Erndtebrück. Der Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten spricht mit Christa Guardia über die kontroversen KAG-Gebühren. Beide sind einer Meinung.
Seit zehn Jahren kämpft Christa Guardia aus Erndtebrück mittlerweile dagegen, dass die Straße vor ihrem Wohnhaus nicht nach dem KAG (Kommunalabgabengesetz) ausgebaut wird – in diesen zehn Jahren hat sie viel bewegt, hat mit einer Petition in Erndtebrück 1200 Stimmen für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge gesammelt, gehört einer Bürgerinitiative an, hat eine Anhörung im Landtag begleitet und unzählige Briefe geschrieben.
Am Dienstag nun kam die Landespolitik zu ihr ins Wohnzimmer: Der SPD-Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten in NRW, Thomas Kutschaty, kam auf seiner Wahlkampftour nach Erndtebrück und hörte Guardia genau zu.
„Anlieger fahren Straßen nicht kaputt“
„Es sind drastische Summen, oftmals fünfstellig, die da gefordert werden. Das kann man den Anwohnern nicht zumuten“, so Kutschaty im Gespräch. Er stehe klar dafür ein, dass die Straßenausbaugebühren für Anlieger abgeschafft werden: „Es kommt doch auch keiner auf die Idee, bei der Sanierung einer Schule die Eltern für die Finanzierung zu belangen.“
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Und es sind eben nicht die Anlieger, die die Straßen vor ihren Häusern kaputt fahren, so Guardia. „Auf dieser Straße fahren so viele Autos lang, ob nun das Polizei, Feuerwehr, DRK oder andere sind. Ich hatte bis vor Kurzem eine Nachbarin, die war 80 Jahre und hatte gar keinen Führerschein. Mit ihrem Rollator hat sie die Straße sicher nicht kaputt gefahren“, so Guardia.
Schere zwischen Stadt und Land
Der Gerechtigkeitsgedanke, auch mit Blick auf den Unterschied zwischen Stadt und Land, bewegte den Bewerber um das Ministerpräsidentenamt: „An einer Straße wie dieser würden bei uns in Essen sechs Reihenhäuser stehen. Da würde man sich die Kosten dann durch sechs teilen. Sie stehen hier alleine“, so Kutschaty zu Guardia. Das novellierte KAG-Gesetz würde bei diesen hohen Summen auch nicht weiterhelfen. „Überhaupt ist das Gesetz durch die Novellierung vollkommen verkorkst“, so Kutschaty.
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Denn: Nicht nur, dass die meisten Kommunen in NRW trotz Novellierung auf die Bremse treten und nicht ausbauen um die Bürger zu entlasten – von dem 65 Millionen Euro Fördertopf wurden seit der Einführung des Gesetzes nur 10 Millionen Euro beantragt – die Gesetzesänderung hat auch einen erheblichen Mehraufwand für die Kommunen selbst bedeutet. „Ich weiß von größeren Städten, in denen mehrere Verwaltungsmitarbeiter nur mit diesen Anträgen beschäftigt sind – und die könnten diese Zeit auch wesentlich sinnvoller einsetzen“, so Kutschaty. Zusätzlich sei dieser Aufwand auch noch teuer: „In Essen gehen von jedem Euro, den ein Anwohner an Beiträgen zahlt, 50 Cent an die Verwaltung für die Bearbeitung.“
Keine Wertsteigerung
Das Argument der KAG-Befürworter, dass eine sanierte Straße ein Wertsteigerung für das Gebäude bedeuten, gilt nicht für Guardia – und auch nicht für Kutschaty. „Das ist vollkommener Quatsch, das ist einfach nur albern.“ Andersherum werde schon eher ein Schuh draus, machte Samir Schneider, Landtagskandidat der SPD für Wittgenstein, deutlich. „Es ist ja so, dass sich Hauskäufer vorher erkundigen, ob in den nächsten Jahren an der Straße eine Sanierung ansteht. Dann müssten sie den Kredit für den Hausbau anpassen, an eine Wertsteigerung denken sie dabei sicher nicht.“
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Christa Guardia hat bereits einmal für die Sanierung der Straße vor ihrem Haus gezahlt – 1970. Sie sehe die Bevölkerung ländlicher Regionen grundsätzlich benachteiligt, machte sie Kutschaty deutlich: „Wir müssen wegen längerer Wege mehr Sprit bezahlen, wir haben keine Fachärzte und dann sollen wir auch noch horrende Summen für den Ausbau von Straßen bezahlen, die wir nicht kaputt gefahren haben.“