Bad Berleburg. Der Jugendförderverein arbeitet derzeit im Auftrag der Stadt Bad Berleburg an einem Konzept, das Leerstände in den Kommunen beseitigen kann.

Der Jugendförderverein Bad Berleburg arbeitet derzeit im Auftrag der Stadt Bad Berleburg an einem Konzept, das Leerstände in den Kommunen beseitigen kann und sich dabei der Erfahrungen aus zwei negativen Prozessen bedient, um daraus Ideen für die Zukunft zu entwickeln. Frei nach der mathematischen Gleichung zweimal minus ergibt plus. Mit neuen Veranstaltungsformaten sollen die Folgen der Corona-Pandemie und des demografischen Wandels aufgefangen werden. Darüber sprechen wir mit dem Vorsitzenden des Jugendfördervereins Holger Saßmannshausen über ein Leader-Projekt, das offiziell den sperrigen Titel „Corona-Pandemie, digitale Transformation, demografischer Wandel – Veranstaltungsformate und Veranstaltungsstätten gemeinsam neu denken und nachhaltig gestalten” trägt.

Woher stammt die Idee?

Holger Saßmannshausen Die Stadt Bad Berleburg hat einen Dienstleister für die Durchführung dieses wichtigen und innovativen Leader-Projektes gesucht. Die Veranstaltungs-GmbH des Jugendfördervereins hat sich beworben und über die Ausschreibung den Zuschlag bekommen. Das hat uns gerade in Corona-Zeiten sehr gefreut, denn wir kennen natürlich den heimischen Veranstaltungssektor wohl wie kein Zweiter und haben natürlich auch ein hohes Eigeninteresse an den Projektergebnissen.

Was sind die Ziele des Projekts?

Zunächst erfolgt eine Ist-Analyse. Wir erstellen einen Veranstaltungs- und Veranstaltungsstätten-Atlas. Außerdem bewerten wir Veranstaltungen und Veranstaltungsstätten hinsichtlich Nachhaltigkeit und bestimmen die Bedarfe und Herausforderungen mit den Akteuren vor Ort.

Wie geht es dann weiter?

Nach Abschluss des städtischen Leader-Projektes wird aus der Analyse ein Beratungsangebot hinsichtlich nachhaltiger Veranstaltungen und Veranstaltungsstätten. Das heißt, es werden Konzepte für zeitgemäße Veranstaltungsformate und gastronomische Angebote erarbeitet. Dabei spielen dann die Erfahrungen mit Corona, Digitalisierung, gesellschaftlichem Wandel und auch Wirtschaftlichkeitsüberlegungen eine Rolle. Wenn diese Konzepte erfolgreich sind, können sie die Blaupause für Nachahmer werden.

Holger Saßmannshausen ist Vorsitzender des Jugendfördervereins Bad Berleburg, dem inzwischen über 160 Vereine nicht nur aus Bad Berleburg angehören.
Holger Saßmannshausen ist Vorsitzender des Jugendfördervereins Bad Berleburg, dem inzwischen über 160 Vereine nicht nur aus Bad Berleburg angehören. © Unbekannt | Jugendförderverein

Gibt es schon solche Veranstaltungskonzepte?

Wir als Jugendförderverein erproben derzeit neue Formate, wie zum Beispiel den Sommerabend mit Tobias Beitzel, bei dem man sich eigene Speisen und Getränke mitbringen darf oder ein Autokino, beides corona-konforme Events. Zudem ist die Erstellung des Veranstaltungsstätten-Katasters im Rahmen des städtischen Leader-Projektes im vollen Gange. Die Bereisung der Ortschaften wurde nach einer corona-bedingten Unterbrechung wieder aufgenommen. Alle Projektergebnisse werden nach Abschluss des Projektes präsentiert.

Was hat der Jugendförderverein davon?

Uns geht es darum, unsere 164 Mitgliedsvereine weiterhin an unseren Veranstaltungen zu beteiligen und ihnen damit Verdienstmöglichkeiten für die eigene Jugendarbeit zu geben. Wir sitzen alle in einem Boot und die Pandemie hat allen Beteiligten wichtige Einnahmequellen entzogen. Und wenn es dann auch in diesem Jahr wieder keine Schützenfeste oder zum Beispiel die beliebte BLB-Live-Reihe über Sommer geben kann, dann müssen wir uns eben was Neues überlegen.

Wie passt die Bad Berleburger Reh-Bar ins Konzept?

Aktuell befinden wir uns in guten Gesprächen mit dem Eigentümer der Reh-Bar, die ja bekanntlich auch seit Corona leer steht. Gut möglich, dass wir als Jugendförderverein ab Herbst ein komplett neues Betreibermodell austesten, in dem unsere Veranstaltungs-GmbH Pächter wird und die Mitgliedsvereine den Service leisten und damit ihre Vereinskasse aufbessern können, ähnlich wie bei unseren gewohnten Veranstaltungen. Damit würden wir zum einen einen Leerstand beheben, eine Kultkneipe für die Menschen erhalten und ganz nebenbei unsere Vereine in schweren Zeiten fördern. Vielleicht ein System das Schule machen kann, aber dazu muss man es erstmal versuchen und das haben wir fest vor.

Wann könnte das Projekt starten?

Die Reh-Bar verfügt ja bekanntermaßen über keinen großen Außenbereich. Deshalb macht eine Eröffnung erst Sinn, wenn der Innenbereich nicht nur öffnen darf, sondern auch ausreichend Gäste trotz der kleinen Räumlichkeiten reindürfen. Auf diese Weise kann es dann auch wirtschaftlich funktionieren. Wir haben da keinen Druck, denn es wäre ja hoffentlich ein längerfristiges Konzept für die Zukunft, was zum Beispiel auch eine verregnete Sommersaison abfedern könnte.

Kann das Konzept auch in andere als Gastronomie umgewandelt werden, zum Beispiel in Läden oder mit Pop-up-Stores?

Grundsätzlich achten wir immer darauf, dass man unsere Erfahrungen auch andernorts erfolgreich abkupfern kann. Warum sollte das Modell also nicht auch Schule machen und bei anderen Leerständen angewendet werden. Es wäre doch für alle Bürgerinnen und Bürger großartig, wenn wir damit Gastronomie oder Ladenlokale wiederbeleben könnten. Die Gründung des Jugendfördervereins an sich war im Jahr 2005 auch eine Art Pilotprojekt mit sehr erfolgreicher Entwicklung. Vielleicht können wir jetzt in diesen Krisenzeiten wieder die Weichen stellen für gute Zukunftsaussichten. Jede Krise ist auch immer eine Chance.

Bei den großen Veranstaltungen wie Donnerstags Live auf dem Marktplatz, der Sommernachtsparty oder der Weihnachtszeitreise sind die Vereine eingebunden. Ist das einfach auch auf das neue Konzept so übertragbar?

Unser Solidarprinzip hat sich bewährt, warum also nicht auch hier. Wir als Jugendförderverein übernehmen Wareneinsatz, Sortimentsgestaltung, Bewerbung etc. und die Vereine kommen, zapfen, bedienen und bekommen ihren Einsatz in bewährter Weise vergütet. Ich kann mir schon gut vorstellen, dass sich eine gewisse Eigendynamik entwickeln kann, wenn abends zum Beispiel die Sportfreunde Edertal zapfen und der VfL Bad Berleburg dann als Gast vor der Theke steht… spannend auszutesten in jedem Fall.