Wittgenstein. Fünf Jahre ist die Entscheidung des britischen Unterhauses für den Brexit her – vor allem im Export bleiben höhere Kosten und viele offene Fragen.
Genau fünf Jahre ist es nun her, dass das britische Unterhaus den Weg für die Regierung ebnete, das Austrittsverfahren aus der Europäischen Union und damit den Brexit einzuleiten. Vor allem für die Spedition und den Export hat dies Auswirkungen auf Wittgensteiner Unternehmen.
Auch wenn der Brexit selbst keinen großen Einfluss haben mag, so sind seine Begleiterscheinungen dennoch deutlich spürbar: „Wir mussten zu unserer Verwunderung feststellen, dass selbst größere Spediteure und deutlich stärker im britischen Markt verwurzelte Unternehmen teils blauäugig agiert haben unter der Prämisse: ,Komm, wir fahren mal los. Mal schauen, wie weit wir kommen’“, berichtet uns Mike Homrighausen vom in Rückershausen angesiedelten Unternehmen Weber MT.
Kosten sind deutlich gestiegen
Zudem sei die Verfügbarkeit von Lkw ein Hemmnis: „Die Auswahl an geeigneten Speditionen ist erheblich gesunken, dafür aber die Kosten exorbitant gestiegen.“
Weber MT selbst, die handgeführte Maschinen für die Verdichtungstechnik produziert, hatte es auf dem britischen Markt schon immer schwer. „In England gibt es einen recht großen Wettbewerber, der sein Territorium leider gut zu verteidigen weiß. Somit war es für uns schon immer schwer auf ,der Insel’ Fuß zu fassen“, erfahren wir. Insofern hatte der Brexit also keinen Einfluss auf Weber MT. Aber es ist hier eben die Exportsituation, die sich verändert hat: „Seit dem Brexit verlassen unsere Maschinen und Ersatzteile nun ja faktisch die EU. Dadurch ist die Dokumentation verändert und teils doch deutlich aufwendiger.“
Gerade zu Beginn sei es auch mit der Hilfestellung seitens des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle noch schwierig gewesen. „Selbst heute haben wir es ab und an mit scheinbarer Willkür zu tun, ob nun ein Vorgang , speziell an der Grenze, durchläuft oder eben nicht.“ Und es gibt noch weitere Hemmnisse, so Homrighausen.
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So wird die Konformitätserklärung, die Sicherheit und Qualität der Produkte zertifiziert, durch den Brexit 2023 ihre Gültigkeit verlieren. „Stattdessen wird es erforderlich werden, eine neue Zertifizierung gemäß den britischen Vorgaben zu durchlaufen“, erklärt Homrighausen: „Ohne diese Kennung wird eine Einfuhr von Gütern nach England ab 2023 nicht mehr möglich sein und an der Grenze zurückgewiesen werden.“
Viele Fragen noch nicht beantwortet
Für Regupol BSW aus Bad Berleburg hingegen ist Großbritannien ein „wichtiger Markt“, wird uns auf Anfrage mitgeteilt. „Wir von Regupol sehen uns mit vielen offenen Fragen konfrontiert, die auch bis heute nicht alle beantwortet werden konnten.“ Es habe sich aber auch vieles relativiert. Seit Januar ist das Unternehmen mit einer aufwendigeren Dokumentation konfrontiert.
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Eine Zertifizierung wie bei Weber MT ist jedoch noch nicht nötig. Wenn eine neue Zertifizierung kommen sollte, müsse die Lage neu bewertet werden. „Aber leider wissen die Briten selbst noch nicht, wie die neuen Regelungen sein werden. Das macht den gesamten Prozess sehr unsicher für uns.“ Für Regupol habe sich der Handel mit Großbritannien seit dem Brexit nicht wesentlich verändert. „Viel stärkere Auswirkungen hat zurzeit die Corona-Pandemie. Sie stellt die Brexit-Problematik in vielen Geschäftsbereichen bei uns in den Schatten.“ So mussten beispielsweise bei den Fitnessböden, die Regupol herstellt, Umsatzrückgänge in Großbritannien verzeichnet werden.
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Auch für Regupol gebe es zusätzlichen Aufwand bei der Warenverkehrsdokumentation, speziell bei Lieferungen nach Großbritannien – „aber das hat sich sehr zügig eingependelt“. Der durch den Brexit entstandene Mangel an ausländischen Arbeitskräften, speziell im Transportbereich, sei bei Regupol immer wieder Thema. Zudem sind die Frachtkosten „massiv angestiegen“. Aber: „Glücklicherweise arbeiten wir seit vielen Jahren mit zuverlässigen Speditionsunternehmen zusammen, wodurch wir bislang noch keine ,erwähnenswerten Ausfälle’ bei geplanten Lieferungen nach Großbritannien hatten.“
Mehr Bürokratie und mehr Kosten
Einen Anstieg der Bürokratie durch den Brexit hat auch Ejot erfahren: „Es gibt zusätzliche Kosten für jede Lieferung aus dem Vereinigten Königreich von unseren Zollabfertigungsagenten, plus die zusätzlichen Erklärungen, die wir für die HMRC (Steuerbehörde) im Vereinigten Königreich und Irland benötigen.“
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Anfangs habe es noch ein Problem mit Direktlieferungen in die Republik Irland gegeben, die aber schnell gelöst werden konnten. Ein Problem sei die direkte Lieferung von Mustern aus Deutschland an Kunden im Vereinigten Königreich gewesen sowie die Einfuhrkosten, die vor der Lieferung bezahlt werden müssen. Auch die Rückkehr der europäischen Gastarbeiter in ihre Heimat und die dadurch bedingte geringere Verfügbarkeit von Arbeitskräften im gesamten Vereinigten Königreich sei problematisch gewesen.