Wunderthausen. Die Mordakte Ebert Strackbein beschäftigt derzeit den Traditions-Kriegerverein. Mitglieder gehen im Rahmen einer Wanderung auf Spurensuche.

Es war ein echter Zufallsfund im Hessischen Staatsarchiv Marburg: Hier tauchten kürzlich detaillierte Zeugenaussagen zu einem Mord an einem Wunderthäuser auf, der sich vor über 400 Jahren ereignet haben soll. Das Opfer: der Waldläufer Ebert Strackbein. Zu diesem überlieferten Kriminalfall von damals begaben sich jetzt Mitglieder des Traditions-Kriegervereins Wunderthausen von 1874 gemeinsam mit Wandergästen auf Spurensuche – im Grenzgebiet zwischen Wunderthausen, Hallenberg und Züschen.

Die Fakten zum Mord

So oder ähnlich hätte es damals, anno 1585, in der Zeitung stehen können:

Das Deckblatt der „Marburger Akten“ zur „Ermordung des hessischen Forstläufers Ebert Strackbein von Wunderthausen duch Einwohner von Hallenberg i Entenpfuhl au der Grenze zwischen Kurköln und Wittgenstein – auch Waldfrevel der Hallenberger“, datiert von „1586, März April“.
Das Deckblatt der „Marburger Akten“ zur „Ermordung des hessischen Forstläufers Ebert Strackbein von Wunderthausen duch Einwohner von Hallenberg i Entenpfuhl au der Grenze zwischen Kurköln und Wittgenstein – auch Waldfrevel der Hallenberger“, datiert von „1586, März April“. © Unbekannt | Kriegerverein Wunderthausen

„Mord im Grenzgebiet zwischen Wunderthausen und Hallenberg: Ebert Strackbein aus Wunderthausen, Waldläufer in den Diensten des Landgrafen von Hessen, ist zunächst von seinem Patenonkel Ebert Beitzel aus Hallenberg mit einer Büchse angeschossen worden, ehe er kurz darauf mit einem Spieß erstochen und ihm der Schädel eingeschlagen wurde. Strackbein stirbt noch an Ort und Stelle – durch Stiche in Brust und Lunge.

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Sein Sohn Hans (17), der ihn begleitete, erlitt schwere Verletzungen: Sein linker Arm wurde mit einer Axt zerschmettert. Der Rentmeister von Schwarzenau und der Schultheiss von der Berleburg begutachteten den Leichnam des Vaters später in der Züschener Kirche. Dorthin hatten ihn der Sohn und drei Helfer gebracht. Beigesetzt wurde der evangelische Untertan dann auf einem katholischen Friedhof im Dorf.

Der Angriff auf Strackbein ist jedoch nicht der erste: Bereits drei Jahre zuvor hatten Unbekannte ihn schwer verletzt, als er gerade mit seiner Ehefrau Elsa und einem Pferd auf dem Rückweg vom Michaelismarkt in Frankenberg war. Bei Somplar lauerten sie ihm im Unterholz auf und droschen im Dunklen auf ihn ein, bis sie ihn für tot hielten. Zuvor hatte sich Elsa noch über ihren Ehemann geworfen, um ihn zu schützen.

Anschließend zogen die Täter in Richtung Hallenberg ab. Mit größter Mühe konnte Elsa mit dem mitgeführten Pferd den schwer verletzten Ehemann bis nach Bromskirchen schaffen, dort kamen sie über Nacht in der Scheune ihres Bruders (Krämers) unter.“

Am Tatort

Im Bereich Wallershöhe (812,5 Meter ü. N.N.), Bächeborn und Radenstein müssen sich die oben geschilderten Kampfhandlungen Ende 1585 zugetragen haben, in die Strackbein damals auf so tragische Weise verwickelt war. Rast machen unsere Wanderer bei den „Drei Försterhäuschen“, ganz in der Nähe des Tatorts gelegen. Wanderführer ist Andreas Wahl.

Zum Hintergrund der Tat

Ebert Strackbein stammte aus dem Große-Haus – seine Familie gilt als eine der drei Familien, die nach einer Wüstungsperiode den Ort Wunderthausen ab 1496 wieder neu besiedelt hatten. Ebert Strackbein war zwar Wittgensteiner Untertan, darüber hinaus stand er aber eben auch als Waldläufer in Diensten des Landgrafen von Hessen und hatte in dieser Funktion die Grenze zu überwachen sowie die häufig vorkommenden Holz- und Wildfrevel anzuzeigen.

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Aufgrund der ständigen Gesetzesüberschreitungen im Grenzgebiet zwischen Kurköln und Wittgenstein – vor allem natürlich zwischen Hallenberg und Wunderthausen – stand Strackbein mit einer Reihe von Hallenbergern in Rechtsauseinandersetzungen. Dabei ging es neben gepfändeten Holzfuhren auch um Tätlichkeiten. Es lag also auf der Hand, dass Ebert Strackbein schon länger für die Hallenberger ein unerwünschter Zeitgenosse war, der am besten zu beseitigen wäre.

Die „Geschichtsschmiede“, eine Arbeitsgruppe im Kriegerverein mit Gerd Schneider, Bernd Homrighausen und Andreas Wahl im Kern, die sich auch um das bekannte Wunderthäuser Geschichtsfenster kümmert, hat die erwähnten Zeugenaussagen ausgewertet.

Kriegerverein als Vermittler

Dem Kriegerverein gehe es darum, so dessen 1. Vorsitzender Andreas Wahl, historisches Wissen aus Wunderthausen und Umgebung einem möglichst großen Publikum zugänglich zu machen – etwa bei den jährlichen Wanderungen oder auch im Wunderthäuser Geschichtsfenster.

Ein Blick ins „Wunderthäuser Geschichtsfenster“, stets gefüllt mit vielen Neuigkeiten von damals.
Ein Blick ins „Wunderthäuser Geschichtsfenster“, stets gefüllt mit vielen Neuigkeiten von damals. © Unbekannt | -Kriegerverein Wunderthausen

„Wir möchten das Wissen an den Mann bringen. Es bringt ja nichts, wenn das Material in der Schublade liegen bleibt und nur einem kleinen Kreis zugänglich ist.“ Der Verein arbeite mit anerkannten Fachleuten aus der Umgebung zusammen, beispielsweise mit Klaus Homrighausen, dem langjährigen „Macher“ des Heimathauses in Diedenshausen.

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Andreas Wahl, 1. Vorsitzender Traditions- Kriegerverein Wunderthausen, über einen geplanten Internet-Auftritt: „Es ist angedacht, dass wir eine eigene Seite machen.“
Andreas Wahl, 1. Vorsitzender Traditions- Kriegerverein Wunderthausen, über einen geplanten Internet-Auftritt: „Es ist angedacht, dass wir eine eigene Seite machen.“ © Unbekannt | Eberhard Demtröder

Mit Homrighausens Hilfe sei es auch gelungen, die handschriftlichen Dokumente aus der damaligen Zeit zu entziffern und ins Alltagsdeutsch zu „übersetzen“, so Wahl im Gespräch mit unserer Redaktion.

Im Geschichtsfenster, zentral gelegen an einer Hauptachse für Wanderstrecken in Wunderthausen wie dem Geschichts- und Kulturpfad, den SGV-Bezirkswanderwegen oder dem „Höhenflug“, geht es aktuell um Ergebnisse rund um die Forschung zu einem früheren Kloster bei Wunderthausen, aber auch um alte Schlepper-Schätzchen aus dem Ort oder altes Brauchtum.

Der Kriegerverein Wunderthausen ist nicht mit eigenen Seiten im Internet vertreten. Wäre das nicht eine gute Ergänzung zum „Geschichtsfenster“, um historisches Material öffentlich zu präsentieren? „Es ist angedacht, dass wir eine eigene Seite machen“, sagt Andreas Wahl. Und das sei auch sinnvoll – gebe es doch auch viele auswärtige Interessierte an Wunderthausen und seiner Historie.

Der Heimatforscher

Der Wunderthäuser Andreas Wahl selbst schreibt auch für „Wittgenstein“, die Blätter des Wittgensteiner Heimatvereins. So steuerte er im Heft 1/2018 einen eigenen Beitrag mit dem Titel „Die alte Mühle und der Nachtwächter zu Wunderthausen“ bei. Derzeit komme er aber nicht mehr so gut zum Schreiben, weil ihm die Zeit fehle, bedauert Wahl. Der Verkaufsberater bei einer Bad Berleburger Versicherung, Schwerpunkte Fachberatung Landwirtschaft sowie Vorsorge- und Finanzplanung, ist dort seit 1995 tätig.

Als Schützenkönig in die Dorfgeschichte

In die Wunderthäuser Dorfgeschichte eingehen werden womöglich auch Andreas Wahl und seine Ehefrau Katja Weller-Wahl – als eines der Schützenkönigspaare mit einer ungewöhnlich langen Regenten-Zeit. Beide amtieren nun schon seit zwei Jahren – und „frühestens 2022 ist ein Nachfolger in Sicht“, sagt Wahl – und das auch nur, „sofern Corona es zulässt“. Eine Abschlussfeier mit dem Hofstaat sei jedenfalls geplant.

Was Andreas Wahl ganz persönlich an Heimatgeschichte fasziniert: „Es taucht doch immer wieder mal was auf“, hat er festgestellt – „meist aus alten Akten, etwa im Schloss“. Oder im Marburger Archiv wie beim Mordfall Strackbein. Und das Material sei zunehmend digitalisiert, was die Forschungsarbeit natürlich einfacher mache. Dabei seien Quellen aus Hessen „für uns hochinteressant, weil wir im Grenzgebiet sind“.