Bad Laasphe. Im Interview blickt Lisa Achatzi aus Bad Laasphe zurück auf eine außergewöhnliche Reise und erklärt ihre Sehnsucht nach einer Nacht im Zelt.
Die Laaspherin Lisa Achatzi ist nach Ihrer Radreise durch Zentralasien zurück in Wittgenstein. Während der 5000 Kilometer durch die Türkei, Usbekistan, Kirgisistan, Tadschikistan und Kasachstan, berichtete unsere Zeitung auf elf Etappen von ihren Erlebnissen. Auf Achatzis fünfmonatiger Reise sammelte die 35-Jährige für die Non-Profit-Organisation „Samos Volunteers“ Spendengelder in Höhe 4600 Euro ein. Im Interview blickt sie nun zurück und erklärt ihre Sehnsucht nach einer Nacht im Zelt.
Lisa Achatzi, wie sehr genießen Sie gerade den vollen Kühlschrank bei Ihren Eltern?
Schon sehr! (lacht) Perfekt ist, dass ich mit dem Start der Kürbissaison ankam. Ich weiß gar nicht, wie oft inzwischen Backofenkürbis auf meinem Teller lag. Zudem ist es natürlich schöner, mit der Familie zu kochen als sich alleine nach zig Kilometern etwas herzurichten.
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War die Ernährung für Sie als Veganerin ein Problem in Zentralasien?
Eigentlich nicht. Nudeln oder Reis und haltbare Zutaten, wie zum Beispiel Hülsenfrüchte, sind ja vegan. Menschen, die nicht vegan reisen, könnten ja auch nicht mit einem Kilo Fleisch in der Fahrradtasche durch die Hitze fahren.
Fleischhaltige Esskultur kannten Sie bereits aus Südamerika. Wie war das in Zentralasien?
In der Stadt war das Angebot vielfältig, auf dem Land hingegen gehörte Fleisch zu jeder Mahlzeit. In einem Restaurant in Tadschikistan gab es kein einziges fleischloses Gericht. Gerade in dem Moment, als ich das auf der Speisekarte las, wurde ein geschlachtetes Schaf in einer Plastikwanne hereingetragen. In der Provinz ist das Leben rau und ein ganz anderes. Die Tiere der Halbnomaden taten mir leid, doch verbringen sie ihr Leben immerhin draußen und nicht in grausamer Massenhaltung.
Inwiefern hat Sie das Leben der Halbnomaden beeindruckt?
Man hat den Eindruck, dass man sich in ihrer Nähe in einer anderen Zeit befindet. Wenn es Frühling wird, ziehen die Familien mit Kind und Kegel in eine Jurte (traditionelles Nomadenzelt; Anm. d. Red.) und leben dann im Einklang mit der Natur. Es ist ein hartes Leben und ich weiß auch durch Berichte, dass nicht alle Nomaden diese Lebensweise weitergeben möchten, sondern ihren Kindern auch die Chance auf ein Studium geben wollen.
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Welche Unterschiede haben sie im Allgemeinen festgestellt?
Ich war ja vor allem in muslimischen Ländern unterwegs. Die Menschen sitzen in Bars und trinken kein Bier, sondern Tee. Die Rollen zwischen Mann und Frau sind zudem sehr klassisch. Männer arbeiten, Frauen kümmern sich um Kinder und Küche. Ich habe mich angepasst und mich so gekleidet, dass Arme und Beine verdeckt waren. Am Prägendsten war aber die bedingungslose Gastfreundschaft. Die Menschen waren unfassbar offen. Brauchst du Essen? Hast du einen Schlafplatz? Ist alles in Ordnung? Die Leute sehen dich mit dem Gedanken, dass du in ihrem Land eine gute Zeit haben sollst. Das habe ich in dieser Intensität noch nie erlebt – auch nicht in Südamerika. Das hat wieder meine These untermauert, dass es definitiv mehr gute als schlechte Menschen auf der Welt gibt.
Gastfreundschaft und Planung helfen sicher, doch wie finanzieren Sie Ihre Reisen?
Generell ist es so, dass ich vor den Touren arbeite, um das nötige Geld zu sparen. Bei dieser Reise habe ich mit allem Drum und Dran maximal 500 Euro im Monat ausgegeben und hatte nach meiner Rückkehr noch einen Puffer zur Verfügung. Ich bin generell ein Sparfuchs und habe die Finanzen gut im Blick. Dabei sollte aber erwähnt werden, dass ich mit einem guten Fahrrad losgefahren bin und sich die Probleme dadurch in Grenzen hielten. Mit einer Schrottlaube und schlechtem Zubehör hätten die Kosten sicher anders aussehen.
Wie funktionierte die Umstellung in Bad Laasphe?
Es gibt ja keine Übergangszeit. Du steigst einfach vom Fahrrad ab und alles ist anders. Als ich ankam, holte ich ein paar meiner gelagerten Sachen vom Speicher und habe sie eine halbe Stunde lang angestarrt. Ich kam einfach nicht klar damit und habe nur ‚Verdammt!‘ gedacht, weil ich dieses Zeug nicht gebraucht habe. Auch jetzt wache ich noch nachts mit Herzrasen auf und komme erst wieder zu mir, wenn ich am Fenster stehe und mir klarmache, wo ich bin und wo mein Fahrrad steht. Ich freue mich die vielen Leute wiederzusehen, doch vermisse ich auch die Nächte im Zelt. Und jeder fragt natürlich, wie und wohin es weitergeht.
Überfordert Sie das?
Manchmal schon. Weil das Erlebte zwar auf Bildern, aber nicht durch Gefühle teilbar ist. Aber jetzt kennen mich die Leute und ich habe schon über Autogrammkarten nachgedacht. (lacht) Spaß beiseite. Ich werde aber wirklich oft und aus dem Nichts von Menschen auf der Straße angesprochen. Auf dem Wallacheier Fest habe ich mit wildfremden Leuten geredet, weil sie mir Ihren Respekt ausdrücken wollten. Das ist schon schön und damit habe ich auch nicht gerechnet.