Erndtebrück. FDP und CDU in Erndtebrück werfen Bürgermeister und Verwaltung „Irreführung der Öffentlichkeit“ vor. SPD verteidigt Mehrheitsbeschluss.
In zwei Stellungnahmen an diese Redaktion nehmen CDU und FDP in Erndtebrück den SPD-Bürgermeister Henning Gronau aufs Korn. Und der wehrt sich aus dem Familienurlaub in Italien heraus.
Auslöser für den politischen Streit außerhalb des Gemeinderats ist der Kauf der ehemaligen Eisenbahner-Häuser in der Pulverwaldstraße. Dem Kauf hatte der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung am 11. September – als Grundstücksangelegenheit im nichtöffentlichen Teil – zugestimmt. Als die Gemeinde den Kauf dann öffentlich machte, folgten Stellungnahmen der CDU und FDP.
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Der Vorsitzende des CDU-Gemeindeverbandes Jörn Schuppener widerspricht den Darstellungen der Gemeinde und des Bürgermeisters und wirft diesem „Irreführung der Öffentlichkeit“ vor. Schuppener schreibt: „Wie aus der Presse zu entnehmen ist, hat der Rat der Gemeinde Erndtebrück beschlossen, einige Häuser in der Pulverwaldstraße von Erndtebrück zu kaufen. Weiter wird dort ausgeführt, dass der Kauf der Immobilien der Entwicklung eines ‚neuen Quartiers für junge Familien mit Kindern dienen soll‘, um deren Wohnbedarf decken zu können. Seitens der Gemeinde Erndtebrück wurde der Kauf im Gemeinderat jedoch mit der weiter zu erwartenden Zahl an zugewiesenen Flüchtlingen gerechtfertigt und begründet. Von der Entwicklung eines neuen Wohnquartiers war nicht die Rede. Dies ist eine Irreführung der Öffentlichkeit!“, heißt es in der Stellungnahme.
„Nun ein ganzes Wohnquartier zu kaufen, das sich in einem desolaten Zustand befindet und dessen Sanierungskosten nicht seriös beziffert werden können, ist schon eine schwere Bürde für die Gemeindefinanzen.“
Auch das FDP-Ratsmitglied Carsten Weiand moniert die Begründung für den Kauf der Häuser und das Fehlen einer politischen Diskussion: „Der Bürgermeister nutzt das Fehlen einer öffentlichen Debatte dazu, gegenüber der Presse und in den sozialen Medien den Kauf der Häuser als Entwicklung eines neuen Quartiers für junge Familien mit Kindern zu framen. Als FDP-Erndtebrück stellen wir fest: Dieser Diskussionspunkt spielte in der Debatte keine nennenswerte Rolle. Die Verwaltung argumentierte fast ausschließlich mit nötigem Wohnraum für Flüchtlinge und Migranten, die die Gemeinde im Rahmen der allgemeinen Zuweisungen aufnehmen muss.“ Die Verwaltung habe also völlig andere Gründe im Rat zur Entscheidung angeführt, als jetzt in der Öffentlichkeit dargestellt. „Die Freien Demokraten sehen darin eine klare Täuschung. Gerade mit Blick auf den Ablauf der Ereignisse stellt sich die Frage, ob dieser Schritt von Anfang an geplant war.“
„Der Bürgermeister nutzt das Fehlen einer öffentlichen Debatte dazu, gegenüber der Presse und in den sozialen Medien den Kauf der Häuser als Entwicklung eines neuen Quartiers für junge Familien mit Kindern zu framen. “
Sowohl FDP als auch CDU sehen auch finanzielle Risiken: „Die Gemeinde Erndtebrück hat kaum noch finanzielle Spielräume, was für die Bürger an allen Stellen sichtbar wird. Nun ein ganzes Wohnquartier zu kaufen, das sich in einem desolaten Zustand befindet und dessen Sanierungskosten nicht seriös beziffert werden können, ist schon eine schwere Bürde für die Gemeindefinanzen“, so Jörn Schuppener. Und Carsten Weiand argumentiert: „Die Kosten für den Kauf sind erheblich. Wir gehen davon aus, dass allein die Sanierungskosten der Gebäude und der Grundstücke mindestens das Doppelte des Kaufpreises betragen werden. In Summe stehen hier siebenstellige Beträge in Rede. Dieses Geld wird der Gemeinde an anderer Stelle mittelfristig fehlen. Der gesamte Haushalt ist nach wie vor auf Kante genäht.“ Beide Kommunalpolitiker betonten, dass sie sich eine öffentliche Debatte über das Thema gewünscht hätten.
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„Ich finde es bedauerlich, dass Jörn Schuppener den Kauf auf einen Aspekt versucht zu reduzieren. Zumal auch in der CDU-Fraktion durchaus Fraktionsmitglieder die positiven Aspekte eines Erwerbs gesehen haben.“
Die Redaktion hat Erndtebrücks Bürgermeister mit den Vorwürfen konfrontiert: „Die Kritik von Jörn Schuppener ist für mich nicht nachvollziehbar. Er selbst war in der Sitzung nicht anwesend und ist kein Ratsmitglied – möglicherweise ist ihm daher der Inhalt der Vorlage nicht bekannt“, sagt Gronau. Und mit Blick auf die Beratungsgrundlage für die Kaufentscheidung nennt Gronau „vier Herausforderungen, die durch einen Kauf gelöst werden sollen“. Diese seien als Bulletpoints, also als Schlagworte, der Vorlage vorangestellt gewesen und seinen nach Wichtigkeit gegliedert gewesen: 1. dem angespannten Wohnungsmarkt Wohnraum zuführen. Punkt zwei sei: „Die Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten für geflüchtete Menschen durch die Gemeindeverwaltung würde deutlich vereinfacht.“ Als dritten Punkt nennt Gronau die Einflussnahme auf die Entwicklung des Quartiers und als vierten, dass man Einfluss auf eine ausgewogene Anzahl an Bestandsmietern nehmen könne, um beispielsweise Integration zu verbessern.
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Für den Bürgermeister ist klar: „Ich finde es bedauerlich, dass Jörn Schuppener den Kauf auf einen Aspekt versucht zu reduzieren. Zumal auch in der CDU-Fraktion durchaus Fraktionsmitglieder die positiven Aspekte eines Erwerbs gesehen haben. Eine Vermietung an Familien ist in der Sitzung ganz deutlich thematisiert worden. Unverständlich ist, weshalb sich hier nicht der Fraktionsvorsitzende Markus Killer äußert. Der Parteivorsitzende Jörn Schuppener war an keinem der Gespräche beteiligt.“
„Dass städtebauliche Aspekte und eine Entwicklung des Quartiers eine gewichtige Rolle bei der Entscheidung spielen, zeigt allein die Zusammensetzung der bebauten und unbebauten Flächen.“
So schön ist Erndtebrück von oben betrachtet.
Auch der Fraktionsvorsitzende der SPD Michael Rothenpieler reagiert auf die Stellungnahmen der CDU und FDP: „Die Kritik von CDU und FDP ist leider bereits als Wahlkampfauftakt zu verstehen und verlässt den Pfad der konstruktiven Zusammenarbeit sehr deutlich.“ Die SPD-Fraktion stützt die Argumente von Verwaltung und Bürgermeister: „Dass städtebauliche Aspekte und eine Entwicklung des Quartiers eine gewichtige Rolle bei der Entscheidung spielen, zeigt allein die Zusammensetzung der bebauten und unbebauten Flächen“, so Rothenpieler.