Bad Berleburg. „Es ist 5 vor 12“: Apotheker in Wittgenstein schlagen Alarm. Wenn sich jetzt nichts ändere, sehe die Zukunft der Arzneiversorgung düster aus.

„Wir Apotheker haben viel zu lange alles geschluckt – jetzt ist es an der Zeit, ein Zeichen zu setzen, denn wir haben Angst.“ Dirk Eigner, Inhaber der Bad Berleburger Apotheke am Schloßpark, findet klare Worte am Protesttag der Apotheken. Alle neun Wittgensteiner Apotheken haben sich dem Protest angeschlossen und die Türen am Mittwoch nicht geöffnet – „es kommt eigentlich nie vor, dass Apotheker sich einig sind. Allein das ist ein Zeichen dafür, dass es jetzt wirklich 5 vor 12 ist“, so Eigner. Parallel machten auch die Erndtebrücker Apotheken bei sich vor Ort auf die Missstände, unter anderem im Gespräch mit Bürgermeister Henning Gronau, aufmerksam.

Ihnen geht es um die Patienten, machen am Mittwoch Dirk Eigner und Karsten Wolter von der Kur-Apotheker deutlich – begleitet werden sie von Mitarbeitern ihrer Apotheken sowie der Rothaar-Apotheke in Feudingen und der Stadtapotheke in Bad Laasphe. Für die Versorgung ist mittels Notdienste dennoch gesorgt. „Das ist kein Streik im üblichen Sinne, sondern ein geschlossener Protest: Hier streiten Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam für die Patienten“, macht Eigner deutlich.

Probleme häufen sich seit Jahren

Es sind die dramatischen Lieferengpässe von Arzneien, die die Apotheker zu diesem Schritt zwingen. „Lieferengpässe an sich sind nichts neues, die Probleme gab es auch schon vorher – aber sie kumulieren seit November“, betont Wolter. Da Apotheker ihre Kunden nicht ohne ein Medikament wieder gehen lassen wollen, bedeutet die Suche nach einem Ersatzmedikament einen deutlichen Mehraufwand – und das ist der Tropfen, der das Fass für sie zum Überlaufen bringt. Denn seit Jahren häufen sich die Probleme, die Apotheker zu bewältigen haben.

Los geht es bei der Beschaffung von Ersatzmedikamenten – damit dies nicht mit deutlichem Mehraufwand und bürokratischen Hürden verbunden ist, fordern die Apotheker von den Krankenkassen, mit mehreren Herstellern Verträge abzuschließen. „So wäre die Versorgung breiter aufgestellt. Mit nur einem Hersteller ist die Lieferantenkette sehr fragil und kann einbrechen“, so Wolter.

Die Krankenkassen sind es auch, die den Apotheken bei der Einlösung von Rezepten das Leben schwer machen. Das Stichwort ist hier „Retaxation“. Dies bedeutet, dass die Krankenkasse Zuschläge oder auch die Erstattung eines bereits herausgegebenen Medikaments verweigert – die Apotheke bleibt also auf den Kosten sitzen. Und dies passiert, wenn die Rezepte fehlerhaft ausgefüllt sind – „es reichen schon Kleinigkeiten, die teilweise wirklich lachhaft sind“, sagt eine Apothekerin am Mittwoch in Bad Berleburg.

Dabei handelt es sich nicht um Fehler, die die Herausgabe der Medikamente und damit die Patienten beeinträchtigen, sondern um reine Formfehler, die oftmals in der Praxis beim Ausstellen der Rezepte gemacht werden – die Apotheken müssen dies dann ausbaden. Es sei auch schon vorgekommen, dass eine Krankenkasse selbst einen Fehler bei der Verbuchung eines Medikaments gemacht hätte – und der Apotheke deshalb keine Erstattung verbucht habe.

All das kommt zu defizitärer Vergütung noch dazu – den Apotheken reicht es jetzt also, die neben mehr Handlungsfreiheiten bei Lieferengpässen, dem Abbau der Bürokratie und Verwaltungsarbeit auch eine bessere Vergütung fordern. „So wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben“, macht Eigner deutlich. Eine Mitarbeiterin erklärt auch, warum: „Ansonsten wird es zu einem Apothekensterben kommen – zuerst auf dem Land. Und gerade hier sind es die Apotheken vor Ort, auf die vor allem ältere Menschen angewiesen sind.“

Dieser Protest ist ein erster Schritt, um ein Zeichen zu setzen, macht Eigner klar. Es sei durchaus möglich, dass noch weitere folgen werden.