Bad Berleburg. Krankenhausreform: Wenn die Brustkrebs-Chirurgie wegfällt, gefährdet das die medizinische Grund-Versorgung von Frauen und Müttern
Es geht um die NRW-Krankenhausreform: Für den Klinikkonzern Vamed und die Akutklinik in Bad Berleburg hängt fiel von diesen Planungen ab. Klinikgeschäftsführer Elmar Knoche hatte noch Anfang September im Gesundheitsausschuss in Bad Berleburg seine große Sorge um den Fortbestand der Frauenheilkunde in Wittgenstein offen ausgesprochen.
Zwar ist der Krankenhausstandort Bad Berleburg für Wittgenstein gesichert, aber das heißt nicht, dass alle bisherigen Leistungen auch künftig an der Gontardslust angeboten werden können.
Kopfzerbrechen bereitet Knoche und seinem Team vor allem die Zahl 100. Das ist die Fallzahl, die eine Klinik in der Senologie künftig erbringen muss, um weiterhin die Zulassung für chirurgische Eingriffe an der weiblichen Brust zu haben. Bislang operiert Dr. Peter Dreyer mit seinem Team in Bad Berleburg rund 40 bis 55 Fälle pro Jahr und läge damit auf dem bisher gültigen Wert.
„Die Schnelligkeit, mit der Menschen einer Diagnose und Behandlung zugeführt werden können, ist ein Qualitätsmerkmal, nicht die Menge.“
Für Elmar Knoche ist dieser Wert von 100 Fällen nicht erklärbar. Es gebe keine wissenschaftlichen Studien, die bei der Steigerung der Menge der operierten weiblichen Brüste eine gleichzeitige Steigerung der Qualität nachweisen. Im Gespräch mit dieser Zeitung nennt er ein aus seiner Sicht viel wichtigeres Kriterium: „Die Schnelligkeit, mit der Menschen einer Diagnose und Behandlung zugeführt werden können, ist ein Qualitätsmerkmal, nicht die Menge.“ Am Beispiel einer Frau, die einen Tastbefund an ihrer Brust hat, macht Knoche deutlich, was die Bad Berleburger Klinik aktuell auszeichne.
Wenn die Frau in Bad Berleburg anrufe, werden sofort ein zeitnaher Termin gemacht. Dabei könne neben einer Überprüfung des Tastbefundes, einer Mammografie, eines Ultraschalls und einer Stanzbiopsie alles abgearbeitet werden, was für eine Diagnose wichtig sei. Durch die enge Zusammenarbeit mit dem Brustzentrum der Region, mit der Uniklinik Marburg, sei die Abteilung in Bad Berleburg in der Lage, Brustkrebspatientinnen in maximal 40 Tagen einer leitliniengerechten Behandlung zuzuführen.
Damit ist die Vamed-Akutklinik in Bad Berleburg nach eigenen Angaben weit schneller als viele andere Gesundheitsdienstleister. Die Recherche der Redaktion zeigt: „Wer beispielsweise eine Mammografie zur Brustkrebsdiagnose benötigt, muss sich in Niedersachsen bis zu 180 Tage und in einigen Regionen Bayerns sogar bis zu 248 Tage gedulden. Die verzögerten Diagnosen führen jedoch auch zu einem späteren Start von lebenswichtigen Behandlungen – mit verheerenden Folgen. Denn je früher ein Tumor erkannt wird, desto besser lässt sich das ungehemmte Zellwachstum zügeln“, schreibt das Journal Onkologie und gibt damit Knoches Einschätzung zur Bedeutung der Schnelligkeit bei Diagnose und Behandlungsqualität recht.
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Wenn in Bad Berleburg künftig keine Mama-Karzinome mehr operiert bzw. behandelt werden dürfen, hätte dies massive Auswirkungen für die Klinik und für Patienten. Das hatte die Bad Berleburger Frauenärztin Dr. Sandra Hartmann wie auch Elmar Knoche im Gesundheitsausschuss deutlich gemacht.
Wenn sich die Behandlungen in anderen Kliniken verlagere, beispielsweise nach Marburg, Siegen oder Olpe, bedeute das für die Frauen aus Wittgenstein und dem noch größeren Einzugsgebiet, die bislang in Bad Berleburg behandelt werden, weite und lange Fahrten. Zum Vergleich: Der für die Festlegung zuständige Gemeinsame Bundesausschuss hatte bei der Höherstufung von 50 auf 100 Fälle, eine Veränderung der Fahrzeit von 14 auf 18 Minuten bzw. von 10 auf 14 Kilometern als noch angemessen betrachtet. Von Wittgenstein sind Patienten aber zwischen 50 und 60 Kilometern und immer eine gute Stunde für eine einfache Fahrt unterwegs. Bei den an eine OP anschließenden 32 Chemotherapiesitzungen kämen leicht Fahrtkosten von rund 6000 Euro pro Patientin für die Krankenkassen zusammen, rechnet Knoche vor.
Eine weitere Folge für ein Aus der Senologie wäre, dass bis zu ein Drittel der Einnahmen aus der Abteilung Gynäkologie abgezogen werden. Das habe mittelfristig Auswirkungen auf das medizinische Personal und die Ausstattung. Am Ende könne das Aus für die „Rest-Gynäkologie“ und damit auch für die Geburtshilfe stehen.
„Wenn ein Krankenhaus eine Leistung anbietet, sollen die Abteilungen über ausreichend Erfahrung und Fachwissen in diesem Bereich verfügen.“
Weil von der Höherstufung rund 33 Krankenhaus-Standorte in NRW betroffen wären, müssten die verbliebenen rund 70 deren Fälle mit übernehmen. Und dann sei fraglich, ob diese die OP-Kapazitäten, die Ausstattung und das Personal dafür haben, so Knoche weiter.
Die heimische CDU-Landtagsabgeordnete Anke Fuchs-Dreisbach will nicht schwarz malen: „Der Prozess der Krankenhausplanung ist noch in vollem Gange. [...] Die Einführung von Leistungsgruppen stellt klare Qualitätsvorgaben sowie den tatsächlichen Bedarf in den Mittelpunkt. Wenn ein Krankenhaus eine Leistung anbietet, sollen die Abteilungen über ausreichend Erfahrung und Fachwissen in diesem Bereich verfügen. [...] Eine abschließende Entscheidung zu den Leistungsgruppen/Leistungsbereichen wurde noch nicht final getroffen. Aktuell gilt es die Auswertung der Stellungnahmen abzuwarten, bevor ich mich zu einzelnen Abteilungen der örtlichen Krankenhäuser äußern kann. Nach Abschluss der Auswertung des Ministeriums werden die Bezirksregierungen voraussichtlich Mitte Dezember den Krankenhäusern die dann verbindlichen Ergebnisse mitteilen“, schreibt Fuchs-Dreisbach auf Nachfrage der Redaktion und betont: „Mir ist eine gute, zukunftssichere medizinische Versorgung in unserer Region ein besonderes Anliegen.“