Bad Laasphe. Bei schweren Verkehrsunfällen oder plötzlichen Todesfällen kommt Steffen Post dazu, um für Menschen in extremen Situation da zu sein.

Bei häuslichen Unfällen oder Sterbefällen, bei Verkehrsunfällen oder bei der Überbringung einer Todesnachricht kommen die Notfallseelsorger zum Einsatz. „Wir sind vor Ort da, um Menschen in einer schweren Lebenssituation nicht allein zu lassen. Die Eindrücke abzumildern, zuzuhören, zu schweigen, zu sprechen. Je nachdem, was die betroffene Person gerade braucht“, sagt Steffen Post. Der Pfarrer aus Bad Laasphe ist seit 2003 als Notfallseelsorger tätig und Synodalbeauftragter des Kirchenkreises für die Notfallseelsorge in Wittgenstein. Die Notfallseelsorge ist ein Angebot der Kirchen – Konfession, Religion und Nationalität spielen dabei aber keine Rolle.

„Ich schreibe mir die Eindrücke aus dem Kopf. Mir hilft es sehr, erst mal nach Hause zu kommen und das Protokoll zu schreiben. Ich habe mir viel von der Seele geschrieben.“

Steffen Post
über die Tätigkeit als Notfallseelsorger

In Wittgenstein sei die Lage „beschaulich“, sagt der 51-Jährige. Großschadenslagen gebe es selten. „Hier ist keine Autobahn, kein großer Bahnhof, kein Flughafen.“ Deswegen „machen plötzliche Todesfälle im häuslichen Umfeld dreiviertel unserer Einsätze aus“, sagt Post. Suizide und Verkehrsunfälle kommen ebenfalls vor oder die Überbringung einer Todesnachricht. „Im Schnitt haben wir einen Einsatz im Monat, etwa 14 bis 16 Einsätze im Jahr“, so Post. Das seien so viel wie im Siegerland in einem Monat passieren.

Kreisleitstelle alarmiert die Notfallseelsorger

Notfallseelsorger kommen nur zum Einsatz, wenn sie über die Leitstelle des Kreises alarmiert werden. Das Team des evangelischen Kirchenkreises im Altkreis Wittgenstein besteht aus sechs Mitgliedern und wird hauptsächlich durch „hauptamtliche Pfarrpersonen besetzt“, so Steffen Post. Für Ehrenamtliche sei die Notfallseelsorge eine besondere Herausforderung. „Sie müssen ausgebildet sein und brauchen nicht nur in der aktiven Zeit Begleitung, sondern auch danach. Sie könnten etwas erleben, das erst später wieder hochkommt“, sagt Post. „Als Pfarrpersonen haben wir durch die Kirche bestimmte Leitplanken und Tools bei belastenden Situationen. Jede Pfarrperson hat eine seelsorgerische Grundausbildung.“ Deswegen gebe es in Wittgenstein nur wenige ehrenamtlich Notfallseelsorger – aktuell nur eine Person und ein zweite in Ausbildung.

Die lila Westen kennzeichnen die Notfallseelsorger im Einsatz.
Die lila Westen kennzeichnen die Notfallseelsorger im Einsatz. © WP | Annelie Manche

Die Notfallseelsorger sind nach einem Dienstplan in Rufbereitschaft. Bei einer Alarmierung entscheidet der jeweilige Notfallseelsorger, ob er selbst zum Einsatz fährt oder einen Kollegen, der schneller vor Ort sein kann, anfragt. „Nachts fährt man natürlich eher selbst“, sagt Post. „Aber wenn etwas in Girkhausen passiert, würde ich jemanden aus Berleburg anfragen, weil sie schneller vor Ort sein können, als ich aus Laasphe.“

Notfallseelsorger stehen in extremen Situationen bei

Vor Ort schaut der Notfallseelsorger, wie die Situation ist: „Wie sind die zu betreuende Personen drauf?“ Die Notfallseelsorger versuchen auch, „das soziale Umfeld aufzubauen.“ Das heißt, Familie oder Freunde der betroffenen Person zu erreichen und herzuholen, damit sie sich weiter um die Person kümmern. Denn die Notfallseelsorge ist die „Notbetreuung in einer extremen Situation“. Nach der Notsituation endet auch die Betreuung. „Das funktioniert in Wittgenstein gut. Freunde und Verwandte sind immer da, die sich dann weiter um die betroffene Person kümmern. Sie sind auch näher an der Person als ich als Seelsorger.“

Mit der Notfallseelsorge angefangen hat Steffen Post vor mehr als zehn Jahren – wenn auch mehr aus Zufall. „2003 war ein Unfall beim Bahnübergang in Niederlaasphe. Ein Auto war unter den Zug gekommen. Im Zug waren Schulkinder“, erinnert er sich an die Situation. Der damalige Superintendent habe alle geistigen Personen angefragt, mit in die Schulen zu kommen, um sich um die Kinder zu kümmern. „Sie haben mir danach gesagt: ‚Das hast du gut gemacht, das kannst du doch weiter machen.‘ So bin ich darein geraten.“ Er machte Fortbildungen und wurde so Notfallseelsorger.

Nach dem Einsatz sollte man sich etwas Gutes tun

„Knifflig“ seien vor allem „Unfälle mit jungen Menschen oder Kindern“, sagt Post. Schwierig sei es auch, wenn er die Familie selbst kenne. „Da muss ich schauen: Wer bin ich jetzt? Da hebe ich meine Tränen für später auf, jetzt ist jemand anderes dran.“ In Fällen, die einem zu nahe gehen, können die Notfallseelsorger aber auch jemand anderen aus dem Team dazuholen, der übernimmt.

Und nach dem Einsatz? „Ich schreibe mir die Eindrücke aus dem Kopf. Mir hilft es sehr, erst mal nach Hause zu kommen und das Protokoll zu schreiben.“ Dabei können die persönlichen Empfindungen auf einer Skala angegeben werden. „Ich sehe auch, was ist gut gegangen, wo hat es gehakt? Ich habe mir viel von der Seele geschrieben“, so Post. Der zweite Schritt sei dann, sich etwas Gutes zu tun: „Das kann ganz unterschiedlich aussehen: spazieren gehen, Pizza bestellen, einen Film anschauen oder etwas mit der Familie machen. Da hat jeder seinen Punkt, was ihm individuell guttut.“ In manchen Fällen, wenn er gefragt wird, ob er auch die Beerdigung übernehme, gehe die Begleitung dadurch etwas länger. „Da ist dann auch ein Abschluss für mich“, sagt der Pfarrer.

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