Bad Berleburg. Manche haben Existenzangst, manche streuen Angst: In Berleburg protestierten Kritiker der Corona-Politik. Ein Blick in die Telegram-Gruppen.

Sie versammeln sich in Telegram-Kanälen, bemühen sich plakativ um friedlichen Protest gegen die Corona-Politik und haben am Montag – nach einem gescheiterten Versuch eine Woche zuvor – mit insgesamt rund 200 Menschen ihren Unmut mit einem Spaziergang durch die Bad Berleburger Innenstadt kundgetan.

200 Menschen, gleich beim ersten richtigen Anlauf – die Mitglieder des Telegram-Kanals, in dem der „Spaziergang“ organisiert wurde sind stolz auf einen gleich so großen Zulauf. Der erste Versuch, am 13. Dezember, lief weniger günstig. Da diese Versammlung – geplant war eine Mahnwache – nicht angemeldet gewesen war, musste sie abgebrochen werden. Nicht so am Montag. Die Polizei bestätigte auf unsere Nachfrage, dass insgesamt in etwa 200 Menschen unterwegs waren. „Am Anfang waren es etwa 150, später kamen noch rund 50 Personen dazu“, teilt uns die Pressestelle der Polizei mit.

Friedliche Front

„Es war fantastisch, alles ganz friedlich“, ist denn auch eine Nutzerin des Telegram-Kanals im Nachgang erfreut. Tatsächlich legen diese Menschen Wert darauf, keinen aggressiven Ton an den Tag zu legen – wohlwissend, dass diese Chats öffentlich einsehbar sind und sowohl die Medien als auch klare Gegner ihrer Bewegung unter den „Mitlesern“ sind. Die Hemmschwelle, einer friedlichen Bewegung beizutreten, ist eben niedriger, als sich fackelschwingenden und Beleidigungen ausstoßenden Menschen anzuschließen.

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Friedlich war auch der Protest in Bad Berleburg, versichert die Polizei: „Es ist alles ruhig und friedlich geblieben.“ Immer wieder wird in den Kanälen auch geschrieben, dass man ja nur seine Meinung sage und doch auch akzeptiere, wenn es Menschen gebe, die sich impfen lassen wollen. Dem gegenüber stehen dann jedoch auch Aufrufe, sich mit Schildern vor Impfzentren zu positionieren und gegen die Impfung von Kindern zu demonstrieren. Äußert sich ein Nutzer konstruktiv kritisch, wird er verhöhnt.

Verschiedenste Nutzer

Unter den Sympathisanten der Bewegung sind vielerlei verschiedene Personen. Es sind Menschen, die sich für Selbstversorgung und Alternativmedizin interessieren, Menschen, die Tipps zum Umgang mit und auch zur Umgehung der Maskenpflicht geben, welche Ärzte im Kreis nicht dem „Impfwahn“ verfallen sind, aber auch Menschen, die Angst haben.

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„Meine Angst, den Job zu verlieren wird jeden Tag größer. Ich bin alleinerziehende Krankenschwester, bin bis jetzt sehr standhaft geblieben und habe mir die Plörre nicht spritzen zu lassen. Ich habe das Gefühl, dass ich dem Druck nicht mehr standhalten kann. Denke zunehmend doch darüber nach, mich dem allen zu beugen“, berichtet eine Frau von ihrem Dilemma. Und während ihr einige Nutzer zur Seite springen, ihr sagen, dass sie sich nicht beugt, wenn sie sich aus Existenzangst impfen lässt, gibt es auch jene, die ihr raten zu kündigen und sich arbeitssuchend zu melden. Als Signal, denn das würden jetzt viele Pfleger so machen.

Verschwörungstheorien und ungefilterte „Informationen“

Und dann gibt es auch solche Menschen in dieser Bewegung, die ungefiltert Verschwörungstheorien verbreiten – von Chemtrails über konsequent lügende „Mainstreammedien“ bis hin zu den QR-Codes auf den Impfpässen. Die Impfpässe sollen laut diesen Menschen nämlich der eigentliche Grund für diese „Plandemie“ sein, der QR-Code auf den Pässen ein Weg zur digitalen Währung. Hunderte von Nachrichten laufen jeden Tag in den im Kreis verbreiteten Kanälen ein, darunter zahllose, auf ihre Echtheit ungeprüfte „Informationen“ oder Interviews, die aus dem Zusammenhang gerissen wurden.

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Wie das eines Mediziners, der berichtet, dass das Mittel Ivermectin die Symptome einer Covid-Erkrankung lindern könnte. Im Chat wird dann jedoch daraus: „Ivermectin heilt Corona.“ Ivermectin wird konventionell gegen Parasiten eingesetzt und steckt auch in Wurmmitteln für Pferde. Dieser „Geheimtipp“ machte auch international die Runde, Wurmkuren für Pferde waren plötzlich ausverkauft. In Florida starb eine zweifache Mutter nach der Einnahme dieses Mittels, nachdem sie dem Tipp gefolgt war.