stadt und auch in der Flüchtlingsunterkunft gelegt zu haben, in der er untergebracht war. Der Sachschaden, der bei diesen Taten entstanden ist, geht in die zehntausende Euro.

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Erinnerung an Fall aus Lüdenscheid

Der Fall erinnert an den einer zur Tatzeit 21-jährigen Frau, die in Lüdenscheid als Serienbrandstifterin aufgefallen war. Das Amtsgericht Lüdenscheid hatte die Angeklagte am 5. November wegen Sachbeschädigung in 39 Fällen, inklusive zweier versuchter Sachbeschädigungen, zu zwei Jahren Jugendstrafe ohne Bewährung verurteilt und dabei eine „krankheitsbedingt verminderte Schuldfähigkeit“ der jungen Frau berücksichtigt, die auf freiem Fuß bleibt. Die Angeklagte hat aber Berufung eingelegt.

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Die Brandserie hatte weit über Lüdenscheid hinaus für Aufsehen gesorgt. Auch, weil die Polizei im Märkischen Kreis von einer deutlich größeren Zahl an Taten ausgeht. Allein zwischen August 2022 und Oktober 2024 habe es im gesamten Stadtgebiet Lüdenscheid 268 Containerbrände gegeben. Die Angeklagte werde in 191 Fällen als Tatverdächtige geführt, so die Polizei im Märkischen Kreis. Die Containerbrände waren offenbar auch nach dem Prozessstart am 2. Oktober weitergegangen.