Arfeld. Die Feuerwehrleute üben eine Rettung unter Extrembedingungen: Ohne jegliche Sicht navigieren sie in Arfeld durch Rauch, um Leben zu retten.
Es brennt! Ein Gebäude ist stark verraucht, die Sicht ist unmöglich. In Teilen des Hauses breitet sich beißender Qualm aus, der hochgiftig ist und von dem ein tiefer Atemzug genügt, um lebensbedrohliche Probleme zu bekommen. Es werden noch Menschen im Gebäude vermisst, denen der Weg nach draußen abgeschnitten wurde. Jetzt zählt jede Minute.
Der Workshop
Beim ersten Atemschutzworkshop der Feuerwehr Bad Berleburg trafen sich im August 24 Atemschutzgeräteträger aus den Bad Berleburger Löschzügen und -gruppen, um in Themengebieten rund um den Atemschutz geschult zu werden. Der Workshop soll nicht nur Fähigkeiten und Fertigkeiten vertiefen und auffrischen, es sollen auch Multiplikatoren geschaffen werden, um in den anspruchsvollen Aufgabenfeldern eines Atemschutzgeräteträgers effizient und vor allem sicher arbeiten zu können. Wir durften die Kameraden begleiten und konnten ihre Eindrücke aufnehmen, mit den Einsatzkräften sprechen, Fragen stellen und bei der anspruchsvollen Fortbildung und den heiklen Aufgabenstellungen ganz nah dabei sein.
Hinter dem Feuerwehrgerätehaus in Arfeld wird genau so eine hochdramatische Situation, die im Ernstfall von den ehrenamtlichen Feuerwehrleuten aus den Bad Berleburger Einheiten gelöst werden muss, geprobt. Unter den strengen Augen der Atemschutzausbilder Peer Grund (Löschgruppe Schüllar-Wemlighausen) und Alexander Schmeck (Löschgruppe Berghausen) bereiten sich Marek Kautz (Löschzug Bad Berleburg) und Manuel Dickel (Löschgruppe Berghausen) für ihren Einsatz vor.
Die Vorbereitung
Zunächst rüsten die beiden sich mit einem schweren Atemschutzgerät aus. Dazu legen sie Masken an, die das Gesicht komplett abschließen und über die sie während des Einsatzes frische Luft aus einer Atemluftflasche bekommen, die sie währenddessen auf ihrem Rücken tragen. Somit können die beiden Feuerwehrleute eine gewisse Zeit lang arbeiten, ohne von der Umgebungsluft abhängig zu sein.
Doch mit dem Ausrüsten mit Atemschutz und dem Anlegen schwer entflammbarer Kleidung ist längst noch nicht alles getan: Beide tragen eine Tasche am Mann, in der sich ein zwanzig Meter langes Seil befindet. „Wo würdet Ihr anschlagen?“, wendet sich Peer Grund an das Atemschutzteam. Marek Kautz befestigt das Seil an einer festen Metallstange im Eingangsbereich außerhalb des Gebäudes. Dieses Seil sichert den Kameraden später den Rückweg aus dem völlig verrauchten Haus, in dem sie nichts mehr sehen können. „Hieran können die beiden einfach fassen und so den Weg nach draußen wiederfinden“, erklärt Peer Grund.
Er legt bei seinen Kameraden auch Wert darauf, dass sie die Atemschutzmasken erst bei Erreichen der Rauchgrenze mit dem Flaschenanschluss verbinden. Das heißt, da, wo auch die Verrauchung des Hauses beginnt. Die Meter bis dorthin können die Kameraden ohne Atemschutz gehen. Das schont Ressourcen und spart Kräfte.
Damit die beiden Einsatzkräfte möglichst realitätsnah arbeiten können, werden ihnen vor Eintritt in den fiktiv verrauchten Raum die Sichtfenster ihrer Atemschutzmasken mit Klebeband abgeklebt. „Man kann jetzt vielleicht noch hell und dunkel unterscheiden, mehr aber nicht“, erklärt Alexander Schmeck. Gleichzeitig geht er vor seinen Kollegen in den Raum, die jetzt bereits nichts mehr sehen und schaltet das Licht aus, um die Schwierigkeit zu erhöhen und den Übungseinsatz realistischer zu gestalten.
Die Szenerie
In diesem Falle handelt es sich um einen Spindraum der Feuerwehr Arfeld, den die beiden Kameraden nun nach einem vermissten Kind absuchen müssen. Dazu nutzen die beiden ihre Rettungsaxt, mit der sie nach links und rechts über den Boden fühlen. Auf allen Vieren geht es voran, einer vorweg und der zweite Kollege hinterher. Mit einer Hand fasst der Zweite seinem Vordermann an den Fuß, denn Sichtkontakt zueinander haben beide weder bei der Übung, noch im realen Brandeinsatz.
Auch in die offenen Spindfächer fassen beide Kameraden hinein, um einen Menschen, oder ein Kind, was dort Schutz gesucht hat, zu greifen und retten zu können. In einem der Spinde sitzt Ferdi, der kleine Sohn von Peer Grund, selbst in der Jugendfeuerwehr seines Heimatdorfes Wemlighausen aktiv.
Nach einiger Zeit Suche haben Marek und Manuel den vermissten Jungen gefunden und können ihn nun am Seil nach draußen führen und in Sicherheit bringen. Im realen Einsatz würden sie dem Jungen eine Fluchthaube aufsetzen, die auch über die Atemschutzflasche mit frischer Atemluft eingespeist werden kann.
Nachdem die beiden mit ihrem Schützling im Freien sind und sie ihre Masken wieder abnehmen können, ist ihnen die Anstrengung deutlich anzumerken. Alexander Schmeck und Peer Grund zeigen sich zufrieden mit der Leistung von Marek und Manuel und haben nur noch ein paar kleine Tipps, die sei den beiden mit auf ihren Weg geben: „Wenn ein Fenster im Raum ist und ihr davor steht, dann öffnet es doch, um den Qualm abziehen zu lassen. Dann bekommt Ihr mehr Sicht. Das macht man ja auch zu Hause, wenn das Essen mal angebrannt ist“, lacht Peer.
Feedback nach der Übung
Er und Alexander gehen noch mal auf die wichtigsten Dinge des Einsatzes ein und sprechen mit ihren Kameraden das optimale und risikoärmste Vorgehen ab. Dann ist der Einsatz für Marek und Manuel beendet und die beiden haben „eindrucksvoll“ unter Beweis gestellt, dass sie unter Atemschtz ein Leben retten können. Ferdi ist unterdessen schon wieder auf dem Weg in den Spindraum, um für das nächste Team „Opfer“ zu spielen.
„Ihr nehmt Euch einfach eine zweite Seiltasche mit, und wenn das erste Seil zu Ende ist, verbindet ihr beide miteinander.“
Für eines der nächsten Teams haben Peer und Alexander einen Fall konzipiert, der sie an ihre Grenzen führen wird, in dem sie Ferdi nicht retten können. „Hier sitzt Ferdi an einer Stelle, bis zu der das Seil nicht reicht. Sie können ihn dann nicht erreichen und müssen den Rückweg antreten“, erklärt Peer Grund. Als die Übung beendet ist, möchte Peer wissen, welche Möglichkeiten die Feuerwehrleute gehabt hätten, das Kind doch zu erreichen.
Die Lösung dazu ist so banal wie einfach und soll die Kameraden sensibilisieren: „Ihr nehmt Euch einfach eine zweite Seiltasche mit, und wenn das erste Seil zu Ende ist, verbindet ihr beide miteinander“, erklärt Peer. Denn eine Seiltasche habe jeder Atemschutzträger dabei und dann verdoppelt sich der Weg, den beide gesichert zurücklegen können. „Das stimmt! Das passiert uns nicht noch mal“, sind sich die beiden Feuerwehrleute sicher und dankbar für die Einspielung in der Übung.
Weitere Herausforderungen
Dies sind jedoch nicht die einzigen Herausforderungen für Feuerwehrleute, die unter schwerem Atemschutz im Einsatz sind. Durch den Brand, oder die örtlichen Gegebenheiten werden die Einsatzkräfte auch immer wieder mit sehr beengten Verhältnissen an der Einsatzstelle und vor allem in ihrem Tätigkeitsbereich konfrontiert. Oftmals kommen die Feuerwehrleute nur im Kriechgang vorwärts, oder müssen auf der Suche nach Menschen bauliche Barrieren, oder andere Hindernisse überwinden.
Um diese Situation nachempfinden zu können, hatten sich Peer Grund und Alexander Schmeck im Nachgang zur Atemschutzübung im Gerätehaus an ihrer Ausbildungsstation etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Mit voller Ausrüstung mussten die Feuerwehrkameraden ein Hindernisgestell durch- und überklettern und dabei manche anstrengende Körperhaltung in Kauf nehmen.
Jens Böttger, von der Löschgruppe Richstein zum Beispiel musste sich regelrecht winden und drehen, um mit seiner Atemluftflasche auf dem Rücken, der dicken Schutzkleidung und der Maske im Gesicht alle Engstellen des Holzaufbaus überwinden und durchklettern zu können.
Alle 24 Kameraden der Bad Berleburger Feuerwehren, die beim ersten „Atemschutzworkshop“ vor Ort waren, konnten ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten so auffrischen und erweitern.