Bad Berleburg. Robin Zimmermann ist als Wandergeselle unterwegs und pflegt damit eine alte Handwerks-Tradition. In Berleburg macht er aus besonderem Anlass Halt.

„In vier Wochen bin ich drei Jahre unterwegs“, sagt Robin Zimmermann. Sein Name „ist Programm“, wie er selbst sagt. Der 25-Jährige ist gelernter Zimmermann und als Wandergeselle unterwegs. Eine alte Tradition im Handwerk, die für ihn einfach dazugehört. „Die Mindestzeit ist drei Jahre und ein Tag“, erklärt Zimmermann die Walz, so werden die Wanderjahre auch genannt. „Aber ich werde noch ein halbes Jahr dran hängen. Ich habe Angst, dass mir im Winter zu Hause die Decke auf den Kopf fällt.“ Aber im Frühling, „wenn die Tage länger und das Wetter schöner ist, dann geht es nach Hause.“ Das ist in Tauberbischofsheim, „südlich von Würzburg.“

„Im Winter entfliehe ich der Kälte. Ich war in Italien auf einem Hof und habe in Sizilien auf einem Boot gearbeitet.“

Robin Zimmermann
über das Leben als Wandergeselle

Ungefähr 500 Wandergesellen seien im deutschsprachigen Raum unterwegs, so der Zimmermann. „Vor 20 Jahren waren es dreimal so viele. Aber es gibt uns noch, wir sterben nicht aus.“ In den knapp drei Jahren hat Robin Zimmermann „zehn bis 15 Länder“ bereist. Mit dabei: „Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien, Frankreich, Spanien, Polen, Tschechien, Dänemark und Schweden.“ Seine größte Reise ging nach Südostasien. „Ich war in Thailand und Vietnam. Die Hälfte der Zeit habe ich dort gearbeitet, die andere Hälfte die Länder bereist“. Dafür habe er den Sommer über angespart. Und das ist auch seine Empfehlung für die Walz im Winter, wenn es in Deutschland kalt und ungemütlich wird. „Im Winter entfliehe ich der Kälte. Ich war in Italien auf einem Hof und habe in Sizilien auf einem Boot gearbeitet“, erzählt er.

Alle zwei bis drei Monate zieht der Wandergeselle weiter

Doch als Wandergeselle muss man bestimmte Voraussetzungen erfüllen: „Unter 30 Jahre alt sein, ledig, kinderlos, schuldenfrei, nicht vorbestraft und den Gesellenbrief haben“, listet Zimmermann auf. Außerdem dürfen die Wandergesellen kein Handy dabei haben. Sie sind nur mit einer Landkarte ausgerüstet und meist per Anhalter unterwegs. „Das war während Corona sehr schwierig“, erinnert er sich an die Anfangszeit seiner Wanderschaft. Auch das Finden von Arbeitsplätzen war zu Beginn nicht so leicht. „Jetzt ist das kein Problem. Der persönliche Kontakt macht da vieles einfacher.“

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Zwei bis drei Monate arbeitet der gelernte Zimmermann meist an einem Ort, bevor er weiterzieht. „Das längste waren vier Monate. Nach drei Monaten merke ich, dass ich wieder loswill.“ Dreieinhalb Monate war er in Ostfriesland. „Ich habe keine Lust auf Neubau und mache lieber Denkmal- oder Fachwerksanierung. Und ich wollte unbedingt mal an einer Windmühle arbeiten“, sagt Zimmermann. Diesen Traum konnte er sich in Ostfriesland erfüllen. „Die Radnabe in 35 Metern Höhe war kaputt und es gab einen Wassereinbruch“, erzählt er.

Familientreffen in Bad Berleburg

Nun macht er einen Zwischenstopp in Bad Berleburg. „Mein Bruder wohnt hier und ich besuche ihn.“ Sein anderer Bruder wohnt noch in seiner Heimat. Wegen des Bannkreises – er darf sich seinem Heimatort nicht mehr als 60 Kilometer nähern – hat er ihn schon lange nicht gesehen. „Er kommt am Wochenende mit seiner Frau nach Berleburg. Und meinem Neffen, er ist ein halbes Jahr alt und ich habe ihn noch nicht gesehen“, sagt Robin Zimmermann.

Im offiziellen Wanderbuch sammelt Robin Zimmermann Stempel aus den Städten, in denen er war, und Arbeitszeugnisse.
Im offiziellen Wanderbuch sammelt Robin Zimmermann Stempel aus den Städten, in denen er war, und Arbeitszeugnisse. © WP | Annelie Manche

Nach dem kleinen Familientreffen geht es für den 25-Jährigen weiter nach Thüringen – in den Harz. „Dort treffe ich mich mit einem anderen Wandergesellen – einem Dachdecker – und wir suchen uns zusammen Arbeit.“ Solche Treffen sind unter Wandergesellen nicht einfach zu organisieren. „Ich habe eine E-Mail-Adresse. Da schaue ich rein, wenn ich mal einen Computer benutzen kann. Das ist so alle paar Monate. Bis der andere antwortet, können wieder Monate vergehen.“ Man mache einen Tag und die Stadt aus, keine Uhrzeit. „Es ist klar, wir treffen uns um 12 Uhr auf dem Marktplatz oder am Rathaus“, sagt Zimmermann. Eben so, wie es früher gemacht wurde.

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Und genauso wie früher gehört die traditionelle Kluft zur Walz dazu. „Wir müssen in der Öffentlichkeit als Wandergeselle erkennbar sein. Auch bei der Arbeit.“ Im Gepäck hat er seine Arbeitskluft. Außerdem mit dabei: „Ein Schlafsack, zwei Hemden, Unterwäsche, eine Badehose und ein T-Shirt.“ Mehr nicht.

Im Wanderbuch wird die Reise des Zimmermanns festgehalten

Als Wandergeselle ist er Mitglied einer Gesellenbruderschaft – dem Rolandschacht. „Das Erkennungsmerkmal ist der blaue Schlips“, erklärt Zimmermann. In seinem offiziellen Wanderbuch sammelt Robin Zimmermann Stempel von den Städten, die er besucht hat, und Arbeitszeugnisse.

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Am Anfang jeder Wanderschaft steht die Losgehtippelei. „Das ist wie eine Probezeit. Man wird von einem Altwandergesellen begleitet, er bringt dich auf den Weg. Zeigt dir, wie man trampt, wie man im Rathaus für einen Stempel vorspricht und wie man im Notfall ohne Geld zurechtkommt“, erklärt Zimmermann. Zum Ende der Wanderjahre gibt es das Gegenstück: Die Heimgehtippelei. „Die letzte Woche der Walz verbringt man mit seinen besten Wandergesellen.“

Und wenn Robin Zimmermann im Frühjahr wieder nach Hause zurückkehrt? „Dann suche ich mir Arbeit, lege Geld beiseite und will im September die Meisterschule starten.“