Bad Laasphe. Schöffengericht in Berleburg verurteilt 26-Jährigen zu Haftstrafe ohne Bewährung, weil er seiner Ehefrau mehrere Messerverletzungen zugefügt hat.

Mit Fußfesseln und in Begleitung von zwei Justizbeamten wird der Angeklagte am Freitag in den Gerichtssaal des Amtsgerichts geführt. Schon seit September befindet sich der 26-Jährige aufgrund mehrerer Tatvorwürfe in Haft, jetzt folgt seine Gerichtsverhandlung. Und die endet erst am Freitagabend - mit einer Haftstrafe für den Angeklagten.

Im Zeitraum vom 18. Juni bis zum 20. August 2024 soll der Angeklagte fünfmal Kontakt zu seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau aufgenommen haben. Das tat er, obwohl schon im Mai eine einstweilige Anordnung vor dem Amtsgericht Bad Berleburg ausgesprochen worden war, die ihm sowohl die physische Annäherung an seine Ehefrau, als auch die Kontaktaufnahme zu ihr untersagte. Grund für den Beschluss waren mehrere Vorkommnisse zu Beginn des Jahres: Der 26-Jährige soll seiner Frau gedroht haben, sie „abzuschlachten“ und sie mehrfach über Messenger-Dienste beleidigt haben. Die geschädigte 27-Jährige nahm seine Morddrohung ernst und wandte sich im Mai an die Polizei. Trotz der gerichtlichen Anordnung schrieb der Angeklagte der Geschädigten in den darauffolgenden Monaten über verschiedene soziale Netzwerke Nachrichten. Laut den Screenshots aus der Akte handelte es sich bei den Konversationen um einseitige Chats, die durch die Geschädigte immer schnell beendet wurden. Nur die letzte Kontaktaufnahme, am 20. August gegen 23.30 Uhr, war anders: Hier schrieb der Beschuldigte, er habe ein Geschenk für den gemeinsamen Sohn an der Mülltonne ihres Wohnhauses deponiert. Er bat sie, das Geschenk zu holen und versicherte, sich selbst nicht mehr in der Umgebung zu befinden. Seine Ehefrau ging daraufhin nach draußen zu den Mülltonnen, während der 26-Jährige sich auf der anderen Hausseite versteckt hielt und die geöffnete Haustür nutzte, um hineinzugehen. Bis hier hin decken sich die Angaben der Eheleute.

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„Er hat sie zurückgezogen und wollte sie beruhigen.“

Rechtsanwalt Pindur
über das „Gerangel“ der Eheleute

Der Rechtsanwalt des Beschuldigten Christoph Pindur erläutert den Ablauf des 20. August aus Sicht seines Mandanten: „Er hat dann gesagt, er wolle seinen Sohn sehen“, beschreibt Pindur das Aufeinandertreffen des Paares. Sein Mandant sei lediglich in die Wohnung gegangen, um nach seinem zweijährigen Kind zu schauen, doch dann habe seine Ehefrau ein Küchenmesser ergriffen und damit versucht, ihn aus der Wohnung zu zwingen. Der Angeklagte habe ihr das Messer weggenommen und sie im „Schwitzkasten“ gehalten, um sie am Schreien zu hindern. „Er hat sie zurückgezogen und wollte sie beruhigen“, so der Rechtsanwalt. Während diesem Gerangel, sei er mit dem Messer „unabsichtlich“ an die linke Hand und an die rechte Halsseite der Frau gekommen, wobei es zu den Schnittverletzungen kam. Als er die Verletzung bemerkte, habe er sofort das Messer fallengelassen und sei weggelaufen. Die beleidigenden Nachrichten und die Morddrohungen will der Beschuldigte nicht verfasst haben. Hier weist sein Verteidiger auf das Fehlen einer Mobilnummer auf den Screenshots in der Akte und den uneindeutigen Ursprung der Bilder hin.

Einsatz in der Bad Laaspher Schlossstraße:  Am 21. Januar steht ein Fahrzeug der Spurensicherung und ein Streifenwagen stehen vor der Tür. Im Erdgeschoss des Hauses sind sämtliche Rollladen heruntergelassen. Dahinter sind Polizeibeamte im Einsatz.
Einsatz in der Bad Laaspher Schlossstraße:  Am 21. Januar steht ein Fahrzeug der Spurensicherung und ein Streifenwagen stehen vor der Tür. Im Erdgeschoss des Hauses sind sämtliche Rollladen heruntergelassen. Dahinter sind Polizeibeamte im Einsatz. © WP | Lars-Peter Dickel

Die Geschädigte trägt vor Gericht eine andere Version der Tatnacht vor: Direkt zu Beginn ihres Zusammentreffens, habe der Beschuldigte ihr das Handy abgenommen. Er habe dann auch keine Anstalten gemacht, zu seinem Sohn zu gehen, sondern sei in die Küche gegangen und habe selbst das Messer ergriffen. Sie sei daraufhin zur Wohnungstür gelaufen, um zu fliehen und um Hilfe zu rufen, aber er habe sie gepackt, festgehalten und absichtlich mit dem Messer angegriffen. Bei dem Versuch, sich zu schützen, habe sie ihre linke Hand vor ihren Hals gehalten, wobei eine 1,5 Zentimeter tiefe Schnittwunde an ihrer Hand und auch ein mehrerer Zentimeter langer Schnitt an ihrem Hals entstanden ist. An die Zeit nach dem Angriff könne sie sich nicht mehr eindeutig erinnern. „Er war gekommen, um mich zu töten“, ist die 27-jährige Mutter überzeugt. Heute lebe sie mit ihren vier Kindern versteckt, weil sie immer noch Angst vor dem Angeklagten und seiner Familie habe. Im Nachgang der Tat habe dieser ihre Angehörigen mithilfe ihres gestohlenen Handys kontaktiert und auch ihnen gedroht. „Es gibt nichts, was rechtfertigen könnte, was er mir angetan hat“, so die Geschädigte, deren Wunden genäht werden mussten und sichtbare Narben hinterließen. Ihr Ehemann habe sie aber auch schon früher geschlagen und oft belogen, sie wolle nichts mehr mit ihm zu tun haben.

„Es gibt nichts, was rechtfertigen könnte was er mir angetan hat.“

Geschädigte
über ihren Ehemann

Der Vorfall am 20. August verlief nicht still und heimlich, eine Nachbarin hörte Stimmen und Schreie und verständigte die Polizei. Als die Beamten eintrafen, fanden sie eine vestörte Frau und eine Wohnung mit zahlreichen Blutspuren vor. Die umfangreichen Ermittlungen der Beamten aus Siegen und Hagen ergaben, dass auf Grundlage der Indizien beide geschilderten Tatverläufe möglich sind. Das „gebrochene Englisch“ der Geschädigten, das ständige Kommunizieren mittels Dolmetscher und ihre instabile Verfassung nach der Tat sorgten außerdem für Ungereimtheiten in ihrer Version des Tathergangs. Dennoch ist sich der Staatsanwalt sicher: „Er hat sie drangsaliert und terrorisiert.“ Er wertet die Angaben des Angeklagten als „reine Schutzbehauptung“: „Der Angeklagte ist mit besonderer Brutalität vorgegangen.“ Aus diesem Grund plädiert er auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Auch die Rechtsanwältin der Nebenklage betont die Schwere der Schuld des 26-Jährigen. „Man möchte sich nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn sie nicht ihre Hand davor gehalten hätte.“ Sie geht von einem versuchten Tötungsdelikt aus.

„Man möchte sich nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn sie nicht ihre Hand davor gehalten hätte.“

Rechtsanwältin Dr. Bald
geht von einem versuchten Tötungsdelikt aus

Strafverteidiger Pindur sieht das anders: „Die Verletzungsbilder sprechen für die Einlassung des Angeklagten“, erklärt Pindur. Letztlich zählen nur die Fakten: „Es geht nicht darum, sich zusammenzureimen, was passiert sein könnte.“ Das Verhalten seines Mandanten spreche für seine Version der Tatnacht, weshalb er eine Gesamtfreiheitsstrafe von unter einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt wird, für angemessen halte.

Messer als Tatwaffe in Wittgenstein

Messer als Tatwaffe sind aktuell stark in der Diskussion und es gab auch Straftaten in Wittgenstein, wie diese Beispiele zeigen.

Am 20. August verletzte ein 25-jähriger Syrer seine von ihm in Bad Laasphe getrennt lebende Ehefrau (31) mit einem Küchenmesser und flüchtete. Er wurde Tage später auf der Flucht festgenommen.

Am 25. Juli 2024 kam es bei einer Auseinandersetzung zwischen zwei Syrern im Bad Berleburger Rathauspark zu einer gefährlichen Körperverletzung mit einem Messer. Ein 42-Jähriger hatte einen 34-Jährigen leicht verletzt.

Am 4. Dezember 2023 bedroht ein 18-Jähriger Jugendliche in Bad Laasphe mit einem Messer und leistet bei der anschließenden Festnahme erheblichen Widerstand.

Am 1. Dezember 2023 kam es in einem Bad Berleburger Ortsteil zu einem Angriff. Dabei hatte eine psychisch erkrankte, 30 Jahre alte Tochter ihre Mutter mit einem Messer angegriffen und verletzt. Der Vater hatte Schlimmeres verhindert.

Im Februar 2019 verletzte ein alkoholisierter Nordafrikaner zwei Sicherheitsmitarbeiter in einer Flüchtlingsunterkunft mit einem Messer und konnte von der Polizei überwältigt werden.

Im Mai 2018 bedrohte eine stark alkoholisierte 34-jährige Frau, die zudem auch unter Drogeneinfluss stand, in einem Mehrfamilienhaus Rettungskräfte mit einem Messer.

Im September 2011 zückte ein polizeibekannter 19-Jähriger in Erndtebrück ein Messer und bedrohte mehrere Jugendliche, ehe er festgenommen werden konnte.

lpd

Das Schöffengericht verurteilte den 26-Jährigen schließlich zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten. „Man kann ihm nicht vorwerfen, ihr die Verletzungen absichtlich zugefügt zu haben“, so Richter Torsten Hoffmann. Trotzdem hebt er insbesondere das direkte Tatnachverhalten des Angeklagten als strafverschärfend hervor, denn dieser kümmerte sich nicht um seine verletzte Frau und floh. Daher bleibt auch der aktuelle Haftbefehl des Amtsgerichts Siegen bestehen.

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