Wittgenstein. Smartwatches erkennen Stürze und setzen automatisch Notrufe ab. Wittgensteiner Ärzte erklären, für wen das besonders hilfreich sein kann.

Bei einem Sturz wird automatisch ein Notruf über die Uhr am Handgelenk abgesetzt – das können mittlerweile neuere Serien der Smartwatches. Sie sind mit einer automatischen Notruffunktion und einer Sturz- oder Unfallerkennung ausgestattet.

„Das ist etwas Positives. Es ist nicht immer ein Telefon in der Nähe, wenn man fällt“, sagt die Berleburger Allgemeinmedizinerin und Hausärztin Helga Roessiger. „Ältere Menschen profitieren davon.“ Anders als bei den üblichen Hausnotruf-Knöpfen, die es für das Handgelenk oder als Kette gibt, muss bei einem automatischen Notruf über die Smartwatch im Ernstfall nicht mehr aktiv ein Knopf gedrückt werden.

Wenn nicht reagiert wird, alarmiert die Smartwatch die Rettungskräfte

Apple Watches haben dieses automatische Notrufsystem, das ähnlich wie bei den Autos funktioniert. Erkennt die Uhr einen Sturz, folgt ein Alarm und eine Meldung auf der Uhr. Hier kann angetippt werden, ob ein Notruf an die Rettungskräfte gesendet werden soll oder ob nichts passiert ist. Wenn sich die gestützte Person ungefähr eine Minute lang nicht bewegt, werden automatisch die Rettungskräfte alarmiert, erklärt der Hersteller Apple auf seiner Internetseite. Dann werde ein Countdown von 30 Sekunden gestartet, der durch Tippen abgebrochen werden kann. Nach Ablauf des Countdowns wird der Rettungsdienst informiert und die Koordinaten des aktuellen Standortes durchgegeben. Nach dem Anruf an den Rettungsdienst werden die im Handy eingegebenen Notfallkontakte informiert, heißt es weiter von Apple.

„Eine sinnvolle Sache. Allerdings sind Smartwatches und Apple Watches nicht so verbreitet unter den älteren Menschen. Das fängt schon bei den Handys an. Solche Uhren sieht man öfter an den Handgelenken von jüngeren Leuten.“

Helga Roessiger
Hausärztin in Bad Berleburg

Die Sturzerkennung sei bei Nutzern ab 55 Jahren automatisch aktiviert. Sie kann aber manuell ausgeschaltet werden. Wenn aus Versehen der Rettungsdienst alarmiert wurde, weist der Hersteller an, nicht aufzulegen, sondern den Mitarbeitern des Rettungsdienstes am anderen Ende der Leitung mitzuteilen, dass man keine Hilfe benötige.

Auch der Puls kann überwacht werden

Auch bei Smartwatches anderer Hersteller gibt es eine Notfallfunktion. Bei den neuen Modellen der Galaxy Watch von Samsung können Notfallkontakte hinterlegt werden, die bei einem Sturz benachrichtigt werden. Die Smartwatches können außerdem den Herzschlag überwachen und sollen so Herzrhythmusstörungen erkennen können.

„Als Arzt finde ich das sinnvoll. Es wäre schön, wenn man das flächendeckend hätte. Das ist noch utopisch, da die Uhren sehr teuer sind.“

Sven Janson
Facharzt für Innere Medizin

„Als Arzt finde ich das sinnvoll. Es wäre schön, wenn man das flächendeckend hätte“, sagt Sven Janson, Facharzt für Innere Medizin, der in Bad Berleburg eine Arztpraxis hat. „Das ist noch utopisch, da die Uhren sehr teuer sind.“ Vor allem für Menschen mit Herzrhythmusstörungen oder Diabetes sieht der Arzt die Notruffunktionen der Smartwatch als hilfreich an. Die Apple Watch könne zum Beispiel ein EKG aufzeichnen, so der Arzt. In der Praxis habe er aber nur „wenig Leute, die das haben“. Aber auch für gesunde Menschen kann der Notruf über die Smartwatch lebensrettend sein: „Wenn im Wald oder beim Wandern jemand stürzt, müssen wir als Notarzt oft erst suchen. Deswegen ist es sinnvoll, dass man die Position mit der Uhr tracken kann“, sagt Janson.

Auch für Ärztin Helga Roessiger sind die Smartwatches eine „sinnvolle Sache“, auch wenn sie so einen Fall selbst noch nicht erlebt hat. „Allerdings sind Smartwatches und Apple Watches nicht so verbreitet unter den älteren Menschen. Das fängt schon bei den Handys an. Solche Uhren sieht man öfter an den Handgelenken von jüngeren Leuten“, sagt Roessiger. Und sie hat noch einen weiteren Kritikpunkt: „Wer weiß, was mit den Daten passiert, die dann durch die Gegend herumgeistern.“

Notrufe über Smartwatches selten in Wittgenstein

Verbreiteter sei in Wittgenstein der Hausnotruf, der von den Pflegediensten und Hilfsorganisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz, den Johannitern oder den Maltesern angeboten wird. Gegen eine monatliche Gebühr kann über den Hausnotruf rund um die Uhr per Knopfdruck Hilfe gerufen werden. „Das kann der ambulante Pflegedienst sein, Angehörige oder Nachbarn, die werden dann alarmiert“, erklärt Roessiger. Wenn sich die Person über einen bestimmten Zeitraum nicht meldet, werden die Notfallkontakte ebenfalls informiert. Deswegen müsse man beim Hausnotruf jeden Morgen einen Knopf drücken, der signalisiert, dass alles in Ordnung ist, so die Ärztin.

„Die Leitstelle erhält dann einen Sprachanruf, in dem die Koordinaten des Sturzes angegeben werden.“

Jana Göbel
Pressesprecherin des Kreises Siegen-Wittgenstein

Bei der Leitstelle des Kreises Siegen-Wittgenstein sind Notrufe über Smartwatches noch eine Seltenheit. Anders als bei den automatischen Notrufen von Autos, den sogenannten E-Calls, die über einen dafür vorgesehenen Decoder kommen und darüber ausgewertet werden können, gehen die Notrufe von Apple- oder Smartwatches als Anruf über die Handynummer ein, mit der die Uhr verknüpft ist, erklärt die Pressestelle des Kreises. „Die Leitstelle erhält dann einen Sprachanruf, in dem die Koordinaten des Sturzes angegeben werden, die über das sogenannte AML (advanced mobile location) ausgewertet werden“, erklärt Pressesprecherin Jana Göbel. Die genaue Anzahl der Notrufe von Apple- oder Smartwatches könne nicht ohne weiteres ausgewertet werden, heißt es weiter. „Solche Anrufe sind aber relativ selten“, so Göbel.

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