Garbeck. Das Wunder von Garbeck. Monstersturm „Kyrill“ hat Fichten-Wälder geknickt. Gartenvögel sehen die neuen Flächen als Paradies. Warum?

Verrückte Welt. Als Monster-Sturm „Kyrill“ im Januar 2007, vor 15 Jahre, im Hönnetal ganze Wälder flach legte, fühlte es sich an wie eine Katastrophe. Für Gartenvögel indes wirken Aufforstungsflächen wie ein Paradies. Steingärten hin, Monokultur her – immer mehr Luftartisten fliegen auf „Kyrill“.

+++ DER MONSTERSTURM „KYRILL“: RÜCKBLICK AUF LAGE IN BALVE UND MENDEN +++

Ein Buchfink im Sturm: Vogelarten wie diese sind auf Fichten-Hochwälder abonniert. Sie sind - nach „Kyrill“ und Borkenkäfer-Invasion - weitgehend aus dem Hönnetal verschwunden.
Ein Buchfink im Sturm: Vogelarten wie diese sind auf Fichten-Hochwälder abonniert. Sie sind - nach „Kyrill“ und Borkenkäfer-Invasion - weitgehend aus dem Hönnetal verschwunden. © WP | Ulrich Iffland

Was bisher geschah: Insgesamt wurden von Professor Johannes Kamp von seinem Biologen-Team der Uni Göttingen 49 Brutvogelarten erfasst. Artenreichtum und Tierzahl über alle Arten unterschied sich nicht zwischen Fichtenhochwald und Aufforstungsflächen: „Die ,Kyrill’-Flächen waren also nicht per se vogelreicher.“ Dennoch sahen die Wissenschaftler einen deutlichen Unterschied: Indikator-Arten – typische, vorherrschende Arten – waren für die Altfichtenbestände Winter- und Sommergoldhähnchen, Buchfink, Tannenmeise, Haubenmeise, Zaunkönig, Wald- und Gartenbaumläufer und einige seltenere Arten wie der Schwarzspecht. „Es ist davon auszugehen, dass diese Arten zu denVerlierern des Waldwandels durch ,Kyrill’ gehören“, notierten die Fachleute. Erklärung: Sie haben viel Altfichten-Lebensraum verloren.

+++ GARBECKS EX-FÖRSTER ERINNERT SICH AN SEINE „KYRILL“-NACHT +++

Zaunkönig im Gegenlicht vor bewölktem Himmel. Auch diese Vogelart liebt den schwindenden Fichten-Hochwald.
Zaunkönig im Gegenlicht vor bewölktem Himmel. Auch diese Vogelart liebt den schwindenden Fichten-Hochwald. © Unbekannt | Ulrike Rocholl

Indikator-Arten für Flächen, die mit Nadelhölzern aufgeforstet wurden, waren Heckenbraunelle und Amsel, für mit Buche aufgeforstete Flächen Mönchsgrasmücke, Singdrossel, Rotkehlchen und Zilpzalp. In Birkenwäldchen flattern Fitislaubsänger, Kohlmeise, Gartengrasmücke und Baumpieper als Indikator-Arten. Die vorherrschende Arten auf „Kyrill“-Flächen – ganz gleich, was da sprießt – sind als Beispiele für Gewinner zu sehen. Sie kommen mit dem Verlust von Fichtenhochwäldern zurecht, weil sie große Büsche und Vorwälder lieben. Dazu gehören auch Neuntöter, Heidelerche und Goldammer. Umgekehrt spielen die einstigen Herrscher des Waldern auf Windwurfflächen nur noch eine Nebenrolle.

Ära der Dunkelwaldwirtschaft endet

Allerdings sehen die Forscher den Wandel vom tiefen Tann zu hellen Wiederbewaldungsflächen überraschend positiv. Warum? Die Dunkelwaldwirtschaft der vergangenen 100 Jahre garantierte hohe Holzvorräte. Allerdings werten die Forscher sie als eher naturferne Phase, „die kaum Lebensraum für Licht- und wärmeliebende Arten bot“. Die großflächige Zerstörung von Fichtenalthölzern und das Entstehen von niedrigen, relativ warmen, hellen Aufforstungsflächen und natürlicher Wiederbewaldung nach „Kyrill“ habe zu höherer Artenvielfalt geführt. „Im Untersuchungsgebiet wurden nicht alle Flächen monoton mit Buche und Fichte aufgeforstet, sondern es wurde (bedingt auch durch die Besitzstrukturen) Vielfalt in der Wiederbewaldung zugelassen“, notierten die Wissenschaftler. Vor allem Birkenwälder haben sich demnach „positiv auf die Bestände einiger gefährdeter, im Bestand abnehmender Langstreckenzieher ausgewirkt wie Fitis, Gartengrasmücke und Baumpieper. Auch Feldvögel, wie Goldammer und Neuntöter, die wegen einer immer stärker intensivierten Landwirtschaft unter Druck stehen, haben auf den ,Kyrill’-Flächen Refugien gefunden und konnten den Wald wiederbesiedeln.“

+++ SO HILFT LANDESBETRIEB WALD + HOLZ FORSTBESITZERN +++

FranzJosef Stein aus Garbeck war Förster beim Landesbetrieb Wald und Holz: Vor seinem inneren Auge läuft der Monster-Sturm
FranzJosef Stein aus Garbeck war Förster beim Landesbetrieb Wald und Holz: Vor seinem inneren Auge läuft der Monster-Sturm "Kyrill" immer noch wie ein Film mit allen Details ab. Vor seinem Haus in Garbeck liegt eine große „Kyrill“-Fläche (Archiv). © WP | jürgen overkott

Die Umsetzung der vom Land NRW erarbeiteten Empfehlungen zur Wiederbewaldung von Orkanflächen habe Vogelarten gefördert, die vor „Kyrill“ teilweise gefährdet waren, heißt es. „Der Einbruch in der Häufigkeit von an Nadelbäume gebundenen Vogelarten wie Goldhähnchen, Hauben- und Tannenmeise ist dabei verschmerzbar“, bilanzieren die Forscher. Grund: Diese Arten seien zumeist mit der standortfremden Fichte eingewandert. In ihrer kalten Heimat seien sie nach wie vor sehr häufig.