Wittgenstein. Ranger Ralf Schmidt erklärt, wie man sich im durch Borkenkäfer, Stürme und Dürre veränderten Wald aufhält und was sich dort gerade verändert.
Viele Menschen zieht es in die heimischen Wälder - während der Corona-Pandemie in den letzten zwei Jahren haben sie die Natur direkt vor der Haustür noch mehr schätzen gelernt. Doch wie verhält man sich als Wanderer oder Fahrradfahrer richtig im Wald? Unsere Redaktion hat bei Ranger Ralf Schmidt (60) aus Weidenhausen nachgefragt. Er ist seit etwa 20 Jahren Ranger und betreut die Fernwanderwege wie den Höhenflug und die Waldroute auf dem mittleren Teil des Rothaarsteigs. Seine Aufgaben: Die Infrastruktur des Waldes wie die Beschilderungen in Ordnung und Wege begehbar zu halten. Außerdem die Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung durch geführten Wanderungen für alle Altersgruppen und Ansprechpartner für Menschen draußen im Wald zu sein.
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Welche Verhaltensregeln sollten beachtet werden, wenn man den Wald besucht, gerade im Hinblick auf die vielen kahlen Flächen mit dem ganzen Totholz?
Ralf Schmidt Im Prinzip sollten wir uns nicht unbedingt anders als vorher im Wal verhalten. Auf der rechtlichen Seite kommt jetzt aber hinzu, dass Flächen, die neubepflanzt werden, nicht betreten werden dürfen. Es gibt zwar ein Waldbetretungsrecht, sodass man sich mehr oder weniger überall im Wald aufhalten darf. Davon sind aber Naturschutzflächen und neu begrünte Waldflächen ausgeschlossen. Das heißt: Menschen sollten nicht durch die offenen Flächen laufen und Abstand zu ihnen halten. Menschen und Fahrradfahrer sollten sich daher an die ausgewiesenen Wanderwege halten und nicht kreuz und quer durch den Wald laufen oder fahren. Zusätzlich ist es so, dass wir aktuell viel Holz aus den Wäldern abfahren – da ist besondere Vorsicht geboten wegen der großen Maschinen.
Wie ist das für die Tierwelt mit den vielen kahlen Flächen im Wald? Belasten die Waldbewohner die neuen Gegebenheiten?
Man kann schon davon ausgehen, dass sich die Tierwelt insgesamt im Wald jetzt auch ein wenig verändern wird. So könnten sich in Zukunft andere Vogelarten wie Grasmücken oder Neuntöter, die diese offenen Landschaften mögen, in unseren heimischen Wäldern ansiedeln, welche es vorher in dieser Form bei uns nicht gab. Genauso wie nach Kyrill haben wir festgestellt, dass Wildkatzen verstärkt auftreten. Die Flächen sind für die Katzen interessant, weil sie dort besonders gut nach Mäusen jagen können. Das wird jetzt drei vier Jahre dauern, dann sind die Fläche mit Sträuchern und Wildkräutern zugewachsen. Man kann ja jetzt schon beobachten, dass die Vegetation auf ihnen langsam zunimmt. Daher kann man davon ausgehen, dass auch Rehwild in Zukunft vermehrt dort anzutreffen ist. Denn sie mögen genau diese langsam zuwachsenden Flächen mit den Beerensträuchern, da es dort viel Nahrung und Deckung für ihre Jungtiere gibt. Für Jäger werden diese Fläche nicht leicht zu bejagen sein. Ich bin aber überzeugt, dass sich das Wild sowohl an die freien Flächen als auch an die Tatsache, dass sich vermehrt Menschen im Wald aufhalten, gewöhnen kann.
Worauf muss geachtet werden, um als Wanderer oder Fahrradfahrer die Tiere im Wald möglichst wenig zu stören? Und was gilt für Menschen mit Hund?
Grundsätzlich ist es immer gut, wenn ich die ausgewiesenen Wanderwege nutze, die vorhanden sind. Gerade die Dämmerungszeit morgens und abends ist immer etwas kritisch - wenn Menschen dann noch unterwegs sind, kann es passieren, dass die Tiere gerade zu dieser Äsungszeit unter Stress geraten. Zu diesen Zeiten sollte man daher besondere Rücksicht auf die Tiere nehmen. Auch Radfahrer wirken immer ein wenig bedrohlich auf die Waldtiere, da sie sehr schnell und dabei gleichzeitig sehr leise sind. Aufgrund dessen sind Radfahrer für die Waldbewohner schwieriger einzuschätzen als ein Wanderer, der sich langsam annähert. Deshalb ist es gerade bei Radfahrern auch besonders wichtig, dass sie sich an die Wege halten. Woanders dürfen sie auch gar nicht entlang. Auf gar keinen Fall sollten Radfahrer kreuz und quer im Wald rumfahren. Es gilt immer mit Bedacht fahren und Rücksicht auf andere Waldbesucher nehmen. Wir sollten im Wald nachsichtig miteinander umgehen. Dazu gehört auch, früh genug zu klingeln, damit sich Wanderer nicht erschrecken und nicht einfach an ihnen vorbeizurasen. Das Miteinander im Wald geht immer dann gut, wenn sich alle an die Regeln halten. Für Menschen mit Hund haben wir im Wald überwiegend keinen Leinenzwang. Ein Hund darf immer dann ohne Leine laufen, wenn er im Einflussbereich seinen Herrchen oder Frauchen ist. Das heiß: Nicht rechts oder links abseits vom Weg rumstreunen, sondern auch der Hund soll auf dem Weg bleiben. Sodass weder die Wildtiere noch andere Waldbesucher von dem Hund gefährdet werden. Die Vierbeiner haben im Walddickicht nichts zu suchen und dürfen ihren Jagdtrieb im Wald nicht nachgehen.
Und wie verhält man sich am besten während und nach einem Sturm im Wald?
Wir hatten erst letztens einen stärken Sturm hier in Wittgenstein. Als das bekannt wurde, haben wir darauf hingewiesen, dass die Menschen den Wald möglichst meiden sollen. Es war zwar nicht so schlimm wie bei Kyrill – dennoch hatten wir am Rothaarsteig größere Schäden zu beklagen. Auf den Wegen und in vielen Bereich ist das Holz, was beim Sturm umgekippt ist, bereits abgefahren worden. So wurden Gefahrenpunkte entschärft. Die Flächen, wo noch nicht geräumt wurde und Äste wie auch Bäume noch schief hängen, sollten aber weiterhin gemieden werden. Dort ist immer noch Vorsicht geboten.
Der Wald wird immer heißer - Wie sieht es da aktuell mit Waldbrandgefahr aus? Wie trocken sind die Böden?
In den letzten Wochen war es wirklich staubtrocken draußen und auch der Wald hat darunter gelitten. Die Waldbrandgefahr ist gerade jetzt mit all den Freiflächen, auf denen überall noch Totholz und trockenes Astwerk rumliegt, welches im Fall eines Brandes zu gutem Brennmaterial oder einem echten Brandbeschleuniger werden könnte, ziemlich hoch. Der März und April sind so wie so die gefährlichsten Monate in Bezug auf die Waldbrandgefahr.
Ist die Gefahr denn nun durch das erst mal schlechte Wetter gebannt?
Nein, die Gefahr ist durch ein wenig schlechteres Wetter leider nicht aufgehoben. Wenn ich gerade rausgucke, sehe ich Schnee - aber viel geregnet hat es nicht. Die Oberflächen sind nur ein bisschen feucht geworden. Es ist also weiterhin Vorsicht geboten, weiterhin vorsichtig sein, da die Niederschläge, die jetzt kommen nicht ausreichen werden, die trockenen Böden wieder zu durchnässen und sobald es wieder trockener wird, erhöht sich auch wieder die Brandgefahr. Bei warmem Wetter sollten Waldbesucher daher noch glühende Kippenstummel nicht einfach achtlos auf den Boden schmeißen. Größere Feuer zu machen, ist generell im Wald untersagt sowie auch das Zelten. Durch die Niederschläge im Januar und Februar reicht die Feuchtigkeit im Boden selber aber aktuell auf jeden Fall dazu aus, dass die Natur jetzt wieder grün werden kann.
Wird der Borkenkäfer auch in diesem Jahr wieder zu einem Problem in den regionalen Wäldern?
Im Moment ist es etwas entspannter, weil jetzt erst mal eine kalte Wetterphase kommt. Die kalten Temperaturen mag der Borkenkäfer nicht und zieht sich zurück. Der Käfer fängt bei Temperaturen ab 16 Grad an zu fliegen. Wir konnten ihn dieses Jahr auch schon fliegend beobachten. Durch die Borkenkäferproblematik mussten die wegen des Sturms umgefallenen Bäume schnell aufbereitet werden, damit er dieses bereits geschwächte Holz nicht befällt. Leider können wir jetzt noch keine Prognose abgeben, was uns dieses Jahr in Bezug auf den Borkenkäfer erwartet. Ich gehe aber davon aus, dass er wieder Schäden anrichten wird.
Viele Waldwege sind aktuell in einem schlechten Zustand. Wann werden diese wieder instand gesetzten? Und haben die unfertigen Wege Auswirkungen auf den Wandertourismus in Wittgenstein?
Wie die Wege aktuell aussehen, na ja ich gebe zu, schön ist das nicht. Aber das müssen die Waldbesucher erst mal so hinnehmen, weil diese Wege in erster Linie Wirtschaftswege und keine ausgewiesenen Wanderwege sind - auch wenn sie oft von Wanderern benutzt werden. Waldbesitzer sind nicht angehalten, die Wege sofort wieder in einen Top-Zustand zu versetzen. Primär ist aktuell das ganze Totholz aus dem Wald zu bekommen. Ich habe aber schon gesehen, dass viele Waldwege wieder vernünftig aufbereitet werden. So wird eine leichte Schotterschicht aufgetragen, sobald das Holz abtransportiert wurde. Die Wege wieder in Schuss zu bekommen, ist ja auch im Interesse des Waldbesitzers. Es kann jetzt zwar noch ein bisschen dauern, aber die Wege sollen wieder schön gemacht werden. Viele Touristiker machen sich zurzeit Sorgen, weil viele Touristen zum Wandern nach Wittgenstein kommen. Ich glaube aber nicht, dass das Fichtensterben und der Zustand der Wege dazu führen, dass der Wandertourismus in unserer Region zurück geht.
Was wird denn in Zukunft auf den vielen jetzt noch kahlen Flächen gepflanzt?
Wie die Bepflanzung genau aussehen soll, wissen die Forstwirte noch nicht genau. Viele wollen die Flächen nun erst mal natürlich zuwachsen lassen, um zu gucken, was von alleine aus den Böden kommt. So eine Situation hatten wir ja so auch noch nie im Wald. Es gibt aktuell viel zu viel frei Flächen – so viel Pflanzengut hat man ja überhaupt nicht. Die Baumschulen sind jetzt schon überlastet und kommen mit den vielen Bestellungen nicht hinterher. Artenreich und vielfältig soll der Wald der Zukunft werden, mit Baumarten, die standortgerecht für unsere Region sind. Möglichst Mischbestände sollen angepflanzt werden. Dafür werden die Tanne und Douglasie sicher wichtig werden. Bei den Laubbäumen überlegt man Esskastanien und Roteichen einzusetzen. Wirtschaftlich brauchen wir aber weiterhin auch Nadel- und Bauholz. Es bleibt spannend im Wald. Das wird sicherlich eine sehr interessante Landschaft werden, wenn alles mal ein bisschen nachgewachsen ist.
Rechnen Sie auch in diesem Jahr wie in den letzten Corona-Sommern mit einem Besucheransturm im Wald, sobald das Wetter wieder besser wird?
Ich bin mir nicht sicher, ob wir diesen großen Andrang, den wir in den letzten Jahren gesehen haben, noch mal so erleben und er sich langfristig halten wird. Aber ich habe schon das Gefühl, dass die Menschen in dieser Zeit ihre Region kennengelernt haben und sie jetzt vielmehr zu schätzen wissen.
Sein Tipp: Wir müssen uns im Klaren sein, dass die kahlen Flächen im Sommer durch die Sonnenstrahlung unglaublich heiß und trocken werden. Es ist wirklich wichtig, dass Wanderer in Zukunft drauf achten, eine Kopfbedeckung und immer genügend zu Trinken mitzunehmen, wenn sie in den Wald gehen. Damit der Kreislauf die ganze Wanderung auch mitmacht. Denn wir haben nicht mehr so viele Waldrouten, wo man im Schatten läuft.
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