Bad Berleburg. Naturschützer reichen Eilantrag beim Verwaltungsgericht ein. Kreis Siegen-Wittgenstein rechnet mit schnellem Beschluss. Gericht bleibt gelassen.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland erhöht den Druck auf alle Beteiligten: „Wir wollen, dass die Wisente freigelassen werden. Es besteht schon eine besondere Dringlichkeit“, sagt der NRW-Landesvorsitzende des BUND, Holger Sticht, am Dienstag der Westfalenpost. Der BUND hat jetzt zusätzlich zu einem bereits seit April laufenden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg auch ein Eilverfahren angestrengt. Das war am 4. Juli.

Der Kreis Siegen-Wittgenstein bestätigt das Eilverfahren ebenfalls, gibt sich aber bewusst sehr zurückhaltend. „Wir werden uns bis zu einer Bekanntgabe der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Arnsberg gegenüber der Öffentlichkeit zu einzelnen Aspekten des Verfahrens bzw. den vom Antragsteller oder vom Kreis vorgetragenen Argumenten nicht äußern“, schreibt Manuel Freudenberg als Pressesprecher des Kreises auf unsere Anfrage.  Nur soviel: „Der Kreis hat vom Verwaltungsgericht die Möglichkeit eingeräumt bekommen, bis zum 16. Juli 2024 zu dem Antrag Stellung zu nehmen.“
 

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„Die Tiere sind in einer prekären Lage. Rund 40 Wisente auf 24 Hektar, das ist viel zu eng für eine artgerechte Haltung.“

Holger Sticht
 NRW-Landesvorsitzende des Naturschutzverbands BUND

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Im Gespräch mit dieser Zeitung begründet Sticht diesen juristischen Schritt mit den jüngsten Entwicklungen und Medienberichten und dem, „was verschiedene Experten über die Wisente berichtet haben. Die Tiere sind in einer prekären Lage. Rund 40 Wisente auf 24 Hektar, das ist viel zu eng für eine artgerechte Haltung“, sagt Sticht. Er beruft sich gegenüber der Westfalenpost auch auf einen Ortstermin im Gatter, an dem die Mitglieder des Kreistags sich ein Bild von der Herde machen konnten: „Die aktuell prekäre Lage der Haltung der wilden Wisente, wie sie bei einer Begehung am 26. Juni dokumentiert werden konnte, unterstreicht dies eindrücklich“, so Sticht.

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„Das Verfahren wird mit der gebotenen Eilbedürftigkeit bearbeitet. Wann eine Entscheidung fällt, kann ich aber nicht sagen.“

 Kai Hendrik Teipel
Presseprecher des Verwaltungsgerichts

Mit dem Eilantrag auf Freilassung der Tiere per einstweiliger Anordnung kommt nun zusätzlicher Druck in das Verfahren bei der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg. Die ist auch mit dem Hauptsacheverfahren betraut. Eine Entscheidung könne noch im Juli fallen, gibt sich der BUND optimistisch. Ob das realistisch ist, ist fraglich. „Das Verfahren wird mit der gebotenen Eilbedürftigkeit bearbeitet. Wann eine Entscheidung fällt, kann ich aber nicht sagen. Das kann einen Monat dauern oder länger“, berichtet Richter Kai Hendrik Teipel als Pressedezernent des Verwaltungsgerichtes. Das hängt auch davon ab, wie hoch die Arbeitsbelastung der Kammer ist. Manuel Freudenberg als Pressesprecher des Kreises macht deutlich, dass die Behörde nicht mit einer großen Wartezeit rechnet: „Nach § 123 Abs. 4 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung/Die Red.) entscheidet das Gericht in diesen Fällen durch einen Beschluss, der nach unserer Auffassung auch sehr zeitnah zu erwarten ist.“

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Laut Teipel hat der BUND die Eilbedürftigkeit mit der bevorstehenden Kalbung der trächtigen Wisentkühe begründet. Durch die Kälber könne es zu Rangkämpfen und auch zu Futtermangel kommen. Außerdem befürchtet der BUND, dass ein Teil der Herde durch den Kreis Siegen-Wittgenstein in andere Projekte vermittelt oder sogar verkauft werden könnte. Der dritte Hauptpunkt sei die Gatterung, die einen Befall durch Parasiten befördere. Das unterstreicht Sticht: „Die Lage wird absehbar immer schlimmer, es drohen Krankheiten und Parasitenbefall.“

Bereits im April hatte der BUND in eben diesen Punkten auch das ursprüngliche Klageverfahren angestrengt und von einer artenschutzrechtlich rechtswidrigen Einsperrung der streng geschützten Wisente gesprochen. Im Gespräch wiederholte der Landesvorsitzende Sticht diese Vorwürfe an den Kreis. Und erneuerte die Auffassung, dass man die Tiere weiter frei im Rothaargebirge umherstreifen lassen müsse. Dass sich die Herde auf über 40 Tiere vergrößert habe, zeige, dass die Wiederansiedlung erfolgreich gewesen sei.

Kern des Eilverfahrens nach Einschätzung des Kreisen Siegen-Wittgenstein

Kern des Eilverfahrens ist die Befürchtung des BUND, dass der Kreis Siegen-Wittgenstein und die anderen Beteiligten des öffentlich-rechtlichen Vertrages noch vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Tatsachen schaffen könnten. Konkret geht es darum, dass die Herde im Gatter mindestens verkleinert, wenn nicht sogar aufgelöst werden und die Tiere in andere Projekte gebracht werden sollen. Der Antrag der BUND zielt darauf auf ab, dass das Verwaltungsgericht dem Kreis Siegen-Wittgenstein per einstweiliger Anordnung aufgeben soll, das in Bad Berleburg errichtete „Wisent-Managementgatter“ einstweilen so zu öffnen, dass die dort derzeit gehaltenen Wisente das Gatter verlassen können. Ferner soll dem Kreis vorläufig untersagt werden, Wisente, die auf Grundlage des am 8. April 2013 zwischen dem Kreis Siegen-Wittgenstein, der Bezirksregierung Arnsberg, dem Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen, dem Projektträgerverein Wisent-Welt-Wittgenstein und der Wittgenstein-Berleburg’schen Rentkammer geschlossenen öffentlichen-rechtlichen Vertrags der freigesetzten Herde zuzurechnen sind, zu kaufen, zu verkaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen.